Kommentar
19:04 Uhr, 14.07.2010

Baltic Dry: Frachtraten-Index säuft ab

Während die Aktienmärkte seit einigen Tagen trotz durchwachsener Konjunkturdaten kräftig steigen, sendet die Realwirtschaft zunehmend verzweifelte Warnsignale aus. Das gilt zumindest für den Baltic Dry Index (BDI), der heute den 34 (!) Tag in Folge fällt. Mit einem aktuellen Abschlag von mehr als 2 Prozent auf 1.790 US-Dollar markiert der Index ein neues Jahrestief. Der BDI wird von der Baltic Exchange in London veröffentlicht und ist ein wichtiger Preisindex für das weltweite Verschiffen von Hauptfrachtgütern (beispielsweise Kohle, Eisenerz und Getreide) auf Standardrouten. Untergruppen des Index berücksichtigen 26 Hauptschifffahrtsrouten und erfassen die Kosten für Zeitcharter und Reisecharter für vier verschiedene Schiffsklassen.

Die Entwicklung des BDI wird immer wieder als Frühindikator für die Entwicklung des Welthandels herangezogen. Schließlich liefert das Seehandelstransportvolumen Hinweise auf die globale Handelsaktivität. Rund 90 Prozent des internationalen Handels wird über den Seeweg abgewickelt. Die dahinter stehend Logik ist denkbar einfach: Umso mehr Massengüter gehandelt werden, umso höher ist die Nachfrage nach Seetransporten. Das schlägt sich in steigenden Indexnotierungen nieder. Fallen dagegen die Notierungen, kann dies als Hinweis auf eine nachlassende Handelsaktivität gewertet werden.

Natürlich ist der Preisverfall des Index nicht automatisch mit einem analogen Handelseinbruch gleichzusetzen. Trotz der in den letzten Jahren enorm gestiegenen Volatilität sollte er dennoch zur Vorsicht mahnen: Seit letzten November hat das Handelsbarometer mehr als die Hälfte seines Wertes eingebüßt. Selbst konjunkturelle Optimisten können nicht bestreiten, dass der Welthandel ganz offensichtlich an Dynamik einbüßt. Damit könnte sich bereits jetzt abzeichnen, wovor viele Experten bereits seit langem warnen: Die Wirkung der gigantischen Konjunkturprogramme lässt nach, während der Aufschwung noch nicht in ein sich selbst tragendes Stadium übergegangen ist.

Sollte sich diese Annahme bewahrheiten, werden wohl auch die Aktienmärkte bald wieder in raueres Fahrwasser umschwenken. Die ersten direkten Opfer lassen sich bereits jetzt ausmachen: Aktien von Schifffahrtsgesellschaften und Reedereien sind die unmittelbar Leidtragenden der Entwicklung. Manche Marktbeobachter sagen schon erste Firmenpleiten voraus, schließlich sei die Branche ohnehin durch die den Handelseinbruch in Folge der Wirtschaftskrise angeschlagen. Zudem sei die Branche durch einen strukturellen Angebotsüberhang geprägt, da in Boomzeiten zu viele Frachter vom Stapel gelassen wurden. Anleger die bezüglich der weiteren Aktienmarktentwicklung ohnehin skeptisch gestimmt sind, könnten sich vor diesem Hintergrund die Aktien einzelner Schifffahrtsunternehmen genauer ansehen, um eine eventuelle Leerverkaufsstrategie zu prüfen.

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