Bewertungen lang laufender US-Anleihen attraktiv
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Seit Anfang Mai zogen die Anleiherenditen rund um den Globus spürbar an, und die Renditestrukturkurve wurde steiler. Dieser Ausverkauf von Anleihen durch die Investoren ist auf ein Zusammenspiel von Faktoren zurückzuführen: Der Renditeanstieg kam so unvermittelt und die erneute Normalisierung der Renditestrukturkurve war so dramatisch, dass viele Investoren sich fragten, ob die laufende Periode niedriger langfristiger Zinsen endgültig zu Ende ist. Es könnte zwar noch zu früh sein, das Ende dessen zu verkünden, was der frühere US-Zentralbankchef Alan Greenspan ein “Rätsel” nannte: das Phänomen sinkender langfristiger Zinsen bei steigenden kurzfristigen Zinsen. Es ist aber sicherlich nicht zu früh, um zu untersuchen, was den Anstieg der Anleiherenditen verursachte und die Renditestrukturkurven steiler werden ließ – und ob nun eine Ära niedriger langfristiger Zinsen wirklich vorbei ist.
Um zu verstehen, warum die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen in gut einem Monat von 4,60 Prozent auf fast 5,30 Prozent stiegen, muss man zunächst zurückblicken auf die Gründe, die die zehnjährigen Renditen auf einen Niedrigstand von 4,60 Prozent brachten. Dabei muss man vor allem berücksichtigen, dass die Zielrate für den Leitzins seit Juni 2006 bei 5,25 Prozent steht. Seit der ersten Jahreshälfte 2006 schwächte sich die wirtschaftliche Aktivität in den USA dramatisch ab, weil der Häusermarkt einbrach und Firmen ihre Produktion kürzten, um die aufgeblähten Lagerbestände zu reduzieren. Die Turbulenzen im Markt für zweitrangige Hypothekendarlehen, die in der ersten Jahreshälfte 2007 begannen, vergrößerten den Pessimismus hinsichtlich des Zustandes der Wirtschaft. Im Lichte dieser Entwicklungen begannen Investoren zu erwarten, dass die US-Notenbank mit Zinssenkungen in nicht allzu ferner Zukunft beginnen würde. Ende April 2007 hellten sich die wirtschaftlichen Aussichten aber auf, die Produktion zog wieder an, die Abschwächung bei den Wohninvestitionen begann abzuflauen, und die Probleme bei zweitklassigen Hypothekendarlehen hatten nicht zu einer breiteren Kreditverknappung geführt. Schnell realisierten Investoren, dass die seit Anfang 2006 bestehenden Bremskräfte nachlassen und die wirtschaftliche Aktivität zurückkehrt auf ein Niveau, das mit dem langfristigen Wirtschaftspotenzial besser übereinstimmt. Daher folgerten sie, entgegen ihrer früheren Erwartungen, dass die US-Notenbank die Zinsen 2007 nicht senken würde, vielleicht auch nicht 2008. Mit diesem psychologischen Umschwung begannen die realen Renditen schnell zu steigen, und die zehnjährigen US-Treasuries erlebten einen Ausverkauf, bei dem die Renditen von 4,63 Prozent Anfang Mai bis zum Ende des Monats auf 4,93 Prozent stiegen. Der verbesserte Wirtschaftsausblick in den USA hob auch die Stimmung für die Weltwirtschaft, sodass die realen Renditen rund um den Globus im Einklang mit den Sätzen in den Vereinigte Staaten anzogen.
Der verbesserte Wirtschaftsausblick war allerdings nur teilweise für den Anstieg der Renditen verantwortlich. Den übrigen Teil trugen dramatische Ereignisse bei, die sich zur gleichen Zeit auf dem US-Hypothekenmarkt zu entfalten begannen. Während die US-Notenbank ihre Zinsen von 1,0 Prozent auf 5,25 Prozent erhöhte, bleiben die langfristigen Zinsen niedrig, und variabel verzinste Hypotheken wurden weniger attraktiv als festverzinsliche Hypotheken. Überdies fanden viele Schuldner mit variabel verzinsten Hypotheken es vorteilhaft, diese bestehenden Verbindlichkeiten in festverzinsliche Hypotheken umzuwandeln, was zu einer massiven Verlängerung der Duration im Hypothekenmarkt führte. Hypothekeninvestoren sahen sich dazu gezwungen, diese Verlängerung über den Verkauf von Treasuries abzusichern, was zu einem guten Teil für den Renditeanstieg von 4,93 Prozent auf 5,30 Prozent verantwortlich war.
Wir haben damit begonnen, die Duration unserer Portfolios auszudehnen, als die langfristigen Renditen die Marke von 5,05 Prozent durchbrachen – vor allem aus zwei Gründen: Erstens sind wir in Bezug auf den wirtschaftlichen Ausblick vorsichtiger als der Markt. Die zuletzt gesehene Stärke beruht maßgeblich auf dem Aufbau von Lagerbeständen und einer Erholung der Nettoexporte, beide Faktoren dürften aber wohl nur zeitweise unterstützen. Zudem bleibt die Situation am Häusermarkt angespannt, und die Konsumausgaben werden erneut von einem dramatischen Anstieg der Energiepreise belastet. Zweitens sehen die Bewertungen langfristiger Renditen heute attraktiver aus als in vielen Jahren zuvor. Ein echter Bewertungsmaßstab, die zehnjährige Rendite minus des nominalen Bruttoinlandsproduktes, kehrte erstmals seit 2003 in den positiven Bereich zurück und liegt viel näher an ihrem langfristigen Durchschnitt als noch zuvor.
Es bleibt abzuwarten, ob der jüngste Renditeanstieg das Ergebnis eines grundlegenden Umschwunges der Anlegerpräferenzen ist – oder ein kurzfristigeres Ereignis, ausgelöst durch veränderte Erwartungen hinsichtlich des Wirtschaftswachstums und der US-Notenbankpolitik. Notenbanken in der ganzen Welt straffen ihre Geldpolitik weiterhin, um überschüssige Liquidität aufzunehmen. Einige Anleger außerhalb der USA können ihre Anlagepräferenzen daher in Randbereichen umstellen. Dennoch machen es existierende De-facto-Währungsvereinbarungen, ein Mangel an alternativen Märkten gegenüber den tiefen und liquiden US-Kapitalmärkten und die noch immer bedeutenden Mengen überschüssiger Sparmittel eher wahrscheinlich, dass die Auflösung des “Rätsels” in geordneten Bahnen verläuft.
Quelle: Black Rock Merrill Lynch
BlackRock Merrill Lynch Investment Managers ist eine der größten börsennotierten Investment-Management-Firmen weltweit. Per Ende Juni 2006 beliefen sich die verwaltete Kundengelder von BlackRock und MLIM insgesamt auf 1,046 Billionen US-Dollar. Das Unternehmen verwaltet Vermögenswerte für institutionelle und private Investoren weltweit mit einer breiten Palette von Anlageprodukten aus den Bereichen Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, Geldmarkt- und alternativen Investments.
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