Kommentar
11:54 Uhr, 29.10.2007

Bankkunden werden ihrer Hausbank untreu!

Die Loyalität der Kunden, auf die sich die Geldinstitute lange Zeit weitgehend verlassen konnten, schwindet. Die Preissensibilität der Kunden nimmt zu, und gerade jüngeren Bankkunden sind eher günstige Konditionen als eine langjährige Beziehung zu „ihrer“ Hausbank wichtig. Der Wettbewerb zwischen den Banken gerade um junge Neukunden wird vor allem über den Preis ausgetragen. Nischenanbieter profitieren von dieser Entwicklung und setzen die Universalbanken unter Druck. Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young, die auf einer repräsentativen Befragung von 3.000 Personen beruht.

Bankkunden werden zu „Rosinenpickern“

Zwar geben 93 Prozent der Bankkunden an, dass sie eine Hausbank haben, und zwei Drittel der Verbraucher sagen, dass es ihnen grundsätzlich wichtig sei, einen festen Anbieter zu haben, bei dem sie mehrere Finanzprodukte erwerben können. In der Realität steht das Hausbankkonzept aber erheblich unter Druck, da sich die Bankkunden kaum noch entsprechend verhalten. „Die Kunden wünschen sich zwar eine einzige Anlaufstelle für alle ihre Finanzprodukte. De fakto werden sie aber zu Rosinenpickern. Sie suchen sich aus den Angeboten unterschiedlicher Anbieter das jeweils passendste und vor allem preisgünstigste aus“, kommentiert Dirk Müller-Tronnier, Partner bei Ernst & Young und Leiter des Bereichs Bankenprüfung.

„Die Kunden werden animiert, den Anbieter zu wechseln, wenn die Konkurrenz geringfügig günstigere Konditionen bietet“, so Müller-Tronnier. „Die nachlassende Loyalität der Kunden stellt eine erhebliche Gefahr gerade für die klassischen Universalbanken dar.“ Insbe! sondere die hoch interessante Gruppe der jüngeren und gut verdienenden Kunden erweise sich als besonders anfällig für das „Bankhopping“, so Müller-Tronnier.

Kunden legen Wert auf günstige Konditionen - Beratung verliert an Bedeutung

Die Preissensibilität der Kunden ist groß: 88 Prozent der Befragten geben an, dass günstige Konditionen für sie ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl eines Anbieter für Finanzprodukte seien. An Bedeutung wird dieses Kriterium nur noch übertroffen vom Faktor „Seriosität“, der für 93 Prozent der Befragten eine große Rolle spielt. „Der Wettbewerb zwischen den Finanzinstituten wird zunehmend über den Preis ausgetragen, weil dies für die meisten Kunden der letztlich ausschlaggebende Maßstab ist“, stellt Müller-Tronnier fest.

Zwar geben immerhin auch 88 Prozent der Befragten an, dass eine gute Beratung für sie ebenfalls ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl einer Bank sei. Dennoch rückt das Beratungsgespräch immer mehr in den Hintergrund. Denn durchschnittlich nur knapp die Hälfte der Befragten informiert sich bei der Auswahl von Finanzprodukten in erster Linie im Rahmen eines Beratungsgesprächs, gefolgt vom Internet (30 Prozent) und der Werbung (22 Prozent). Bei den jüngeren Bankkunden (unter 45 Jahre) spielt aber heute schon das Internet die wichtigste Rolle: 41 Prozent informieren sich vor allem im Internet, das Beratungsgespräch ist für nur 37 Prozent die wichtigste Informationsquelle.

All dies verringert die heute noch große Bedeutung, die ein dichtes Filialnetz im Wettbewerb der Institute hat. Von den über 45-jährigen geben 76 Prozent an, dass die räumliche Nähe einer Bankfiliale für sie ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl einer Bank sei. Bei den unter 45-jährigen liegt der Anteil hingegen nur noch bei 62 Prozent.

Internet verändert Kundenverhalten

Der Wandel im Privatkundengeschäft sei stark von der wachsenden Bedeutung des Internets beeinflusst, so Müller-Tronnier: „Das Internet führt zu mehr Transparenz und wird immer stärker zu einem wichtigen ‚Point of Sale’ im Privatkundengeschäft. Gerade jüngere Kunden nutzen das Internet, um sich zu informieren, nach günstigen Konditionen zu suchen, online entsprechende Verträge abzuschließen und anschließend Banktransaktionen online durchzuführen.“

Derzeit nutzt etwa jeder dritte Bankkunde (35 Prozent) Onlinebanking. Binnen weniger Jahre wird der Anteil auf mindestens 45 Prozent steigen. „Attraktive Internet-Angebote werden in Zukunft immer wichtiger – die bequeme Nähe einer Bank- oder Sparkassenfiliale als ausschlaggebendes Argument wird bei einer immer größeren Kundenzahl in den Hintergrund treten“, erwartet Müller-Tronnier.

Wachstum für Nischenanbieter

Die zunehmende Preissensibilität der Verbraucher, ihre nachlassende Loyalität der Hausbank gegenüber und der Vormarsch des Internets bieten Nischenanbietern erhebliche Wachstumschancen. Sie konzentrieren sich auf ein bestimmtes Kundensegment und bieten genau das, was dieses Kundensegment nachfragt. Sie haben eine andere Kostenstruktur als Universalbanken mit dichtem Filialnetz oder breiter Produktpalette und können daher günstigere Konditionen oder auch intensivere Beratung anbieten.

„Viele Verbraucher stören sich nicht daran, dass sie bei Nischenanbietern nur eine begrenzte Zahl an Produkten erwerben können. Ihnen ist ohnehin immer weniger an einer langfristigen Beziehung zum Anbieter gelegen“, so Müller-Tronnier. Für den klassischen Universalanbieter werde die Kunst zukünftig darin bestehen, divergierenden Kundenwünschen gerecht zu werden. „Die Universalbanken müssen einerseits im Vergleich zu ‚Preisbrechern’ bei den Konditionen zumindest ansatzweise mithalten kö! nnen und andererseits den Kunden, die großen Wert auf Beratung legen, den gewohnten Service bieten“.

Mehrheit will (noch) keine Finanzprodukte bei Nicht-Banken kaufen

Immer mehr branchenfremde Anbieter – insbesondere Einzelhändler – gehen derzeit dazu über, auch Finanzprodukte zu verkaufen oder zu vermitteln. Noch steht allerdings die Mehrzahl der Verbraucher diesem Modell skeptisch gegenüber: 64 Prozent geben an, dass es für sie nicht infrage kommt, Finanzprodukte bei Nicht-Banken zu beziehen. 18 Prozent der Verbraucher können sich dies vorstellen, weitere 18 Prozent sind unentschieden. Die Skepsis ist bei jungen Bankkunden weniger ausgeprägt als bei älteren: Von den über 45-jährigen schließen 67 Prozent aus, Finanzprodukte beispielsweise im Supermarkt zu beziehen; bei den unter 45-jährigen liegt der Anteil bei 59 Prozent.

„Nicht-Banken haben als Anbieter von Finanzprodukten noch ein Akzeptanzproblem“, kommentiert Müller-Tronnier. „Es handelt sich aber auch noch um ein junges Vertriebsmodell. In Zukunft wird die Akzeptanz steigen, und wir werden immer mehr Nicht-Banken sehen, die Bankprodukte oder Versicherungen anbieten werden! . Der Bankschalter neben dem Kühlregal ist damit keine Zukunftsvision mehr“.

„Die Regeln im Privatkundengeschäft werden derzeit neu geschrieben“, fasst Müller-Tronnier die Studienergebnisse zusammen. „Alte Geschäftsmodelle geraten zunehmend unter Druck, während neue erfolgreiche Geschäftmodelle entstehen. Ein wichtiger Treiber dieser Entwicklung ist das deutlich veränderte Kundenverhalten.“

Quelle: http://www.geopolitical.biz

Markus Miller ist Chefredakteur des renommierten Wirtschaftsmagazines „Kapital & Steuern vertraulich“, Herausgeber mehrerer Publikationen und Gründer des Internetportals GEOPOLITICAL.BIZ sowie Herausgeber der kostenlosen Online-Zeitung GEOPOLITICAL-NEWS. GEOPOLITICAL.BIZ ist eine Internet Business-, Marketing und Informationsplattform (rund um das Segment Private Banking und Wealth Management) und ein einzigartiges, interaktives Medien-Informationsnetzwerk in den Bereichen Risikomanagement, Consulting, Recht, Steuern, Vermögen, Immobilien, Wirtschaftsprüfung, Banken, Kapitalmigration, Medien, Marketing und Globalisierung.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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