Kommentar
12:16 Uhr, 21.10.2005

Anleger sind selbst ihre größten Gegner

Geld anlegen ist schwierig, aber verlangt keine Genialität. Wichtig ist vielmehr, dass man seine eigenen psychologischen Schwächen erkennt und überwindet.

In der Finanzwissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten eine neue Disziplin Einzug gehalten: Behavioral Finance (engl. behavioral: Verhaltens-). Dieser Zweig der Wirtschaftswissenschaften ist ein Grenzbereich zwischen Ökonomie und Psychologie.

Die Kernfrage lautet: Warum handeln wirtschaftliche Akteure – also Sie und ich – nach bestimmten Mustern? Mit Blick auf Anlageverhalten könnte man zugespitzt formulieren: Warum treffen Anleger finanzielle Entscheidungen, die nicht in ihrem Interesse liegen?

Der Schlüssel für die erfolgreiche Kapitalanlage besteht aus lediglich zwei Tugenden: Disziplin und Geduld. Die Investmentlegenden Benjamin Graham und Warren Buffett schwören seit Jahrzehnten auf diese Qualitäten, die im engen Zusammenhang mit den Erkenntnissen der Behavioral Finance stehen. Der Valueinvestor Buffet sagte mitten in der Internetaktienblase in einem Interview in BusineesWeek: „Erfolg beim Investieren korreliert nicht mit einem I.Q. von über 25. Als ein durchschnittlich intelligenter Mensch muß man lediglich die Zwänge kontrollieren können, die andere Anleger beim Investieren in Schwierigkeiten bringen.“

Welchen Verhaltensweisen sind es, die Investoren Probleme bringen?

Zu häufige Kontrolle des Portfolios

Zugegeben, ich unterliege dem Zwang, mehrmals täglich in mein Portfolio zu schauen. Egal, ob Aktie, Anleihe oder Fonds – das Auf und Ab der Preise ist jedes Mal eine schmerzvolle Erfahrung für mich. Schmerzvoll vor allem deshalb, weil ich festgestellt habe, dass Verluste stärker wahrgenommen werden als Gewinne. Vom Gefühl her wiegt ein 100 Euro Verlust mehr als ein 100 Euro Gewinn.

Die Finanzwissenschaft hat nun herausgefunden, dass Anleger, die ihre Portfolios häufiger kontrollieren, geringere Investmenterträge aufweisen. Denn die Häufigkeit, das Portfolio zu überwachen, hatte einen erheblichen Einfluss darauf, wie gut oder schlecht Anleger Verluste aushalten können. Das gilt auch für langfristige Investoren. Wer seine Anlagen öfters beobachtet, neigt dazu, häufiger zu handeln, also zu kaufen oder zu verkaufen. Die mentale Buchhaltung und das daraus resultierende Unbehagen bei Verlusten spielen dem Anleger einen Streich.

Überschätzung

Zudem neigen Investoren dazu, vermeintlich neue oder aktuellere Informationen überzubewerten. Die Datenflut aus Zeitungen, Magazinen, Fernsehen oder Internet ist unermesslich. Anleger tendieren in diesem Zusammenhang, die in den Medien zuletzt gewonnen Erkenntnisse stärker als vorherige Investmententscheidungen zu gewichten. In der Folge werden Positionen, die einen Buchgewinn aufgebaut haben, verkauft. Schwache Investments oder langjährige Verlustpositionen werden hingegen meist behalten. Nur ungern gesteht man sich als Investor eine Fehlentscheidung ein.

Zudem sind die meisten Anleger davon überzeugt, dass sie Informationen besser bewerten können als andere. Gäbe es sonst einen Grund ein Wertpapier zu kaufen? Die Hoffnung besteht ja gerade darin, dass andere Marktteilnehmer das Papier entdecken, eine positive Investmententscheidung treffen und kaufen. Ordern viele Marktteilnehmer, dann steigt der Preis.

Der Schweizer Vermögensverwalter Julius Bär hat das Phänomen der „ruhigen Investmenthand“ mit Zahlen illustriert: Der US-amerikanische Aktienmarkt brachte zwischen 1926 und 2005 eine jährliche Rendite von 10,4%. Wer die 5 (10,15) besten Monate verpasst hatte, realisierte nur noch 8,5 % (7,5%, 6,7%), so die Eidgenossen. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass 100 Euro mit 10,4% Verzinsung auf 247 320 Euro angestiegen wären. Wohingegen bei einem jährlichen Rendite von 6,7% nur 16 891 Euro auf dem Investmentkonto liegen würden. Der ruhige, stetig investierte Anleger fuhr bedeutend besser. Geduld und Disziplin zahlen sich aus!

Quelle: Morningstar Deutschland

Die Aufgabe der Fonds-Ratingagentur Morningstar ist es, leicht zugängliche Informationen und Anwendungen anzubieten um den Anlegern eine objektive Hilfe zu den mehr als 6.000 in Deutschland zugelassen Fonds zu geben. Als Teil des europäischen Netzes lancierte Morningstar seine Dienste in Deutschland am 23.05.2001 unter www.morningstarfonds.de

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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