Kommentar
10:01 Uhr, 17.07.2006

Baisse oder Korrektur?

Nach einer langen Phase der sehr freundlichen Aktienmärkte, die im April 2003 begann, ist die Stimmung Anfang Mai 2006 unvermittelt umgeschlagen. Zwar ist trotz Rückgang der Kurse und der nun negativen Renditen im Jahr 2006 nur ein kleiner Teil der gesamten positiven Performance der dreijährigen Hausse abgeschmolzen, dennoch fragen sich viele Anleger, ob dies der Beginn einer längeren Baisse-Phase oder nur ein temporärer Rückschlag ist.

Bereits seit Beginn des Jahres konnten wir beobachten, dass hochspekulative Märkte, wie beispielsweise die Isländische Krone oder der Aktienmarkt in Dubai, ohne besondere lokale Ereignisse, stark korrigiert haben. Dieser Trend hat nun auch die Schwellenländer und die etablierten Börsen erfasst.

Grund hierfür waren zum einen die weltweit steigenden Zinsen, die die Finanzierungskosten für spekulative Anlagen nachhaltig verteuerten und deutliche Gewinnmitnahmen nach sich zogen. Und zum anderen Absicherungsgeschäfte mit derivativen Instrumenten, die dann eine zweite Verkaufswelle auslösten. Betrachtet man das Geschehen im historischen Kontext, sind alle Elemente einer Korrektur – und nicht einer Baisse – zu erkennen. Vermeintlich sichere Anlagen wie Renten haben sich nicht nachhaltig verteuert und in Krisen als „sicherer Hafen“ angesehene Edelmetalle wie Gold haben ebenso deutlich nach unten korrigiert.

Wie immer bei Bewegungen, die durch Gewinnmitnahmen ausgelöst werden, sind alle Märkte betroffen. Historisch niedrige Korrelationen, die eigentlich ein gut diversifiziertes Portfolio in einer solchen Situation abfedern sollten, sind temporär außer Kraft gesetzt. Es gilt ganz profan: Je höher der Anstieg in der Vergangenheit war, desto deutlicher sind jetzt die Verluste.

Wir sehen keinen Anlass zur Panik. Die große Stütze der Märkte sind die weiter hervorragenden Unternehmensgewinne und die damit günstige fundamentale Bewertung von Aktien. Alles spricht dafür, dass es sich um eine gesunde Korrektur handelt, die zwar vom genauen Zeitpunkt nicht vorhersehbar, aber dennoch zu erwarten war.

Die Antwort auf die Frage, ob wir uns schnell wieder in Richtung der alten Höchststände bewegen werden, liegt in der Einschätzung der weiteren Notenbankpolitik. Derzeit wird in einer zu aggressiven und zu restriktiven Geldpolitik das größte Risiko für den globalen Business-Zyklus gesehen. Wir setzen darauf, dass sich auch bei den Notenbankern die Erkenntnis durchsetzt, dass die Inflation ein nachlaufender Indikator ist, der erst nach unten dreht, wenn der konjunkturelle Gipfel längst überschritten ist. Wir werden spätestens nach der Sommerpause von den Zentralbanken neue Informationen bekommen. Bis Klarheit über das weitere Zinsszenario besteht, ist eher mit einer volatilen Seitwärtsbewegung der Märkte zu rechnen.

Quelle: Invesco

INVESCO zählt als Teil der AMVESCAP Gruppe zu den führenden Asset Managern weltweit – mit über 380 Mrd. US-Dollar (per 30. September 2005) verwaltetem Vermögen. Über 5.900 Mitarbeiter, darunter rund 500 Investmentspezialisten, sind in 20 Ländern im Einsatz.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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