Kommentar
08:26 Uhr, 19.05.2015

Bill Gross sieht ein Ende des Bullenmarktes

Wir nähern uns dem Punkt, wo unser jetziges Finanzsystem überbeansprucht wird und zusammenbricht. Das Ende des Börsenaufschwungs muss aber nicht zwangsläufig durch das Platzen einer spekulativen Blase eingeleitet werden.

Starinvestor Bill Gross sieht deutliche Anzeichen für ein Ende des langjährigen Börsenaufschwungs. Dieses Ende müsse nicht zwangsläufig durch das Platzen einer spekulativen Blase eingeleitet werden, aber die Wahrscheinlichkeit dafür steige. "Die Frage ist doch, wann unser jetziges Finanzsystem überbeansprucht wird und zusammenbricht", so Gross in seinem aktuellen Investmentausblick. "Dieser Punkt ist gekommen, wenn das Risiko fast aller Anlageklassen viel zu hoch ist im Verhältnis zu den viel zu niedrigen Erträgen, die sie abwerfen." Die Investoren würden dann anfangen, ihr Geld im wahrsten Sinne des Wortes lieber unter die Matratze zu legen als es in Anleihen und Aktien anzulegen. "Nachdem die Anleiherenditen, Creditspreads und Aktienkurse weitgehend ausgereizt sind, nähern wir uns unweigerlich diesem Punkt."

Gross zufolge sollten sich die Investoren in diesem Zusammenhang folgendes vergegenwärtigen: Wenn sie alle zukünftigen Erträge mit nominal null Prozent (oder real minus zwei Prozent) abdiskontieren, müssen die Unternehmenserträge über ein historisch noch nie dagewesenes Maß hinaus steigen, um weitere Kursgewinne zu rechtfertigen. "Der Bullenmarkt in seiner jetzigen Form ist zu Ende und wird auch nicht zurückkommen - für keinen von uns", glaubt daher der Anlageexperte.

Gross unterstreicht auch erneut seine Meinung, dass er die lockere Geldpolitik der Notenbanken für einen wenig tauglichen Versuch hält, die globale Schuldenkrise mit immer neuen Schulden zu lösen. "Die Folgen der lockeren Geldpolitik sind in etwa vergleichbar damit, wenn man Benzin auf ein nur noch glimmendes Feuer kippt, um es wieder anzufachen", macht er einen bildlichen Vergleich. "Maßnahmen wie Quantative Easing und so wie jetzt negative Zinsen sorgen nur für spekulative Blasen an den Finanzmärkten."

Bill Gross steht mit seiner Warnung vor neuen Turbulenzen nicht alleine da. Auch Banken äußern sich mit Blick auf die niedrigen Zinsen zunehmend besorgt. In einer Stellungnahme, die der Zeitung "Die Welt" vorliegt, fordern führende Vertreter aus der Europäischen Banken- und Versicherungsindustrie eine stärkere Regulierung der Branche. Es erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich, dass sich die Banken selbst stärker an die Kette legen wollen. Es ist aber rational, da es um sogenannte Systemrisiken geht. Durch sie kann selbst ein robust aufgestelltes Finanzinstitut in Gefahr geraten, etwa wenn es zu einer übertriebenen Kreditvergabe aufgrund sehr niedriger Zinsen kommt. "Jeder in der Finanzindustrie unterstützt Maßnahmen, die das System stabiler machen", begründet HSBC-Präsident Flint sein Engagement. Wenn Banken vor Risiken in der eigenen Branche warnen, sollten Anleger hellhörig werden. Denn dann sind die Gefahren durchaus sehr real.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

Mehr Experten