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11:55 Uhr, 12.10.2004

Biotech Experte: <u>Vioxx-Skandal gut für Biotechs!</u>

Merck - Schnäppchen oder faules Ei??

Auf einer außerordentlichen Pressekonferenz musste der U.S. Pharmakonzern Merck & Co. (Nyse: MRK; WKN: 851719) in der vergangenen Woche den versammelten Journalisten, Analysten und Großinvestoren eine niederschmetternde Nachricht unterbreiten. Die Kunde vom Ausfall des Blockbusters Vioxx, die der bereits seit längerem strauchelnde Konzern den spannend wartenden Anwesenden unterbreitete, ließ den Kurs der Merck-Aktie dann auch um mehr als 25 Prozent einbrechen. Rund 145 Millionen Merck-Aktien wechselten am Tag der Meldung die Hände, was in etwa dem 20-fachen des durchschnittlichen Handelsvolumens bei Merck entsprach.

Schon seit etwa zwei Jahren waren immer wieder Bedenken aufgekommen, Vioxx könne möglicherweise das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall, vor allem in Patienten mit Herzproblemen, erhöhen. Aussagekräftige Langzeitstudien gab es bisher allerdings nicht. Eine deshalb von Merck initiierte auf drei Jahre angesetzte und nun vorzeitig abgebrochene Langzeitstudie konnte die Bedenken nun signifikant bestätigen. Laut den Studienergebnissen, die Merck nun zähneknirschend auch der versammelten Börsengemeinde präsentieren musste, ist die Gefahr eines Herzinfarktes oder Schlaganfalles unter Vioxx signifikant höher als bei Gabe eines Scheinmedikamentes, eines so genannten Placebos.

Um einer Welle von Schadenersatzklagen zu entgehen hat sich der amerikanische Pharmakonzern nun sicherheitshalber zum Rückzug von Vioxx entschlossen. Wie die verantwortlichen von Merck bekannt gaben, wurde aber bereits eine Summe von etwa 12 Milliarden Dollar für etwaige Regressansprüche zurückgelegt. Eine Summe, die Merck wohl auch brauchen wird, schließlich ist das Medikament gegen Arthritis, das Merck jährlich mehr als 2,5 Milliarden Dollar in die Kasse spülte, schon seit einigen Jahren am Markt, so dass Schadenersatzzahlungen mit Sicherheit auf Merck zukommen werden.

Doch was für Merck ein Desaster ist, das könnte sich für die Biotechbranche als wahrer Glückstreffer erweisen. Der Rückzug eines Medikamentes aus der Pharmabranche wird das Interesse der Anleger nämlich wieder verstärkt auf die neuen Wirkstoffe lenken und diese werden vorwiegend in den Labors der Biotech Companies erforscht und entwickelt.

Wer sich, wie Merck, zu lange auf seinen Lorbeeren ausgeruht und die Biotechbranche scheinbar unterschätzt hat, der wird über kurz oder lang scheitern. Ein Signal, das Merck in Anbetracht des Vioxx-Skandals mit Sicherheit aussenden wird, und den Blick wieder verstärkt auf die biologischen Wirkstoffe lenken wird. Vor allem die großen Unternehmen wie Amgen (Nasdaq: AMGN; WKN: 867900), Genentech (Nyse: DNA; WKN: 924632), Biogen Idec (Nasdaq: BIIB; WKN: 789617) und Gilead Sciences (Nasdaq: GILD; WKN: 885823) wollen und werden die großen Pharmaunternehmen in Zukunft ablösen.

Zwar vermarkten die genannten Biotech-Companies keine direkten Konkurrenzprodukte zu Vioxx, dennoch werden sie von Mercks Niederlage profitieren. Der Rückzug von Vioxx und die sich leerende Pipeline bei Merck hat Investoren nämlich eines gezeigt, die großen Durchbrüche werden in Zukunft wohl nicht mehr den großen Pharmaschmieden entsteigen, sondern in den Forschungslaboratorien der Biotech-Companies das Licht der Welt erblicken. Kein Wunder also, dass nun auch große Investoren Merck den Rücken zukehrten und ihre Aktienpakete bereits reihenweise auf den Markt warfen, um sich dann bei der Biotech-Konkurrenz zu einzukaufen.

Eines hat das Merck Dilemma allerdings bewirkt, nämlich dass Pharmaunternehmen endlich erkannt haben, dass eine erfolgreiche Zukunft ohne tatkräftige Unterstützung aus dem Biotechsektor wohl kaum mehr möglich sein wird. Als Folge dieser Erkenntnis werden in Zukunft wohl noch weit mehr Kooperationsverträge unterzeichnet und Akquisitionen unter Dach und Fach gebracht werden als bisher. "Big Pharma" ist in Nöten, der Sektor befindet sich mitten in einer handfesten Krise, deren Ende noch lange nicht in Sicht ist. Die Lösung steht aber schon bereit und heißt mehr Deals mit Biotechs, ein Trend, der schon seit längerem sichtbar ist, sich aber künftig noch weiter verstärken wird.

Merck hat Vioxx zwar vorsorglich vom Markt genommen und hat außerdem gegenwärtig keinen echten Ersatz, doch Merck war in den vergangenen Wochen nicht ganz untätig. Das Unternehmen hat die Zeichen der Zeit erkannt, was an den vielfältigen interessanten Kooperationen mit kleinen Biotech-Companies zu erkennen ist. Sicher, diese Kooperationen werden Merck nicht in ein oder zwei Jahren mit Blockbustern wie Vioxx versorgen, doch vielleicht in fünf Jahren könnte Merck erneut das Interesse der Anleger auf sich ziehen.

Auch wenn man mit einer schnellen Kurserholung wohl kaum rechnen kann, so ist die Basis für eine Kurserholung dennoch gelegt. Die Merck-Aktie könnte also im Hinblick auf die Zukunft zum gegenwärtigen Kurs ein interessantes Langzeitinvestment darstellen. Eines kann man Merck keinesfalls vorwerfen, nämlich die Krise nicht erkannt zu haben, auch wenn dies, zum Leidwesen der Anleger, etwas spät stattgefunden hat.

Die Biotechbranche zählt zu den chancen- und zugleich risikoreichsten Sektoren, nur wer sich dieses Dualismus bewusst ist, wird langfristig Gewinne mit Biotechaktien erzielen können.

Mangel an Zeit und/oder fehlender Sachverstand sind zwar nicht die einzigen, jedoch die häufigsten Ursachen für erhebliche Kursverluste mit Biotechaktien.

Fakt ist: Auch Zeit und der nötige Sachverstand sind keine 100%igen Garantien für ein erfolgreiches Biotechinvestment, doch sie tragen ganz signifikant zur Minimierung des Verlustrisikos sowie zur Maximierung von Gewinnchancen bei.

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Wir kommentieren mit wissenschaftlichem Sachverstand die aktuellsten News der Branche!

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Simone A. Hörrlein, M.Sc.
Life Scientist (Univ.)

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