Kommentar
09:24 Uhr, 20.07.2022

Auf einer Welle der Zuversicht

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Mit starkem, ermutigendem Rückenwind nähern sich die Finanzmärkte den „Tagen der Wahrheit“. Die Aktienmärkte verbuchten gestern Gewinne von 2-3 % und der EUR-USD-Wechselkurs sprang bis auf Kurse um 1,0250, während die Rentenmärkte etwas unter Druck standen. Heute wird sich voraussichtlich entscheiden, ob Ministerpräsident Mario Draghi sein Amt doch noch weiterführen wird. Für morgen früh deutet sich eine Wideraufnahme der Gaslieferungen durch Nord Stream 1 an, wenngleich in gedrosseltem Volumen. Und die Europäische Zentralbank scheint nun doch zu diskutieren, ob sie morgen den Leitzins gleich um 50 Basispunkte anheben und damit die Negativzinswelt früher als gedacht verlassen sollte.

Im Vorfeld der „Tage der Wahrheit“ erreichten die Anleger gestern zwei bedeutende Nachrichten. Am Vormittag hieß es in einer Agenturmeldung von Reuters, der Geldpolitische Rat der EZB würde diskutieren, ob auf seiner morgigen Sitzung möglicherweise eine Anhebung der Leitzinsen um 50 Bp in Erwägung gezogen werden sollte. Am Nachmittag zitierte ebenfalls Reuters mit den Plänen vertraute Personen, dass nach Abschluss der Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 eine Wideraufnahme der Gaslieferungen angedacht sei, wenn auch in reduziertem Umfang, wie es zwischen Mitte Juni und Mitte Juli der Fall war (rund 40 % der Kapazität).

Außerordentlich interessant war die unterschiedliche Reaktion der verschiedenen Finanzmarktsegmente auf diese Meldungen. Der EUR-USD-Wechselkurs sprang nach den Hinweisen auf eine mögliche Zinsanhebung um 50 Bp um rund 1 % in die Höhe, zeigte auf die Meldung zu den Gaslieferungen jedoch keine Reaktion. Die Aktienmärkte hingegen nahmen die 50 Bp-Vermutungen gelassen, verbuchten aber einen kräftigen Kursschub in Reaktion auf die Gas-Meldungen. Der Bundmarkt war von diesen dreien das einzige Segment, welches sowohl auf die EZB- wie auch auf die Gas-Nachrichten reagierte, indem er jeweils einen Anstieg der Renditen verzeichnete.

In den vergangenen Wochen hatte die EZB recht klar kommuniziert, sie würde auf der morgigen Sitzung ihre drei Leitzinsen um jeweils 25 Bp anheben. Die gestrigen Agenturmeldungen einer möglichen Anhebung um 50 Bp erinnern frappierend an die Entwicklungen in den USA Mitte Juni. Seinerzeit schien eine Leitzinsanhebung um 50 Bp festzustehen, als kurz vor der FOMC-Sitzung Meldungen kursierten, die Fed könnte sogar um 75 Bp anheben, wie es dann schließlich auch geschah. Sollte die EZB ihre Leitzinsen morgen tatsächlich um 50 Bp anheben, würde der maßgliche Leitzins, der Einlagesatz, von ‑0,50 % auf 0,00 % steigen – wir würden die Negativzinswelt damit früher verlassen als ursprünglich erwartet. Der Hauptrefinanzierungssatz würde von 0,00 % auf 0,50 % steigen, der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität von 0,25 % auf 0,75 %.

Die Aussichten auf Gaslieferungen erhielten über Nacht zusätzliche Nahrung. Russlands Präsident Wladimir Putin deutete am Rande seines Besuchs im Iran stark gedrosselte Lieferungen durch Nord Stream 1 an, verwies dabei aber auf die Möglichkeit einer Inbetriebnahme von Nord Stream 2. Die Europäische Union wird heute voraussichtlich Vorschläge unterbreiten, die Gasnachfrage in den Mitgliedsländern ab dem kommenden Monat zunächst auf freiwilliger Basis um 15 Prozent zu reduzieren.

In Rom wird Ministerpräsident Mario Draghi heute nach seinem vom Staatspräsidenten abgelehnten Rücktrittsersuchen in der vergangenen Woche ausloten, inwieweit die aktuelle Mehrparteien-Koalition noch über eine ausreichende Mehrheit im Parlament verfügt. Es wird erwartet, dass er im Laufe des Tages eine Entscheidung treffen wird, ob er die Regierung als Ministerpräsident weiter führen wird. Aus der Entwicklung der Renditespreads zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihen leiten wir ab, dass die Anleger mehrheitlich erwarten, Draghi würde ankündigen, im Amt bleiben zu wollen.

Nach den kräftigen Kursgewinnen gestern tendieren die Aktienmärkte auch heute weiter nach oben, zusätzlich unterstützt von positiv aufgenommenen Quartalsberichten. Der Rentenmarkt handelt relativ stabil, nachdem gestern vor allem die kurz laufenden Renditen in Reaktion auf die 50 Bp-Vermutungen kräftig angezogen hatten. EUR-USD gelingt es, sich bei Kursen um 1,0240 zu etablieren. Derzeit zeichnet sich mehr und mehr ab, den Märkten könnte es gelingen, die hohen Hürden der kommenden Tage erfolgreich zu überspringen…

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Der Beitrag Auf einer Welle der Zuversicht erschien zuerst auf onemarkets Blog (HypoVereinsbank - UniCredit Bank AG).

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