Analyse
18:16 Uhr, 12.02.2020

"Batterie- und Brennstoffzellentechnologie ergänzen einander"

Prof. Dr. Christian Mohrdieck, Geschäftsführer der Mercedes-Benz Fuel Cell GmbH und verantwortlich für die Brennstoffzellenentwicklung im Daimler-Konzern, spricht im Interview über die Antriebe der Zukunft und deren Bedeutung im Daimler-Konzern.

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  • Mercedes-Benz AG
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Hecktor: Sie sind Mitglied der CEP und des Joint Ventures H2 Mobility. In welcher Rolle sieht sich Daimler in diesen partnerschaftlichen Zusammenschlüssen und welche Ziele werden seitens Daimler verfolgt?

Prof. Mohrdieck: Daimler ist von Anfang an in der CEP aktiv gewesen. Gemeinsam haben Industrie, Politik und Infrastrukturpartner wichtige Weichen für den Erfolg der Brennstoffzellentechnologie gestellt – insbesondere hinsichtlich der weltweiten Standardisierung bei der Betankung und des Infrastrukturaufbaus. Sie ist in gewisser Weise auch der Ursprung des Joint Ventures H2 Mobility, bei dem wir Gründungsmitglied sind.

Die automobile Brennstoffzellentechnologie ist heute serienreif und das H2-Tankstellennetz wächst stetig. Den Durchbruch der Brennstoffzellentechnologie schaffen wir aber nur gemeinsam in branchenübergreifender Kooperation. Die Zusammenarbeit innerhalb der und zwischen den weltweiten Brennstoffzellenprojekte und deren Partner ist deshalb ein wichtiger Erfolgsfaktor.


Hecktor: Erst vor einigen Wochen wurde per Pressemitteilung verkündet, dass Daimler keine neuen Verbrennungsmotoren mehr entwickeln wird, zumindest vorerst. Der Fokus soll demnach auf der Elektrifizierung liegen. Hier muss sich aktuell zwischen zwei möglichen Zukunftsantrieben entschieden werden: Batterie oder Wasserstoff. Wie schafft Daimler diesen kostspieligen Spagat und in welcher Technologie wird das größere Potenzial gesehen?

Prof. Mohrdieck: Für Mercedes-Benz ist ganz klar: Wir nutzen alle Möglichkeiten, um Emissionen schnell und nachhaltig zu verringern. Wir entwickeln neue und immer effizientere Antriebstechnologien und bringen sie auf die Straße. Bis 2022 werden wir unser gesamtes MBC-Portfolio elektrifizieren. Das bedeutet, dass wir unseren Kunden in jeder Baureihe verschiedene elektrifizierte Alternativen anbieten. Wir verfolgen konsequent unsere dreispurige Antriebsstrategie mit einem intelligenten Mix aus modernsten Verbrennungsmotoren inkl. der 48-Volt-Technologie, maßgeschneiderten Plug-in-Hybriden und Elektrofahrzeugen mit Batterie- oder Brennstoffzellenantrieb.

Das Potenzial der Brennstoffzellentechnologie und Wasserstoff als Energiespeicher stehen außer Frage. Mit einem stetig wachsenden Anteil erneuerbarer Energien wird Wasserstoff eine zunehmend wichtige Rolle als Speichermedium für erneuerbar hergestellten Strom im Gesamtenergiesystem spielen und damit auch für den Mobilitätsbereich zunehmend attraktiver.

Batterie- und Brennstoffzellentechnologie ergänzen einander. Fahrzeuge mit hohem täglichen Energiebedarf sind ideale Kandidaten für den Brennstoffzellenantrieb mit hohen Reichweiten und schneller Betankung. Die Batterie ist der Brennstoffzelle aber aktuell bezüglich einer großvolumigen Markteinführung zeitlich noch voraus – nicht zuletzt aufgrund der Kostensituation und des Infrastrukturaufbaus.


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Hecktor: Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand beider Antriebstechnologien bei Daimler und wann wird mit der nachhaltigen Serienproduktion gerechnet? BMW hat angekündigt, dass es kein Nachfolgermodell des i3 geben wird und die Produktion eingestellt wird. Man wolle sich auf andere Modelle konzentrieren.

Prof. Mohrdieck: In den nächsten Jahren liegt unser Fokus hinsichtlich der Großserienproduktion beim Pkw auf batterieelektrischen Fahrzeugen und dem Ausbau unserer EQ-Plattform. Daneben verfolgen wir unsere Aktivitäten im Bereich der Brennstoffzellentechnologie jedoch konsequent weiter. In den kommenden Jahren soll die Brennstoffzellentechnologie auch den Bus- und Truckbereich des Konzerns elektrifizieren.

Um die Technologie in Zukunft übergreifend in anderen automobilen Segmenten und großen Volumina einzusetzen, arbeiten wir gerade intensiv daran unser Brennstoffzellensystem so weiterzuentwickeln, dass es sich in den konzernweiten Elektromodulbaukasten eingliedern lässt. Damit wären wir maximal flexibel. Die Systeme könnten variabel in unterschiedlichen Leistungsklassen mit verschiedenen Batteriegrößen kombiniert und damit für jedwedes Anwendungsprofil genutzt werden. Ich denke, im Laufe der nächsten Dekade wird die Relevanz der Brennstoffzelle generell und für den Transportsektor signifikant steigen.


Hecktor: Was entgegnet Daimler dem ständig auftauchenden Kritikpunkt, dass der Wirkungsgrad der Energiegewinnung aus Wasserstoff über die gesamte Prozesskette deutlich schlechter sei als bei batteriebetriebenen Fahrzeugen? Welche Ideen gibt es, um den Wirkungsgrad zu verbessern und wie kann die, bei der Reaktion in der Brennstoffzelle entstehende Wärmeenergie genutzt werden?

Prof. Mohrdieck: Die Brennstoffzelle hat heute schon einen etwa doppelt so hohen Wirkungsgrad wie ein Verbrennungsmotor. Er liegt je nach Betrieb bei bis zu 65 Prozent. Die Gesamtenergiebilanz ist entsprechend deutlich besser. Bei der Brennstoffzelle handelt es sich um einen Energiewandler – sie wandelt Wasserstoff zu elektrischem Strom. Deshalb kann ein solches System nie genauso effizient sein wie eine Batterie.

Diese Schwäche ist jedoch gleichzeitig auch eine Stärke: Die Abwärme des Brennstoffzellensystems kann zusätzlich für die Beheizung der Fahrzeuge genutzt werden. Ferner gibt es auf der Ebene der Gesamtökobilanz bei Berücksichtigung aller Faktoren einschließlich Produktion und Recycling dann tatsächlich keine Unterschiede mehr. Als transportabler Speicher für große Energiemengen ist Wasserstoff zudem unschlagbar.


Hecktor: In Oslo explodierte im Sommer eine Wasserstoff-Tankstelle. Die Ermittlungen ergaben, dass die Ursache der Explosion wohl ein Montagefehler an einem Hochdrucktank war. Wie garantiert Daimler ein sicheres Betanken des Fahrzeuges und welche Schutzmaßnahmen wurden nach dem Vorfall ergriffen?

Prof. Mohrdieck: Sicherheit ist einer der Kernwerte von Mercedes-Benz. Wie bei der Aktiven Sicherheit werden auch bei der Passiven Sicherheit höchste Anforderungen erfüllt: In der Absicherung des Gesamtfahrzeugs gehören über 500 Einzeltests auf Fahrzeug- und Komponentenebene zum Versuchsprogramm eines neuen Modells bei Mercedes-Benz. Bei Elektrofahrzeugen kommen zum Standardprozess noch etliche antriebsspezifische Tests hinzu, die speziell für die neuen Antriebstechnologien entwickelt wurden. Alle mit dem GLC F‑CELL und früheren Wasserstofffahrzeugen durchgeführten Tests zeigen, dass ein vergleichbares Sicherheitsniveau wie bei konventionellen Fahrzeugen erreicht wird. Damit erfüllt die neueste F‑CELL Generation nicht nur alle gesetzlichen Anforderungen, sondern auch die darüberhinausgehenden Mercedes-Benz internen Standards.


Hecktor: Wenn wir einen Blick in die Zukunft riskieren, was schätzen Sie, in welchen Bereichen wird sich Brennstoffzellentechnologie durchsetzen? Das Joint Venture HYON, das aus dem Zusammenschluss von NEL, Hexagon und PowerCell hervorging, konzentriert sich auf die wasserstoffbetriebene Containerschifffahrt. Welche Einsatzgebiete könnten noch angestrebt werden, in denen Daimler partizipieren könnte?

Prof Mohrdieck: Das Potenzial von Wasserstoff jenseits des Automobils – Stichwort Energie-, Industrie- und Heimlösungen – ist vielfältig und erfordert die Entwicklung neuer Strategien. Skaleneffekte und Modularisierung sind dabei wichtige Themen. Wir arbeiten aktuell gemeinsam mit unserem Innovations Lab1886 und Computing-Experten an der Entwicklung von Prototypensystemen für die (Not-) Stromversorgung von Rechenzentren und anderen stationären Anwendungen. Hierfür verwenden wir die Brennstoffzellensysteme des GLC F-CELL.


Hecktor: Daimler hat sich über Jahrzehnte hinweg Know-how im Bereich der Entwicklung und Herstellung von Verbrennungsmotoren angeeignet. Wie kann vermieden werden, dass dieses Fachwissen, durch den Einsatz von Brennstoffzellen und Batterien statt Verbrennungsmotoren, nutzlos wird und man sich in Sachen Antrieb von anderen Herstellern abhängig macht?

Prof. Mohrdieck: Die Transformation hin zur E-Mobilität wirkt sich natürlich auch auf unsere Teamaufstellung aus. Unsere Antriebsdivisionen sind schon heute sehr eng verknüpft; sei es im Versuch, der Prüftechnik, Konstruktion, Testing und so weiter. Mit Blick auf die weiter zunehmende Elektrifizierung arbeiten wir intensiv daran, hinsichtlich der Kapazitäten der Bereiche noch flexibler agieren zu können. Wir benötigen die Expertise, Erfahrung und die Ideen unserer serienerfahrenen Ingenieure in allen Bereichen des Konzerns. Eine solide Ausbildung und eine entsprechende Erfahrung sind auch für unsere künftige Produktqualität absolut wesentlich.

Herr Prof. Mohrdieck, vielen Dank für das Interview.

Vita von Prof. Dr. Christian Mohrdieck

Prof. Dr. Christian Mohrdieck leitet seit 2015 die Brennstoffzellenentwicklung im Daimler-Konzern und ist Geschäftsführer der Mercedes-Benz Fuel Cell GmbH. Nach dem Studium der Physik begann Prof. Mohrdieck seine Berufslaufbahn 1989 in der Forschung der Daimler-Benz AG in Frankfurt. 1995 übernahm er die Leitung des Vorstandsbüros Forschung und Technologie in Stuttgart. Ab 1999 war Prof. Mohrdieck für die Abteilung Brennstoffzellensysteme bei der DaimlerChrysler Corporation in USA zuständig. Zurück in Deutschland, wurde er Leiter des Bereichs Strukturwerkstoffe der DaimlerChrysler-Forschung und ab 2003 Leiter Alternative Energie- und Antriebssysteme. 2005 übernahm Prof. Mohrdieck die Leitung des Bereichs Brennstoffzellen Antriebssystementwicklung. Ab 2006 war er zusätzlich verantwortlich für die Li-Ionenbatterieentwicklung bei der Daimler AG und wurde 2008 Leiter des Bereichs Brennstoffzellen- und Batterie-Antriebsentwicklung. 2013 wurde Dr. Mohrdieck zum Honorarprofessor an der Universität Ulm ernannt.

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Prof. Dr. Christian Mohrdieck, Geschäftsführer der Mercedes-Benz Fuel Cell GmbH und verantwortlich für die Brennstoffzellenentwicklung im Daimler-Konzern

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16 Kommentare

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  • Schtonk
    Schtonk

    Ein ausgezeichnetes Interview von Herrn Hecktor und kluge Antworten von Mercedes. Das läßt hoffen. Jetzt muss man nur noch einen Weg finden, den grünen Sabber zu beseitigen, der unsere Bevölkerung vergiftet.

    19:13 Uhr, 26.02.2020
  • kingmidas
    kingmidas

    @ Herr Hecktor

    Sehr gutes Interview! Gerne mehr davon.

    Interessant wäre noch zu wissen, was Mohrdieck von Synthetischen Kraftstoffen(e-fuels) hält.

    19:24 Uhr, 13.02.2020
  • 2 Antworten anzeigen
  • While E. Coyote
    While E. Coyote

    Der sieht aus wie einer von den 15000 die gehen müssen

    19:31 Uhr, 12.02.2020
    2 Antworten anzeigen
  • Der Sezessionär
    Der Sezessionär

    Gubt nur eine Zukunft ! H2o ! Meine Powercell sweden bei 4€ gekauft fühlt sich bei 24€ auch sau wohl !!

    18:24 Uhr, 12.02.2020
  • Bruford
    Bruford

    Na ja, die verständliche Position eines Professors aus der hiesigen Automobilindustrie.
    Ergänzend hier ebenfalls ein aktuelles Interview mit dem renommierten Prof. Doppelbauer, der seit 2011 die Professur für Hybridelektrische Fahrzeuge am Elektrotechnischen Institut (ETI) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) inne hat. Das bemerkenswerte Strategiepapier kann dort direkt als PDF heruntergeladen werden.
    Da stellen sich die Ausblicke auf die Wasserstofftechnologie schon anders dar.

    https://www.electrive.net/2019...

    Professor Doppelbauer:

    https://www.eti.kit.edu/mitarb...

    Hier noch der Link zu einem bildlichen Vergleich der Achsantriebe von einem aktuellen Toyota-Brenstoffzellen PKW und dem eines Teslas:

    https://tff-forum.de/download/...

    16:14 Uhr, 07.11.2019
  • Waterson
    Waterson

    "Das Potenzial der Brennstoffzellentechnologie und Wasserstoff als Energiespeicher stehen außer Frage. Mit einem stetig wachsenden Anteil erneuerbarer Energien wird Wasserstoff eine zunehmend wichtige Rolle als Speichermedium"

    Immer wieder lustig wenn sie einem erzählen wollen dass sie ihre XXX Mrd € investitionen die in den Wasserstoffanlagen stecken nur einschalten wenn der Wind zu stark weht.

    14:38 Uhr, 07.11.2019
  • JürgenSK
    JürgenSK

    das ist ja auch eine Lösung...die lehnt berlin aber ab https://www.epochtimes.de/poli...

    11:28 Uhr, 07.11.2019
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