Kommentar
18:48 Uhr, 05.08.2022

Anleger dürfen diesen Glauben nicht verlieren

An der Börse zählt nicht immer das, was ist, sondern das, was erwartet wird. Solange die Erwartungen bleiben, wie sie sind, hat der US-Aktienmarkt das Bärenmarkttief bereits erreicht.

Eine Bemerkung gleich vorweg: Die Aussage, dass keine neuen Tiefs im S&P 500 mehr erreicht werden müssen, ist ein Szenario. Szenarien sind an Bedingungen geknüpft, die eintreten können oder eben auch nicht. Die Entwicklungen sind nach wie vor sehr dynamisch und es ist wahrscheinlicher, dass sich die Bedingungen verändern, als dass sie genau so eintreten. Anleger erwarten in den USA eine Rezession. Technisch ist diese bereits Fakt, allerdings sinkt die Arbeitslosigkeit weiter. Sinkende Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig schrumpfender Wirtschaftsleistung ist ungewöhnlich. In allen Rezessionen seit dem Zweiten Weltkrieg stieg die Arbeitslosenrate um mindestens 1,6 Prozentpunkte. Die aktuell erwartete Rezession sieht einen leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung vor und gleichzeitig einen weiteren Rückgang der Arbeitslosenrate. Damit wäre 2022 ein klarer Ausreißer (Grafik 1).


Die Historie sagt eigentlich alles. Die Erwartungen stehen auf wackligem Fundament. Es wäre die erste Rezession, in der das Kunststück sinkender Arbeitslosigkeit gelingt – und dies, obwohl die Notenbank einen leichten Anstieg der Arbeitslosenrate sogar für sinnvoll hält.

Die Erwartungen können praktisch nur enttäuscht werden. Die Wirtschaftsleistung wird am Ende vermutlich stärker zurückgehen als bisher prognostiziert und die Arbeitslosenquote um mehrere Prozentpunkte steigen. Das ist die schlechte Nachricht. Eine gute gibt es auch. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung und ein Anstieg der Arbeitslosenrate sagen wenig über das Ausmaß eines Bärenmarktes aus.

Vergleicht man den Anstieg der Arbeitslosenrate mit dem S&P 500 (Grafik 2), gibt es sehr unterschiedliche Entwicklungen. Mitte der 70er Jahre gab es einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Aktienmarkt verlor über 40 %. Anfang der 80er Jahre war der Anstieg ähnlich, doch der Aktienmarkt korrigierte nur halb so viel.


Im Gegensatz dazu stieg die Arbeitslosenrate Anfang des Jahrtausends im Vergleich zu anderen Rezessionen kaum, doch der Aktienmarkt brach um die Hälfte ein. Der starke Einbruch lässt sich nicht durch den Rückgang der Wirtschaftsleistung erklären. Dieser war kaum wahrnehmbar (Grafik 3). Es war sogar der geringste Rückgang in einer Rezession, der je gemessen wurde.

Andere Faktoren spielen eine große Rolle. Zu diesen Faktoren gehört die Bewertung des Marktes. Die Bewertung ist derzeit noch leicht erhöht. Ein zweiter Faktor ist die Geldpolitik. Hier können Anleger nicht mit einer baldigen und deutlichen Umkehr rechnen. Beides spricht dafür, dass der Markt noch Korrekturbedarf hat.

Werden Fakten geschaffen und brechen Unternehmensgewinne ein, ist eine Fortsetzung des Bärenmarktes unumgänglich. Solange Anleger aber an eine sehr milde Rezession glauben und diese vielleicht sogar so eintritt (auch wenn es die erste Rezession ihrer Art wäre), ist der Markt relativ fair bewertet.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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