Kommentar
13:34 Uhr, 17.12.2014

Asset Allocation: „Überraschungen der Zukunft den Schrecken nehmen“

Die Asset Allocation eines Vermögens widerspiegelt individuelle Anlageziele und Risikopräferenzen des Anlegers. Die Unwägbarkeiten der Zukunft – in positiver und negativer Hinsicht – sollten bei der Strukturierung eines Portfolios sorgfältig berücksichtigt werden.

Asset Allocation bedingt 80 % der risikoadjustierten Depot-Performance

Die Asset Allocation beschreibt die Aufteilung eines Vermögens auf unterschiedliche Investmentarten. Die Streuungsmöglichkeiten (Diversifikation) sind dabei faktisch unbegrenzt und reichen je nach Geldbeutel und Vorlieben von einer Aufteilung auf unterschiedliche Bankkonten, unterschiedlichen Wertpapieranlageklassen, Immobilien oder Ackerflächen bis z.B. hin zu Kunstgegenständen, Wein oder Oldtimern. Dabei wird der Mehrwert einer professionellen Asset Allocation von zahlreichen Privatanlegern unterschätzt, da meist nur auf die maximalen Performancebeiträge einzelner Anlagemöglichkeiten geschaut wird – weniger jedoch auf die um das Risiko bereinigten Erträge. Dies ist erstaunlich, legt doch die Mehrheit der deutschen Anleger besonderen Wert auf eine ‚sichere‘ Geldanlage, welches sich auch in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank zur Aufteilung des Geldvermögens regelmäßig dokumentiert. Gut zwei Drittel sind hier in zinsorientierten Anlagen – mehrheitlich also auf zinslosen Konten angelegt.

Wissenschaftliche Studien der letzten drei Jahrzehnte belegen, dass die Aufteilung eines Vermögens für mehr als 80 % der risikoadjustierten Performance verantwortlich ist. Ziel ist, nach individueller Risikotragfähigkeit und Risikobereitschaft des Anlegers in Verbindung mit seiner Liquiditätsplanung und seinen Anlagezielen eine Vermögensstruktur zu ermitteln, die das eingegangene Wertschwankungsrisiko mit der erwarteten Rendite in eine ausgewogene Balance bringt. Die Asset Allocation eines Vermögens stellt bei korrekter Umsetzung ein Abbild der individuellen Anlageziele und Risikopräferenz des Anlegers dar. Dabei wird zwischen strategischer und taktischer Asset Allocation unterschieden. Während sich die strategische Allokation an der Nachhaltigkeit der optimierten Vermögensstruktur orientiert, versucht die taktische Allokation durch prozentuale Umgewichtung der Anlageklassen von aktuellen und kurzfristigeren Trends zu profitieren (z.B. Übergewichtung von deutschen Aktien in Erwartung einer Jahresendrallye).

Jeder Anleger ist aber in seinen Anlagezielen und seiner Risikopräferenz verschieden. Insbesondere der Risikobegriff bedarf im Vorfeld der Vermögensaufteilung einer exakten Bestimmung, da durchaus unterschiedliche Vorstellungen bestehen. So lassen Begriffe wie ‚moderat‘ oder ‚konservativ‘ einen viel zu großen Spielraum und begründen damit Missverständnisse. Hier bedarf es vielmehr einer eindeutigen Vorgabe in Form eines Risikobudgets, das im Asset Allocation Prozess als maximal tragbares Verlustrisiko einzustufen ist.

Standardisierte vermögensverwaltende Ansätze

Zahllose Investmentprodukte versuchen der Anforderung einer nach Chance und Risiko optimierten Vermögensanlage gerecht zu werden. Insbesondere die Segmente sog. vermögensverwaltender Fonds, Absolute Return Fonds, Total Return Fonds und Mischfonds präsentieren sich als eine Art One-Stop-Shop und somit als Ersatz für eine individuelle Vermögensverwaltung. Dabei wird eine Vielzahl nicht vergleichbarer Investmentprozesse vermengt. Gleichzeitig suggerieren die Produktbezeichnungen oftmals eine Sicherheit, die es in den wenigsten Fällen gibt. Die Bandbreite beobachteter Wertschwankungen der Finanzprodukte – gemessen anhand Volatilität (Wertschwankung) und Maximum Drawdown (Maximalverlust) – ist teilweise erheblich. Dasselbe gilt für die Spanne der Wertentwicklungen in unterschiedlichen Beobachtungszeiträumen.

Die unterschiedlichen Rendite- und Risikoparameter der Produkte sind im Wesentlichen durch Unterschiede in Investmentphilosophie und Investmentprozess begründet. Dabei spielen Begriffe wie ‚quantitativ‘, ‚prognosefrei‘ oder ‚regelbasiert‘ eine signifikante Rolle.

Von der Historie zur Moderne

Bereits im Jahr 1.200 v. Chr. – lange vor Harry M. Markowitz und seiner Modernen Portfoliotheorie – wurde im Talmud geschrieben, jeder möge sein Vermögen zu einem Drittel in Land anlegen, zu einem Drittel in geschäftliche Aktivitäten investieren und zu einem Drittel als Reserve bei sich tragen. Diese im Jargon als ‚naiv‘ betrachtete Vermögensaufteilung entspricht in der heutigen Darstellung etwa 1/3 Immobilien, 1/3 Aktien, 1/3 Anleihen, Gold und Barreserven. Derartig pauschale Allokationen finden sich bis heute bei der Mehrzahl sog. Mischfonds mit festgelegten prozentualen Gewichten von z.B. Aktien und Anleihen. Diese eigentlich ‚prognosefreien‘ (d.h. ohne Berücksichtigung der Risiko- oder Ertragserwartung für eine Anlageklasse) vorgegebenen strategischen Rahmen werden meist um eine ‚prognosebasierte‘ Komponente erweitert, wobei der Fondsmanager im Rahmen seiner taktischen Markteinschätzung von den Quoten abweichen darf. Oft wird in diesem Zusammenhang von maximalen Aktienquoten gesprochen, die der Fondsmanager oder Vermögensverwalter ‚allokieren‘ darf. Dabei ist es unerheblich, ob das Bauchgefühl eines Vermögensverwalters entscheidet oder ein streng regelbasiertes System. Mittlerweile setzen viele Produkte quantitative Systeme ein, bei denen ein Rechner nach Analyse vorgegebener Indikatoren (z.B. volkswirtschaftliche Kennzahlen) im Rahmen eines Algorithmus die Entscheidung über die Gewichtung der Anlageklassen vornimmt.

Soweit keine Risikoparameter für das Fondsmanagement vorgegeben sind, sind Rendite und Risiko des Finanzproduktes das Ergebnis richtiger oder falscher Allokationsentscheidungen. Dabei wird unterstellt, dass die im Rahmen des Produktes gesetzten ‚naiven‘ Anlagegrenzen (z.B. maximal 50 % Aktien) der Risikopräferenz des Anlegers entsprechen.

Seit einigen Jahren dominieren innovativer klingende ‚Absolute-Return‘ oder ‚Total-Return‘ Produkte das Angebot, die in der Darstellung der Rahmenbedingungen für die Anlagegrenzen oftmals freier sind. Häufig wird vom Ziel des Kapitalerhalts über einen rollierenden Zeitraum von drei Jahren gesprochen – Renditeziele werden oftmals als Prämie über dem Geldmarktzins angegeben (z.B. 4 % über Euro-Geldmarkt). In diesem Zusammenhang wird auch oft von der Minimierung von ‚Drawdowns‘ gesprochen, d.h. das Management möchte Verluste im Falle von Marktverwerfungen vermeiden oder zumindest in ihrer Auswirkung begrenzen. Da es keine einheitliche Definition der Produktbezeichnungen gibt, sind in diesem Segment zahlreiche unterschiedliche Investmentprozesse enthalten. Genannte Anlageziele sind in der Theorie mit hegdefondsähnlichen marktneutralen Aktienfonds genauso möglich wie mit Produkten, die ausschließlich in Kreditderivaten anlegen. Aber auch oben beschriebene Mischfonds können derartige Return-Profile erfüllen, wenn Risiken aktiv gemanaged und Anlageklassen frei allokiert werden können. Sog. Risikoparitätsmodelle (in der Tendenz eher prognosefrei) gewinnen in diesem Segment zunehmend an Bedeutung ebenso wie frei formulierte, möglichst nicht korrelierende makroökonomisch basierte Investmentideen (in der Tendenz prognosebasiert), die zu einem Portfolio zusammengefügt werden. Dabei fällt der Mathematik ein immer größeres Gewicht im Investmentprozess zu, zumindest in der quantitativen Aufbereitung und Filterung der Fülle an relevanten Marktinformationen. Inwieweit die eigentlichen Investmententscheidungen einem Rechenalgorithmus und somit streng regelbasiert erfolgen oder auf Basis menschlichen Verstandes gründen, ist oftmals Folge der Philosophie des Produktanbieters. Im Rahmen einer ausgewogenen Vermögensaufteilung haben sicherlich beide Ansätze ihre Stärken, wobei quantitative Elemente ihre Vorteile im Bereich der Trenderkennung und Trendfolge haben.

Rendite und Risiko des Finanzproduktes orientieren sich daher stärker an einer Art ‚Risikobudget‘, welches als maximal zu erwartende Volatilität (Wertschwankung) oder Value at Risk (zu akzeptierendes Verlustrisiko im Rahmen eines statistischen Konfidenzintervalls) Ausdruck verliehen wird.

Es ist nicht wichtig die Zukunft zu kennen – es ist wichtig auf die Zukunft vorbereitet zu sein

Medien und Politik greifen gerne die Tatsache auf, dass Marktexperten und Volkswirte mit ihren Prognosen nicht selten daneben liegen. Diese korrekte Feststellung ist der Unsicherheit in einer von zahllosen Interdependenzen geprägten globalisierten Welt geschuldet. Dazu addieren sich geopolitische Ereignisse und Marktmanipulationen durch internationale Notenbanken, die weder vorhersehbar noch in der Wirkung fundiert einschätzbar sind.

In einem derartigen Umfeld sind Prognosen zur Entwicklung von Vermögenspreisen wie z.B. Aktienkursen oder Zinsen möglich, aber für Anlageentscheidungen wenig geeignet. Vielmehr ist es wichtig, denkbare Prognosefehler (in der Abweichung nach oben wie unten) zu akzeptieren und in der Vermögensaufteilung zu berücksichtigen. So taucht bei ernsthaft arbeitenden Marktstrategen durchaus wieder das Szenario einer zusammenbrechenden Eurozone auf – auch wenn dieses relativ unwahrscheinlich ist. Dennoch ist dieses Denken in Szenarien eine Pflichtübung, um eine Vermögensaufteilung zu entwickeln, die geeignet ist, den Überraschungen der Zukunft im Sinne des Anlegers den Schrecken zu nehmen.

Autor: Thomas Böckelmann.

Dieser Beitrag ist in unserer jüngsten Sonderpublikation "Asset Allocation: Weil Vermögen diversifiziert werden müssen" erschienen. Sie können die Publikation hier kostenlos herunterladen.

Thomas Böckelmann ist Gründer der VEITSBERG Gesellschaft für Vermögensbetreuung und Mitglied im Investmentkomitee der Vermögensmanagement EuroSwitch in Frankfurt am Main. Er ist seit 25 Jahren in unterschiedlichen Funktionen bei führenden Investmenthäusern tätig. Für die Deutsche Bank verantwortete er u.a. die Beratung institutioneller Investoren wie Investmentfonds und Versicherungen. Bei der HSBC war er Spezialist für die Produkte Investmentstrategien und Asset Allocation.

Thomas Böckelmann absolvierte zuerst eine Bankausbildung und studierte anschließend berufsbegleitend an der Frankfurt School of Finance zum Bankbetriebswirt. Er besitzt ein Diplom als Investmentanalyst DVFA/CEFA der European Federation of Financial Analysts Societies.

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