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16:32 Uhr, 21.04.2009

Ausblick Stahlindustrie: Krise und Konjunkturpakete

München (BoerseGo.de) - Die Metallindustrie befindet sich weltweit in einer beispiellosen Situation. Die globale Metallnachfrage bricht rapide ein, Hochöfen und ganze Werke werden stillgelegt, eine Vielzahl von sicher geglaubten Verträgen gebrochen. In dieser Lage ruhen viele Hoffnungen auf den Konjunkturpaketen nationaler Regierungen. Eine Bewertung des Einflusses dieser Pakete auf die Entwicklung der Stahlindustrie erscheint aus mehreren Gründen schwierig: Zum einen lässt sich die gegenwärtige Situation nur schwer mit vorangegangenen Krisen vergleichen, Erfahrungswerte können nur bedingt herangezogen werden. Zum anderen unterscheiden sich die einzelnen Konjunkturpakete stark in Höhe, Ausgestaltung und Zuschnitt. So verschieden wie die Pakete selbst stellt sich auch die Ausgangslage der einzelnen Unternehmen dar. Wettbewerbsposition, nationale Regulierungsmechanismen und finanzielle Ausstattung sind die entscheidenden Stellschrauben für die zukünftige Entwicklung. Während bereits ein einzelner Passus eines Konjunkturpakets das eine Unternehmen retten kann, ist er für das andere Unternehmen nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Zu guter Letzt muss natürlich auch die Entwicklung der Weltwirtschaft in Rechnung gestellt werden. Jede Maßnahme zur konjunkturellen Belebung besitzt nur einen begrenzten Umfang, und vor allem temporären Charakter. Selbst eine in der Rezession erfolgreiche Maßnahme kann bei einem Abgleiten in eine Depression nur noch begrenzt Hilfe leisten. Entscheidend für den Einfluss der Konjunkturpakete wird also in der Rückschau das weitere Ausmaß und vor allem die Dauer der gesamtwirtschaftlichen Verwerfungen sein.

Gerade die Sorge um das Ausmaß der Krise führt bei vielen nationalen Regierungen zu protektionistischen Reflexen. Obwohl es in den Zeiten des Internetbooms um die Jahrtausendwende kaum einer mehr für möglich gehalten hätte, gilt die Stahlindustrie weiterhin in vielen Ländern als Schlüsselbranche. Arbeitsplätze und Industrie sollen geschützt werden, wenn nicht offen, dann unter dem Deckmantel der allgemeinen Konjunkturstimulanz. Persistenz der Strukturen statt schöpferischer Zerstörung im Sinne des österreichischen Nationalökonomen Joseph Schumpeter bestimmt die politische Agenda. Die massiven Hilfen für die Stahlindustrie von Staaten wie den USA oder China werden den Markt zukünftig prägen. Wer bei diesem Rattenrennen nicht mitläuft, wird die Ziellinie möglicherweise nicht mehr erreichen.

Mögliche regionale Perspektiven der Konjunkturpakete für die Stahlindustrie versuchte die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte jüngst im Rahmen des „Deloitte Global Metalls Outlook 2009“ abzusehen. Als potentielle Gewinner werden hier wie so häufig die Chinesen an erster Stelle genannt. Das gigantische Konjunkturprogramm mit seinem starken Fokus auf Infrastrukturmaßnahmen soll die Auftragsbücher der inländischen Stahlkochern füllen. Auch wenn Unternehmen aus Europa und den USA ebenfalls mit Bestellungen rechnen: Nicht nur in der Krise ist sich jeder selbst der nächste. Obwohl China im Gegensatz zu den USA keine öffentliche „Buy American“ Diskussion führt, wird der Löwenanteil des Bedarfs doch aus dem Inland bedient. Passend dazu rechnet Deloitte mit einer „umfassenden Marktbereinigung, vor allem in Asien“. Potentielle Käufer brauchen dann vor allem eines: Liquide Mittel, und die finden sich am ehesten bei Banken und Stahlherstellern im Reich der Mitte. Preise, wie sie der indische Magnat Lakhsmi Mittal unlängst für Arcelor bezahlte, gehören für absehbare Zeit der Vergangenheit an.

Wo bleiben nun Deutschland und Europa in diesem Szenario? Mit einem Produktionseinbruch um 50 Prozent und hoher Exportabhängigkeit bleibt den deutschen Unternehmen gegenwärtig nicht mehr als die Hoffnung auf eine baldige weltwirtschaftliche Erholung. Auch wenn durch die Abwrackprämie und verstärkte Bautätigkeiten im Rahmen des deutschen Konjunkturprogramms die Binnennachfrage leicht anzieht, kann der globale Nachfrageausfall nicht im Ansatz kompensiert werden. Ähnlich ist es um die europäischen Mitbewerber bestellt, die Hoffnung ruht auf nationalen und pan-europäischen Kampagnen. Für viele kleine und mittlere Betriebe wird es wohl auch bei der Hoffnung bleiben, sie werden auf die eine oder andere Weise vom Markt verschwinden. Wer keinen ausreichenden Nischenplatz besetzt, muss den Großen der Branche weichen oder Teil davon werden.

Letztendlich kann niemand sagen, wie sich die Krise entwickeln wird, und wann wieder mit steigender Stahlnachfrage zu rechnen ist. Die Konjunkturmaßnahmen brauchen Zeit um ihre Wirkung zu entfalten, viele andere Faktoren müssen in Rechnung gestellt werden. Sicher ist aber, das die Konzentration im Sektor zunehmen wird. Seit jeher neigt die Stahlbranche zur Bildung von Oligopolen. Während weitere große Zusammenschlüsse in der Branche derzeit begrüßt, und von manchem herbeigesehnt werden, könnte sich das Bild in einigen Jahren ändern. Dann wird wieder die Rede vom fairen Wettbewerb sein, der erhalten bleiben müsse. So betrachtet erscheint es im Grunde genommen egal, ob die Konjunkturpakete nun wirken oder auch nicht.

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