BDI sieht Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit im freien Fall
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Von Andrea Thomas
DOW JONES--Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit befindet sich nach Ansicht der deutschen Industrie "im freien Fall". Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert daher, dass die nächste Bundesregierung eine entschlossene Wachstumsagenda und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit anpacken muss. Der Verband beklagt in einem Grundsatzpapier, dass strukturelle Reformen viel zu lange liegen geblieben seien. Im Ergebnis stehe der Standort Deutschland heute unter nie dagewesenem Druck und es drohe eine Deindustrialisierung, wie es in dem 26-seitigen Bericht heißt. Nötig seien etwa weniger Bürokratie sowie niedrigere Energiekosten und Steuern.
"Die deutsche Wirtschaft steht massiv unter Druck. Der Standort Deutschland verliert immer rascher an Wettbewerbsfähigkeit, weil strukturelle Reformen zu lange versäumt wurden. Die nächste Bundesregierung muss das Ruder herumreißen", mahnte BDI-Präsident Siegfried Russwurm.
Im Grundsatzpapier fordert der BDI in vier Kapiteln, dass der Standort wieder wettbewerbsfähig gemacht, der Staat modernisiert, Innovationen vorangetrieben und Deutschland als starker Partner der Welt positioniert werden soll.
"Das Programm einer neuen Bundesregierung muss mit einem Dreiklang aus mehr Vertrauen, klaren Prioritäten im Haushalt und einer erfolgreichen Transformation einen Kurswechsel zu mehr Wachstum auslösen", sagte Russwurm.
Weniger Bürokratie und Prioritäten im Haushalt
Konkret identifiziert der BDI die in den letzten Jahren weiter gewachsenen Bürokratielasten als enorme Wachstumsbremse. In einer Umfrage hätten Unternehmen jüngst die Bürokratiekosten in Deutschland auf im Schnitt 6 Prozent ihres Umsatzes beziffert.
Der BDI fordert außerdem von der kommenden Regierung angesichts geringer finanzieller Spielräume eine ehrliche Bestandsaufnahme und das Setzen von Prioritäten in den öffentlichen Haushalten. Ganz oben müsse die Stärkung der Wachstumskräfte stehen. Zusätzliche öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Transformation und Resilienz seien dringend erforderlich.
"Die kommende Bundesregierung muss die Rahmenbedingungen für wirtschaftlichen Erfolg setzen und ökologischen Fortschritt mit ökonomischer Wettbewerbsfähigkeit und technologischer Offenheit in Einklang bringen. Sonst droht eine weitere Deindustrialisierung", warnte der Verband.
Niedrigere Energiekosten und Steuern
Notwendig seien außerdem bessere Rahmenbedingungen für einen wettbewerbsfähigen Standort. Konkret forderte der BDI wettbewerbsfähige Energiekosten und eine langfristig gesicherte stabile Energieversorgung. Außerdem müsse über eine grundlegende Steuerreform die Gesamtsteuerbelastung für Unternehmen auf maximal 25 Prozent abgesenkt werden, einschließlich der vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags, so der Verband.
Weiterhin brauche es verbesserte, langfristig planbare Abschreibungsbedingungen und eine Investitionsprämie sowie eine massive Infrastrukturoffensive mit einem Investitionsvolumen von 315 Milliarden Euro für Verkehrsinfrastruktur, Bildungsförderung und den Gebäudesektor.
Überdies fordert der BDI den Ausbau der digitalen Infrastruktur, verbindliche Ziele für den Bürokratieabbau, eine Verbesserung des Forschungstransfers sowie eine Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch gezielte Exzellenzförderung und klar strukturierte Forschungsmissionen mit Wirtschaftseinbindung.
Und schließlich drängt der BDI zu einer weiteren Vertiefung des europäischen Binnenmarkts und Förderung des Freihandels mittels pragmatischer Abkommen sowie einer Stärkung von Resilienz und Souveränität durch höhere Verteidigungsausgaben. Außerdem sei eine ganzheitliche Rohstoffstrategie zur Verringerung der Abhängigkeiten notwendig.
"Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Den Standort wieder in die Erfolgsspur zurückzuführen und mutig die notwendigen strukturellen Reformen anzugehen, muss erste Priorität beim Amtsantritt der neuen Bundesregierung sein", sagte BDI-Präsident Russwurm.
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
DJG/aat/brb
Copyright (c) 2024 Dow Jones & Company, Inc.