Kommentar
13:41 Uhr, 13.05.2004

Ausbruch aus dem Stagnationskorridor

1. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt nahm im ersten Quartal 2004 um 0,4 % gegenüber dem aufwärtsrevidierten Vorquartal (von 0,2 % qoq auf 0,3 % qoq) zu. Damit wurden die Erwartungen der von Bloomberg befragten Volkswirte wie auch unsere deutlich übertroffen (Bloomberg: 0,3 % qoq, DekaBank: 0,2 % qoq). Die deutsche Volkswirtschaft brach jetzt also erstmals seit drei Jahren wieder aus dem Stagnationskorridor von Veränderungsraten zwischen -0,2 % und +0,2 % qoq aus. Seit dem zweiten Halbjahr 2000 dümpelt Deutschland - mit einer Ausnahme - vor sich hin, das Bruttoinlandsprodukt wuchs im Durchschnitt dieser dreieinhalb Jahre nur mit 0,07 % von Quartal zu Quartal. Das Vorjahresniveau wird jetzt kalender- und saisonbereinigt um 0,7 % überschritten. Berücksichtigt man, dass im ersten Quartal ein Tag mehr als im Vorjahr gearbeitet wurde, nahm die Wirtschaftsleistung sogar um 1,5 % zu.

2. Da es sich bei den heute veröffentlichten Daten um eine Schnellschätzung handelt, finden sich noch keine amtlichen Informationen über die Zusammensetzung des Wachstums. Anhand der vorliegenden Indikatoren können jedoch Tendenzaussagen getroffen werden. Erschwert werden diese allerdings durch die hohe Revisionsanfälligkeit der Indikatoren: So wird allgemein von einer starken Aufwärtsrevision der Produktionsdaten vom März ausgegangen, die laut Presse sogar intern vom Statistischen Bundesamt in die BIP-Schätzung eingegangen sein soll. Aus unserer Sicht ist das eine unglückliche Irreführung der marktnahen Akteure. Der unerwartet starke Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal ist ein weiteres Indiz dafür, dass mit deutlich besseren Produktionsdaten zu rechnen ist.

- Wachstumstreiber Nummer Eins im ersten Quartal waren die Nettoexporte. Dank einer beschleunigten Nachfrage nach deutschen Exportgütern (rund 4 % qoq) und einer verlangsamten Importgüternachfrage (rund 1½ % qoq) seitens Deutschlands, sollte vom Außenbeitrag ein beachtlicher Wachstumsimpuls ausgegangen sein (Schaubilder 3 und 4).

- Die Konsumtätigkeit kam immer noch nicht in Fahrt und lieferte vermutlich sogar einen negativen Beitrag zum Wachstum (Schaubild 7). Die Haushalte starrten auch im ersten Quartal gebannt und geschockt auf die schlechte Entwicklung am Arbeitsmarkt. Dass sie netto durch die Steuerreform mehr Einkommen zu Verfügung hatten, ging dabei unter. Negativ wirkte sich sicherlich auch das "Zerreden der Reformen" durch die Politik aus, genauso wie die ausgebliebenen Entlastungen und die nur schwer kalkulierbaren Belastungen aus der Gesundheitsreform.

- Einen ebenfalls kaum wahrnehmbaren und im Vergleich zum Vorquartal geringeren Wachstumsbeitrag steuerten die Ausrüstungsinvestitionen bei. Mehr war auch nicht zu erwarten, denn noch immer sind die Absatzperspektiven für die Unternehmen angesichts der konjunkturellen Risiken ungewiss und die Kapazitäten nur unterdurchschnittlich ausgelastet (Schaubild 5). Die Bauinvestitionen brachen wieder ein. Zumindest kann man festhalten, dass die klimatischen Bedingungen beeinträchtigender als in vergleichbaren Vorjahreszeiträumen waren (Schaubild 6).

- Die stärkste Wachstumsbeeinträchtigung kam von den Lagerinvestitionen (Schaubild 8). Im Schlussquartal 2003 wurde deutlich mehr produziert als abgesetzt werden konnte, die Lager der Unternehmen wuchsen an. Im ersten Quartal 2004 verkehrte sich dies teilweise ins Gegenteil. Die Nachfrage wurde kurzerhand aus den Lagern bedient, es musste nur vergleichsweise wenig produziert werden. So gesehen fand das Wachstum im Schlussquartal 2003 auf Pump und zu Lasten des ersten Quartals statt.

3. Nach der Bereinigung des Lagerüberhangs sollte die künftige Nachfrage auch produktionswirksam werden. Wir haben in den letzten ifo-Umfragen auch tatsächlich eine kontinuierliche Verbesserung der Beurteilung der Fertigwarenlagerbestände gesehen, d.h. die Lager werden immer weniger als zu hoch eingestuft. Stellt sich also nur noch die Frage, woher die Nachfrage kommen soll. Die seit drei Monaten rückläufigen Auslandsaufträge deuten eher darauf hin, dass die Exporte wieder einen Gang zurückschalten werden. Bleibt also nur die Inlandsnachfrage. Es ist plausibel, dass die Haushalte beschließen werden, trotz aller Unsicherheiten einen Teil der steuerlichen Entlastungen dafür zu verwenden, um wenigstens einen Teil des über einen längeren Zeitraum aufgestauten Nachholbedarfs zu finanzieren. Das ist nicht das Konsumfeuerwerk, das wir benötigen, aber wenigstens ein kleiner Impuls. Auch wird der Ersatzbeschaffungsprozess bei den Unternehmen weitergehen, sodass von dieser Seite ebenfalls ein wenig Schub kommt. Dominierend dürfte aber der Wegfall der Bremseffekte durch die Lagerkorrektur sein. Es geht also aufwärts, doch immer noch mit angezogener Handbremse.

4. Mit der Aufwärtsrevision des vierten Quartals - entgegen der bisherigen Gepflogenheiten der amtlichen Statistik, mit der Veröffentlichung des ersten Quartals keine Revision vorzunehmen - und dem unerwartet starken Wachstum im ersten Quartal ergibt sich ein Revisionsbedarf für unsere Jahresprognose. Diese werden wir nach Sichtung der Detaildaten am 25. Mai vornehmen. Bleibt es bei dem bislang unterstellten weiteren Jahresverlauf, so könnte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 1,8 % ansteigen.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 131 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands.

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