Aufstrebende Märkte leiden unter Zinserwartung
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In der vergangenen Woche sanken die Kurse an den US-Aktienmärkten, weil die Anleger inzwischen früher als bislang erwartet mit einer Zinsanhebung rechnen. Offenbar bewerteten Anleger Aktien neu vor dem Hintergrund einer Zinserhöhung anlässlich der nächsten Sitzung des Offenmarktausschusses am 30. Juni 2004: So gehen sie davon aus, dass eine Zinserhöhung das Wachstum bremsen und die Gewinne belasten wird, weil hierdurch die Kreditkosten der Unternehmen steigen. Bei ihrer letzten Sitzung ließ die Fed die Zinsen unverändert bei 1,0%, gleichzeitig aber kündigte Alan Greenspan einen Wechsel der Notenbankpolitik von abwartend hin zu einer maßvollen Anhebung an. Bisher galt dem Arbeitsmarkt eine der Hauptsorgen der Fed. Einer Äußerung von Greenspan in dieser Woche zufolge, hat sich der "Beschäftigungsaufbau aber offenbar beschleunigt". Nach deutlich niedrigeren Wochenzahlen zu den Anträgen auf Arbeitslosenunterstützung gab das Arbeitsministerium am Freitag bekannt, dass in den USA im April 288.000 neue Stellen geschaffen wurden - deutlich mehr als die vom Konsens erwarteten 170.000. Gleichzeitig wurde die Zahl für März auf 337.000 nach oben korrigiert. Das war der höchste Anstieg seit dem Platzen der Technologieblase im April 2000. Greenspans Äußerungen, dass die "Wirtschaft ihr solides Wachstum fortsetzt", wurde anhand der im April durchgeführten ISM-Umfrage außerhalb des Verarbeitenden Gewerbes bestätigt. Entgegen der Erwartung der Analysten verzeichnete die Umfrage einen Anstieg.
In der durch einen Feiertag verkürzten Woche sanken die Kurse am japanischen Aktienmarkt. Sorgen der Anleger über die Anfälligkeit des Landes im Falle einer Verlangsamung des Exportwachstum belasteten sowohl Standard- als auch Nebenwerte. Im Januar erreichte das Exportvolumen seinen höchsten Stand und erste Anzeichen deuten darauf hin, dass es wie schon im Februar und März auch im April weiter gesunken ist. Aufgrund deutlicher Gehaltskürzungen sanken auch die Einzelhandelsumsätze und setzten damit den Binnenmarkt unter Druck. Die guten US-Beschäftigungszahlen und ihre möglichen Auswirkungen auf die Zinsen in den USA belasteten heute die Märkte: Der Nikkei fiel um 5% und der Topix Second Section musste 7,5% abgeben.
Uneinheitlich tendierten in der vergangenen Woche die europäischen Aktienmärkte. Große Energietitel hievten einige europäische Märkte entgegen dem allgemeinen, aus den USA herüberschwappenden Verlusttrend ins Plus. Mit Gewinnen beendete der britische Markt die Woche, weil Ölaktien positiv auf die steigenden Rohölpreise reagierten. Andere europäische Märkte litten jedoch unter den Verlusten bei Finanz- und Technologiewerten sowie anderen Branchen, die unter der Angst vor einer früher als erwarteten Zinsanhebung in den USA litten. Negativ wirkte sich auch die enttäuschende Industrieproduktion in Deutschland aus. Wie erwartet, hob die Bank von England die Leitzinsen um 0,25% auf 4,25% an und die Europäische Zentralbank ließ die Zinsen unverändert bei 2,0%.
Auch in der Region Asien-Pazifik sanken die Kurse, da Marktteilnehmer befürchten, dass eine früher als erwartete Zinsanhebung in den USA das Wirtschaftswachstum und die US-Nachfrage nach asiatischen Exporten bremsen könnte. Heute fielen die Kurse als Reaktion auf die guten US-Beschäftigungszahlen. Anlässlich eines Unternehmerforums in Brüssel kündigte der chinesische Ministerpräsident wirkungsvolle Schritte zur Eindämmung des Wirtschaftswachstums in seinem Land an. Nachdem Spekulationen über eine Zinsanhebung in Hongkong als Reaktion auf eine US-Zinsanhebung die Runde machten, fiel der Hang Seng-Index auf den tiefsten Stand seit sieben Monaten. Die Währung in Hongkong ist an den USD gekoppelt.
In Lateinamerika und Osteuropa gaben die Aktienkurse ebenfalls nach, denn eine Zinsanhebung in den USA könnte Anleger dazu veranlassen, ihr Geld aus den weiter entwickelten Märkten mit höheren Renditen abzuziehen.
Im Vorgriff auf die erwartete Zinserhöhung in den USA sanken die Kurse an den meisten Staatsanleihemärkten. Allerdings federte die schwache Industrieproduktion in Deutschland im März den Kursverfall am deutschen Markt etwas ab. Japanische Staatsanleihen profitierten von der Schwäche am Aktienmarkt und legten zu.
An den Devisenmärkten verteuerten sich Pfund Sterling und US-Dollar aufgrund der erfolgten bzw. erwarteten Zinsanhebung.
An den Rohstoffmärkten stieg der Preis für Rohöl um 6,5% nach den Terroranschlägen in Saudi-Arabien und Irak, da die Ölindustrie offenbar ins Fadenkreuz der Terroristen geraten ist. Gold verbilligte sich wegen der Stärke des US$ um 2%.
Sorgen über Zinsen und Inflation belasten zyklische Bereiche
An den Finanzmärkten kam es in der letzten Woche zu einer verstärkten Auflösung von Risikopositionen, nachdem weitere Anzeichen - insbesondere die US-Arbeitsmarktdaten vom Freitag - darauf hindeuten, dass die Zinsen in den USA früher angehoben werden könnten, als bisher erwartet. Zusätzlich ließ der sich an 40 US-Dollar pro Barrel annähernde Ölpreis Ängste aufkeimen, die Inflation könne steigen und dadurch die Zinsen am kurzen und langen Ende nach oben drücken. Unter dieser Entwicklung litten vor allem zyklische Aktienmärkte sowie solche, die extrem empfindlich auf Veränderungen bei den kurzfristigen Zinsen reagieren. Die Angst vor höheren Zinsen und einer damit einhergehenden Verlangsamung des Wachstums sowie der hohe Ölpreis mit seinen negativen Auswirkungen auf die Gewinnmargen belasteten zyklische Branchen. Die Kurse zyklischer Konsumgüter- sowie einiger Finanzbranchen (insbesondere Banken) wiederum brachen wegen Bedenken ein, der Konsum könne sich abschwächen und hohe Schulden zu einer Belastung werden.
Eine überfällige Korrektur, deren Ende noch nicht in Sicht ist
Da überrascht es nicht, dass sich stabile Branchen wie Lebensmittel, Getränke, Tabak und Pharma sowie Öl gut entwickelten. In der Anfangsphase der aktuellen Korrektur ist bislang keine Rotation in Standardwerte erkennbar, weil Anleger zuerst ihre liquiden Positionen abgestoßen haben. Auch bei der Performance aufgeschlüsselt nach Ländern macht sich die Zyklizität bemerkbar, denn Japan/Asien und Teile von Europa (ohne Großbritannien) trifft es am härtesten. Wir glauben, dass diese Korrektur überfällig war und in den nächsten Quartalen anhalten könnte.
Quelle: Merrill Lynch Investment Managers (MLIM)
Merrill Lynch Investment Managers (MLIM) wurde 1976 gegründet und ist mittlerweile eine der größten Investmentfirmen der Welt. Das verwaltete Vermögen beträgt 471 Mrd. US-Dollar (per 30. Juni 2003). Als das Tochterunternehmen für Vermögensverwaltung von Merrill Lynch verfügt MLIM über eine breite Auswahl an prämierten Anlagefonds und umfassenden Einblick in die Märkte.
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