Aus dem ETF Magazin: "ETF-Version 2.0"
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Aktive ETFs versprechen höhere Renditen - und setzen dabei auf ausgefeilte Strategien. Die Unterschiede sind nicht immer leicht zu erkennen – das zeigen die neuesten Listings.
8. Oktober 2025. MÜNCHEN (ETF Magazin). Langsam aber sicher kommt auch in Europa immer mehr Schwung in das Geschäft mit aktiven ETFs. Allein seit Jahresbeginn wurden mehr als 100 neue aktive ETFs an der Deutschen Börse gelistet. Diese ETF-Generation will nicht starr einen Index nachbilden, sondern Auswahl und Gewichtung der Titel aktiv steuern. Aufgelegt werden die aktiven ETFs vor allem von großen Fondshäusern, die sich bisher auf traditionelle Investmentfonds beschränkt hatten. Und es werden immer mehr. So starteten in den vergangenen Wochen Deka, Nordea und Schroders mit ihren ersten aktiven ETFs. Etablierte ETF-Anbieter legen ebenfalls nach – etwa Invesco, BNP Paribas, Xtrackers und J.P. Morgan.
Kleinere Player wie Investlinx, DJE Kapital oder Ultramarin setzen bei ihren aktiven ETFs meist auf hohe Freiheitsgrade. Die großen Fondshäuser verfolgen dagegen meist Strategien mit geringer Abweichung zum jeweiligen Vergleichsindex. Gerne bringen sie auch Ansätze, die sich schon in traditionellen Fonds oder Mandaten bewährt haben. „Die in unseren aktiven ETFs verwendeten Strategien wurden vorher schon teilweise jahrzehntelang als Investmentfonds erprobt“, versichert Piera Grassi, die bei J.P. Morgan, dem größten Anbieter aktiver ETFs, das Portfoliomanagement leitet (s. Interview S. 36).
Eine im Frühjahr 2025 veröffentlichte Analyse von MSCI zeigt ein etwas anderes Bild. Die MSCI-Analysten betrachteten mehr als 1.300 aktive ETFs, überwiegend in den USA gelistete Fonds. Viele erreichen laut MSCI einen Active Share von über fünfundsiebzig Prozent – ein klares Indiz für deutliche Abweichungen. Die Kennzahl misst, wie stark sich ein Portfolio von seiner Benchmark unterscheidet. Auch bei der Renditekennzahl Tracking Error stellten die Analysten sehr hohe Werte fest. „Besonders große Tracking Errors und Active-Share-Werte weisen Themen- und faktorfokussierte aktive ETFs auf“, erklärt Ashis Lodh, Executive Director bei MSCI Research in London. Ein erheblicher Teil des Tracking Errors sei dabei auf spezifische aktive Entscheidungen der Fondsmanager zurückzuführen.
Höhere Rendite im Visier
Ähnlich wie traditionelle Investmentfonds bieten aktive ETFs also Chancen für Renditen über dem Marktdurchschnitt. Wie vielen aktiven ETFs solch eine Outperformance dauerhaft schafft, wird sich zeigen. Skepsis ist angebracht, denn schließlich gelingt es auch nur einem Bruchteil der traditionellen Fonds, über mehrere Jahre den Markt zu schlagen. Dazu kommt: Die Benchmark-Abweichungen und die oft nur grob erklärte Anlagestrategie erschweren die Bewertung aktiver ETFs und ihre Einordnung ins Portfolio.
Immerhin ist aufgrund der ETF-Struktur täglich genau ersichtlich, welche Wertpapiere der ETF im Portfolio hält. Vorausschauend Veränderungen des Portfolios zu prognostizieren, ist dennoch bei aktiven ETFs nur begrenzt möglich. Schließlich legen die Fondshäuser nicht alle Details ihrer Strategien offen, ähnlich wie bei traditionellen Fonds. Ein Blick auf einige der in den letzten Wochen neu gelisteten aktiven ETFs verdeutlicht die Herausforderungen – und zeigt zugleich spannende Ansätze.
So arbeitet Invesco bei seinem neuen Invesco Europe Enhanced Equity ETF mit einem proprietären Modell, das die Faktoren Value, Quality und Momentum kombiniert. „Wir bleiben ganz nah am Index und setzen nur kleine Über- und Untergewichte. So erreichen wir eine Outperformance bei sehr geringem Tracking Error“, erklärt Erhard Radatz, Global Head of Portfolio Management bei Invesco Solutions, und versichert: „In der Vergangenheit haben wir es geschafft, den Index um rund einen Prozentpunkt pro Jahr zu schlagen – und zwar über mehr als zwanzig Jahre hinweg mit realen Mandaten, nicht nur in Rückrechnungen.“
Auch BNP Paribas setzt bei seinen sechs neuen Alpha Enhanced ETFs auf einen bereits seit mehreren Jahren in anderen Fonds erprobten Multi-Faktor-Ansatz. „Wir kombinieren die Faktoren Value, Quality, Momentum und Low Volatility“, berichtet Carmine de Franco, Leiter des Quantitativen Aktien-Teams bei BNP Paribas Asset Management. Auch sein Ziel: kleine, kontrollierte Abweichungen vom Index, die konsistente Mehrerträge von 0,25 bis 0,75 Prozentpunkten pro Jahr ermöglichen.
Die Investmentboutique Investlinx verzichtet dagegen vollständig auf die Orientierung an einem Vergleichsindex und baut stattdessen stark konzentrierte Portfolios mit rund dreißig Aktien auf. Kriterien sind dominante Geschäftsmodelle, strukturelles Wachstum, Wettbewerbsvorteile und starke Managementteams. „Es ist ganz klar ein High-Conviction-Ansatz. Unsere ETFs unterscheiden sich erheblich von den Indizes“, sagt Samuel Smith von Investlinx.
Interview mit Piera Elisa Grassi, J.P. Morgan
Die Lead Portfolio Managerin der aktiven JPM Research Enhanced Index ETFs erläutert ihre Anlagestrategie und die Stärken aktiv gesteuerter ETFs
ETF Magazin: Warum gibt es von J.P. Morgan nur aktive ETFs?
Grassi: Aktive ETFs verbinden die Effizienz und Handelbarkeit eines ETFs mit unserer Kompetenz im aktiven Fondsmanagement. Unsere aktiven JPM Research Enhanced Index ETFs haben das Ziel, dauerhaft Mehrrendite gegenüber dem Vergleichsindex zu erzielen. Damit eignen sie sich für Anleger, die Wert auf Rendite legen, aber auch auf Liquidität und Transparenz des ETF-Mantels. In Europa bieten wir aktive ETFs schon seit 2018 an. Die verwendeten Strategien wurden vorher jedoch schon teilweise jahrzehntelang als Investmentfonds erprobt.
Welche Strategien verfolgen diese aktiven ETFs?
Im Zentrum steht unsere Research-Plattform. Über 80 Analysten analysieren weltweit rund 2500 Aktiengesellschaften anhand eines einheitlichen Bewertungsrahmens. Wir bauen daraus breit gestreute Portfolios, die bewusst in Stil, Region und Branche ausgewogen bleiben und die Sektorallokation ihres Vergleichsindex beibehalten. Aus der Vogelperspektive sind sie damit sehr ähnlich zum Index. Der Unterschied liegt im Detail: Innerhalb dieser Struktur setzen wir gezielt Akzente durch kleine Über- und Untergewichtungen auf Einzeltitelebene – basierend auf den Einschätzungen unserer Analysten. Das Portfolio des JPM Global Research Enhanced Index Active ETF enthält deshalb zum Beispiel nur etwa 700 Aktien aus den 1400 Titeln des MSCI World. Dabei verzichten wir bewusst auf Unternehmen mit schwachen Fundamentaldaten oder geringer Liquidität, während starke, unterbewertete Titel leicht übergewichtet werden.
Und damit schlagen Sie den MSCI World Index?
Über rollierende Zeiträume von drei bis fünf Jahren erreichen wir im Schnitt eine Outperformance von 75 Basispunkten gegenüber dem Index – nach Kosten. Dank unseres geringen Tracking Errors bleibt die Abweichung zum Vergleichsmaßstab kontrolliert. Unsere Information Ratio ist konstant hoch, was auf eine verlässliche Überrendite bei begrenztem Risiko hindeutet.
Was spricht gegen traditionelle aktive Fonds?
Gar nichts – wir überlassen Anlegern die Wahl des Vehikels. Klassische aktive Fonds haben meist wesentlich höhere Gebühren, dafür werden sie häufig mit Beratungsleistung verkauft. Gleichzeitig sind sie stärker vom Fondsmanager abhängig und haben oft deutlich höhere Tracking Errors. Das führt zu größeren Performance-Schwankungen. Unsere Philosophie ist anders: Wir setzen auf stabile Prozesse, klare Risikokontrolle und breite Diversifikation. Das Ergebnis: keine extremen Ausschläge – weder positiv noch negativ. Stattdessen gibt es eine kontinuierliche, nachvollziehbare Entwicklung, wie sie sich viele Anleger wünschen. Viele nutzen unsere aktiven Research Enhanced Index-ETFs zur Reaktivierung und Diversifizierung ihrer rein passiven Allokation.
Grassi
Von Uli Kühn, Oktober 2025, © ETF Magazin
Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.