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11:00 Uhr, 04.03.2009

Bankenkrise und Spannungen in der EWU versus konjunkturelle Hoffnungsschimmer

Externe Quelle: Unicredit

Das Anhalten der Unsicherheiten über den Erfolg der Stabilisierung des Bankensystems belastet – die Regierungen bleiben jedoch dem Ziel verpflichtet. Die Regierungen der USA und der EU haben seit Oktober wie von uns erwartet weitere umfangreiche Maßnahmen zur Stabilisierung des Bankensystems ergriffen. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass die Unsicherheit über die finanziellen Konsequenzen der Rettungsmaßnahmen für die Staatshaushalte zur Belastung wird. Die jüngste Ausweitung der CDS Spreads der Banken im Euro STOXX 50 geht einher mit steigenden CDS Spreads zur Versicherung von Staatsanleihen der EWU Mitgliedsländer gegen einen Zahlungsausfall. Die Unsicherheit betrifft in diesem Zusammenhang auch die Ungewissheit wie z.B. nachrangiges Kapital der Banken im Falle einer Verstaatlichung behandelt werden würde. Diese Anleihen haben seit Jahresanfang weitere deutliche Kursverluste erlitten. Darüber hinaus belastet auch, dass sich die Stabilisierung des Bankensystems zeitlich in die Länge zieht. Unsere Arbeitshypothese ist, dass sich die Regierungen in ihren Entscheidungen an dem Ziel der Stabilisierung orientieren und – trotz gelegentlicher Rückschläge durch das Aufflackern größerer Unsicherheiten – letztlich die Stabilisierung des Bankensystems gelingen wird und davon die erwarteten positiven Effekte auf das Aktienmarktumfeld ausgehen werden (u.a. Vermeidung eines dauerhaften Einbruchs in der Kreditvergabe). Unter den jüngsten Entwicklungen lassen sich folgende Aspekte hervorheben:

- In den USA haben letzte Woche die angekündigten Stress-Tests für die größten US-Banken begonnen. Die Banken, deren Eigenkapital als zu niedrig eingeschätzt wird bekommen vom Staat Eigenkapital (sollte ein private Eigenkapitalaufstockung nicht möglich sein). Eine Verstaatlichung der Banken ist jedoch nicht geplant und wird nur als letztes Mittel gesehen. Als Problem könnte sich jedoch in dem aktuellen Umfeld erweisen, dass sich der Stress-Test und die Kapitalbeschaffung nach dem derzeitigen Zeitplan der Regierung über mehrere Monate hinziehen könnten. In dem neuen Budget hat die US-Regierung zusätzliche USD 750 Mrd. als mögliche Mittel zur Stützung des US-Finanzsystems eingeplant (über deren Verwendung noch keine Entscheidung getroffen wurde).

- Die britische Regierung hat neue Pläne bekannt gegeben nach denen sie bereit ist, Bank-Assets zu garantieren. In einer ersten Anwendung dieser Pläne wird sie beispielsweise GBP 325 Mrd. der Assets der RBS garantieren (und ihren Anteil an der Bank gleichzeitig erhöhen).

- Die Staats- und Regierungschefs der EU haben an diesem Wochenende die Vorschläge der EU-Kommission für allgemeine Regeln nach denen Mitgliedsländer Bad Banks errichten können diskutiert, jedoch noch keine Entscheidungen getroffen. Nach der Verabschiedung der Regeln, die in den kommenden Wochen zu erwarten ist, besteht die Möglichkeit zu qualitativ neuen Maßnahmen.

Von den Spannungen in der EWU gehen Belastungen für den Aktienmarkt aus. Seit dem Oktober letzten Jahres haben sich die CDS Spreads deutlich ausgeweitet. Während Mitte Oktober das Land mit dem höchsten CDS Spread noch einen Wert unter 100 Basispunkten aufgewiesen hat nähert sich jetzt der CDS Spread des Landes mit der besten Bonitätseinschätzung (Deutschland) der Marke von 100. In der Spreadausweitung spiegeln sich sowohl die unterschiedlichen Belastungen zur Stabilisierung des Bankensystems wider als auch eine Neubewertung der Risiken die mit den strukturellen Divergenzen in wichtigen ökonomischen Größen und der unterschiedlich hohen Staatsverschuldung verbunden sind. Aktien wären bei dem tatsächlichen Austritt eines Landes aus der EWU sehr negativ betroffen (Verschiebung der Wettbewerbsposition der Unternehmen untereinander; Unsicherheit über die Auswirkung der Einführung einer neuen Währung auf die Denominierung von Euro-Aktiva und Euro-Passiva). Die Diskussion über die hypothetische Möglichkeit eines Austritts aus der EWU findet sich mittlerweile in allen Zeitungen (Vertreter von Notenbanken werden in Interviews mit dieser Frage konfrontiert, Vertreter von Ministerien und Regierungen sehen sich zu Stellungnahmen veranlasst). Für den Aktienmarkt gehen bereits von dieser Diskussion über die hypothetische Möglichkeit des Austritts aus der Währungsunion Belastungen aus. Die Diskussion schafft Unsicherheit und vermindert die Bereitschaft in Aktien (als „risikobehaftete Assets“) zu investieren. In den vergangenen Wochen hat sich damit ein von uns für 2009 genannter Risiko-Faktor zum Belastungsfaktor entwickelt. Die volle Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der EWU (uneingeschränktes Vertrauen in die dauerhafte Mitgliedschaft aller teilnehmenden Länder) kann letztlich nur durch Verbesserungen bei den Ursachen des Glaubwürdigkeitsverlusts geschehen (Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit; Konsolidierung der Staatsfinanzen). Da dies ein langsamer Prozess ist, dürften die Belastungen durch diese Thematik anhalten. Wir stufen Aktien auf neutral zurück..

Trotz der jüngsten Kursschwäche am Aktienmarkt gibt es eine Reihe von konstruktiven Zeichen die für eine mittelfristige Stabilisierung/Erholung der Aktienmärkte sprechen. Auf der konjunkturellen Seite ist der wesentliche Bestimmungsfaktor für den Aktienmarktausblick die Frage nach der Perspektive auf eine Konjunkturerholung im zweiten Halbjahr. Natürlich gibt es unverändert viele schlechte Nachrichten hinsichtlich der Entwicklung der Konjunkturindikatoren. Im Folgenden liegt der Fokus auf den positiven Entwicklungen im Bereich der konjunkturellen und monetären Daten. Jeder einzelne Punkt für sich betrachtet ist von geringer Bedeutung. In der Summe betrachtet ergeben sie jedoch in unseren Augen das Bild, das die Erwartung einer Verbesserung des Aktienmarktumfelds in den kommenden Monaten inhaltlich gut begründet bleibt:

- Die Erwartungskomponente des ifo Geschäftsklimas ist im Februar zum zweiten Mal in Folge gestiegen. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Dezember-Wert bereits den unteren Wendepunkt markiert hat. Die Geldmenge M1 zeigt mit dem veröffentlichten jüngsten Wert einen weiteren Anstieg in der jährlichen Wachstumsrate was für eine Fortsetzung der Erwartungsverbesserung in den kommenden Monaten spricht.

- Die ifo Konjunkturerwartungen sind mit anderen ökonomischen Größen wie z.B. dem Trend der Industrieproduktion in Osteuropa stark korreliert. Vor dem Hintergrund der derzeit von internationalen Organisationen wie dem IMF und anderen geschnürten Hilfspakte für Osteuropa deutet die Verbesserung der ifo Konjunkturerwartungen möglicherweise darauf hin, dass die Belastungen in Osteuropa derzeit nahe an ihrem Maximum sein dürften.

- Verschiedene „Echtzeit-Konjunkturindikatoren“ wie z.B. der Kupferpreis und die Frachtraten stabilisieren sich weiterhin. Auch der Ölpreis stabilisiert sich seit seinem Tief im Dezember. Diese Entwicklung steht im Einklang mit unserer Erwartung einer Konjunkturerholung im zweiten Halbjahr.

- Die globale Stahlproduktion ist im Januar erstmals seit mehreren Monaten wieder gestiegen nach einem Rückgang von über 30% gegenüber dem Hoch von 2008. Vereinzelte Bericht aus den Unternehmen (z.B. ArcelorMittal) unterstützen unsere Erwartung, dass sich das Produktionsvolumen in den kommenden Monaten zumindest leicht erholen wird.

- Unter den STOXX-Sektoren weisen Chemicals und Basic Ressources auch in der jüngsten Marktschwäche eine positive relative Performance zum Gesamtmarkt auf. Dies gilt ebenso für die Emerging Markets im Vergleich zum MSCI World. Dies passt in das Bild einer kommenden Konjunkturerholung. - Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die Belastungen durch Zwangsverkäufe seitens der Hedge Funds derzeit deutlich geringer sein dürften verglichen mit Q4/2008. In Q4 war der Global Hedge Fund Index „im freien Fall“, seit Jahresanfang hingegen hält er sich vergleichsweise stabil trotz der Schwäche an den Aktienmärkten. Dies deutet darauf hin, dass die Hedge Funds aktuell (im Gegensatz zu Q4) einem geringeren Handlungsdruck unterliegen.

- Der Wochenausweis des Eurosystems zeigt, dass in den letzten Wochen die Kreditvergabe der Notenbanken an die Kreditinstitute der EWU sowohl in Euro als auch in Fremdwährung gesunken ist. Da die EZB bei den Refinanzierungsgeschäften immer noch volle Zuteilung gewährt bedeutet dies, dass die Banken weniger Kredite nachfragen, was wir als Zeichen der Entspannung bei dem kurzfristigen Refinanzierungsbedarf werten und als positiven Mosaikstein im Bild der Bankenstabilisierung.

- Die jüngsten Daten zur Kreditvergabe innerhalb der EWU zeigen eine deutliche Verbesserung nach den schlechten Dezember-Daten. Die Emissionstätigkeit am Markt für Unternehmensanleihen hat sich seit Jahresbeginn positiv entwickelt.

- Die CDS Spreads der zehn größten Non-Financials des Euro STOXX 50 haben trotz der jüngsten Aktienmarktschwäche kein neues Hoch markiert.

- Die Investmentfonds verfügen über eine niedrige Aktienquote und eine hohe Liquidität. Sie sind in der Lage als Käufer am Markt in Erscheinung zu treten wenn sich die Anzeichen für eine mittelfristige Konjunkturerholung verdichten.

Die Bodenbildungsphase zieht sich zwar zeitlich in die Länge, wir erwarten jedoch deutlich höhere Kurse im weiteren Jahresverlauf. Der europäische Aktienmarkt bewegt sich im Spannungsfeld zwischen positiven Anzeichen einer konjunkturellen Stabilisierung einerseits und Belastungen durch die Finanzmarktkrise und den Spannungen in der EWU andererseits. Kurzfristig ist angesichts der Unsicherheiten weiterer Kursdruck nicht auszuschließen. Trotz der Zuspitzung der Lage an den Aktienmärkten letzte Woche betrachten wir nach Abwägung der Argumente die aktuelle Entwicklung als Teil eines Bodenbildungsprozesses. Im weiteren Jahresverlauf erwarten wir deutlich höhere Kurse im Vergleich zum aktuellen Niveau. Positive Impulse erwarten wir von einer Verbesserung der Frühindikatoren, Unternehmensmeldungen über eine sich verbessernde Auftragslage sowie von weiteren staatlichen Maßnahmen zur Bankenstabilisierung. Da sich die Bodenbildungsphase zeitlich in die Länge zieht, dürften unsere Jahresmitteziele jedoch erst später erreicht werden. Wir werden unsere Indexziele daher in den kommenden Wochen überarbeiten. Neben den offensichtlichen Risiken (Ausbleiben der Konjunkturerholung im zweiten Halbjahr, Rückschläge bei der Stabilisierung des Bankensystems) bestehen vor allem auch Risiken infolge der Spannungen innerhalb der Währungsunion. Wir stufen vor diesem Hintergrund die Asset-Klasse Aktien auf neutral zurück. Wir hatten sie am 13. Oktober auf Übergewichten gestuft; von September 2007 bis Mitte Oktober 2008 lautete unsere Empfehlung für Aktien untergewichten.

Fazit: Trotz der Zuspitzung der Lage an den Aktienmärkten letzte Woche betrachten wir nach Abwägung der Argumente die aktuelle Entwicklung als Teil eines Bodenbildungsprozesses. Die Spannungen in der EWU sind zu einem Belastungsfaktor für den Aktienmarkt geworden von dem auch noch weitere Risiken ausgehen.

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Über den Experten

Alexander Paulus
Alexander Paulus
Technischer Analyst und Trader

Alexander Paulus kam zunächst über Börsenspiele in der Schule mit der Börse in Kontakt. 1997 kaufte er sich seine erste Aktie. Nach einigen Glückstreffern schmolz aber in der Asienkrise 1998 der Depotbestand auf Null. Da ihm das nicht noch einmal passieren sollte, beschäftigte er sich mit der klassischen Charttechnik und veröffentlichte seine Analysen in verschiedenen Foren. Über eine Zwischenstation kam er im April 2004 zur stock3 AG (damals BörseGo AG) und veröffentlicht seitdem seine Analysen auf stock3.com (ehemals GodmodeTrader.de)

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