Kommentar
13:30 Uhr, 25.09.2007

Asiens neue Stärke

Seit über 15 Jahren nutze ich das deutsche Sommerloch, um in Asien zu beobachten, was in Europa seit langem Mangelware geworden ist: Wirtschaftliche Dynamik, Bewegung, Veränderung und Mut für Neues. Trotz der Finanzmarktturbulenzen, die manch besorgte Frage auslösten, tickt der Kontinent weiter. Die Wachstumsraten der asiatischen Schwellenländer sind hoch und die Konjunktur boomt in fast allen Bereichen.

Die meisten Länder Asiens haben erstaunlichen Reformwillen bewiesen: Mit Ausnahme von Japan, das schon jetzt mit Alterung und Rückgang der Bevölkerung zu kämpfen hat, überraschen die meisten asiatischen Volkswirtschaften mit Aufwärtsrevisionen ihrer Sozialproduktschätzungen. In einem solchen Umfeld haben es die Philippinen, die bisher für laxe Fiskalpolitik bekannt waren, geschafft, ihre Haushaltsdefizite entscheidend zurückzuführen. Auch Malaysia, angesichts der starken Exportabhängigkeit von den USA, die sich im Abschwung befinden, als Kandidat für Wachstumsschwäche gehandelt, zeigt weiterhin wirtschaftliche Prosperität und hohe Wachstumsraten. Dieser Trend wird entscheidend durch das jüngste Aufblühen des Dienstleistungssektors getragen. Und sogar in Ländern wie Sri Lanka oder Pakistan, in denen innere Sicherheit wahrlich gefährdet ist, läuft die Wirtschaft gut. Fast überall in Asien produzieren die Betriebe an der Kapazitätsgrenze, werden Investitionspotenziale ausgereizt und sind qualifizierte Arbeitskräfte Mangelware.

Trotz dieser günstigen Ausgangslage war allerorten die Sorge zu spüren, dass die jüngste US Subprime Krise die asiatischen Tigerstaaten am Ende doch auch betreffen könnte. Immer wieder wurde gefragt, ob es Parallelen zum katastrophalen asiatischen Krisenjahr 1997 gäbe. Doch nichts erinnert an 1997 – im Gegenteil. Alle asiatischen Länder verfügen heute über enorme Devisenreserven, die es ihnen ermöglichen, mühelos ihre Wechselkurse gegen Abwertungsattacken zu verteidigen. Aber das ist nicht das Problem: Nahezu alle Währungen neigen zur Aufwertung und zwar mehr als Wirtschaft und Politik wünschen. Zudem wurde vielfach der Finanzsektor der internationalen Konkurrenz geöffnet und modernisiert – strukturelle Reformen haben gegriffen. Da das Wachstum der führenden Volkswirtschaften Asiens -Chinas und Indiens- nunmehr stärker von Infrastrukturinvestitionen und Konsum getragen wird, dürfte die Abschwächung der Exporte in die USA fürs erste keine Wachstumsschwäche zur Folge haben.

Asiens enorm hohe Wachstumsraten lösen jedoch auch Stress aus: Enorme strukturelle und gesellschaftliche Veränderungen müssen verkraftet werden. Wie bekommt man - und schwieriger noch - wie hält man qualifizierte Arbeitnehmer, das ist die zentrale Frage für viele asiatische, insbesondere aber chinesische Unternehmen. Gerade in China spürt man bereits heute die ersten Vorbeben der Konsequenzen der kurzsichtigen chinesischen Ein-Kind-Politik.

Wer freilich miterleben darf, wie Regierungen wie die Singapurs oder Chinas Herausforderungen in den Bereichen Demographie, Immigration und Humankapital, aber auch Energieversorgung angehen, der entwickelt nicht nur Zuversicht für diese asiatischen Gesellschaften, sondern er wünscht sich auch eine ähnlich zupackende und reformorientierte Gesellschaft im eigenen Land.

Zehn Jahre Wachstum ohne Pause; und ein Ende des asiatischen Booms ist nicht in Sicht: Es wird daher auch in den nächsten Jahren eine hohe Nachfrage nach Energie und metallischen Rohstoffen geben. Aber auch der Bedarf an agrarischen Rohstoffen in Asien wird enorm steigen, da Gesellschaften mit steigendem Wohlstand ihre Ernährung auf tierische Proteine umstellen. Zudem erhöht sich die Nachfrage nach agrarischen Rohstoffen wegen ihrer Nutzung als Energiequelle. Natürlich wird das Auswirkungen auf die Preisentwicklung auf den Rohstoffmärkten haben, die Rohstoffkonsumenten belasten und rohstoffanbietende Länder enorm begünstigen werden.

Auch andere Schwellenländer können daher vom asiatischen Wachstum profitieren – an vorderster Stelle Lateinamerika. Lateinamerika offeriert die ideale Produktpalette in einer solchen Welt: Kupfer und Eisenerz, Öl und Gas, Zellulose und Soja, Fleisch aller Arten und vom Feinsten. Innerhalb Asiens werden Länder wie Indonesien, Vietnam oder Malaysia mit ihrem Reichtum an guten Böden (einschließlich reichlich Wasser) und dem dadurch möglichen Angebot an Nahrungsmitteln und Biomasse, wie etwa Reis oder Palmöl und Holz profitieren. Hinzu kommt eine gesellschaftliche Komponente: Der Wohlstandszuwachs durch die Nachfrage nach agrarischen Rohstoffen wird –im Gegensatz zu industriellen Produkten- nicht nur qualifizierten Arbeitnehmern und nicht nur den Städten nutzen. Auch die schlecht gebildete Landbevölkerung wird die Chance haben, am Wohlstand teilzuhaben, Zugang zu Bildung zu erlangen und so langfristig Aufstiegschancen zu bekommen.

Aber Asien wird nicht nur Nachfrager nach Rohstoffen sein. Es wird auch strategische Positionierungen suchen: Die Zeiten, in denen durch Exporte erwirtschaftete Devisen ausschließlich in US-Schatzbriefen angelegt wurden, sind definitiv vorbei. Mit guten Devisenpolstern und Ersparnissen ausgestattet, gehen diese Länder jetzt weltweit auf die Suche nach Unternehmensbeteiligungen in strategischen Feldern. Für den Kapitalismus bricht daher ein neues Kapitel an: Die Herren der Welt sitzen nicht mehr (allein) im alten Europa und den USA. Dubai, Mumbai und Peking sind neue Fixsterne.

Autor: Prof. Dr. Norbert Walter

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Harald Weygand
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Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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