Angst vor einem Auseinanderbrechen der EWU
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Externe Quelle: Hypovereinsbank UniCredit
Das am meisten diskutierte Thema am Markt ist mal wieder ein Auseinanderbrechen der EWU. Ähnliche Sorgen gab es bereits 2003 und 2004, als Frankreich und Deutschland den Weg für einen „flexibleren“ Stabilitäts- und Wachstumspakt“ ebneten, und Maroni in Italien laut über ein Referendum über den Ausstieg Italiens aus der Währungsunion nachdachte, da der Euro nach seiner Meinung für den allgemeinen Preisanstieg und den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit verantwortlich war. In den letzten zwei Wochen hat die Ratingagentur Standard & Poor’s den Ausblick für das Rating Irlands auf negativ gesetzt, Portugal auf die Beobachtungsliste genommen und die Bonitätsnoten für Griechenland und Spanien um eine Kategorie herabgestuft.
Als Folge haben sich die Cash- und CDS-Spreads der Peripherieländer erneut ausgeweitet, und einige Wettseiten im Internet weisen derzeit eine Wahrscheinlichkeit von 30% für den Austritt des eines oder anderen Landes aus dem Euroraum aus. Nachfolgend legen wir unsere Einschätzung zu dieser Thematik dar:
1. Wir halten ein solches Szenario für höchst unwahrscheinlich, da wir die Kosten eines Austritts im Verhältnis zu den wenigen (und nur vorübergehenden) Vorteilen eines Austritts für untragbar halten. Hinzu kommt, dass technische Faktoren eine Preisgabe des Euro zu einem fast unmöglichen Szenario machen.
2. Wir begrüßen zumindest teilweise die jüngste Spreadausweitung, da sie mittelfristig für eine größere Haushaltsdisziplin sorgen wird und eine gewisse Normalisierung in einem 16 Länder umfassenden Währungsraum bedeutet, in der große Unterschiede bei Wachstum, Inflation, Defiziten (Haushalts- und Leistungsbilanz) und Produktivitätstrends bestehen. Es ist daher zu begrüßen, dass der Markt die Länder abstraft, die die Erwartungen nicht erfüllen. Wir teilen demnach die Meinung derer, die die Spreadausweitung als Zeichen für ein gutes Funktionieren des Währungsraums und nicht als Hinweis auf ein bevorstehendes Auseinanderbrechen werten.
In einem aktuellen Papier des National Bureau of Economic Research (NBER) legt Barry Eichengreen einleuchtend klar (http://www.nber.org/papers/w13393.pdf), warum es unwahrscheinlich ist, dass in den nächsten zehn Jahren ein Land die Währungsgemeinschaft verlassen wird, – und warum es noch unwahrscheinlicher ist, dass der Euroraum implodiert. Nachfolgend eine Zusammenfassung seiner Argumente:
1. Zwar ist es in der Vergangenheit vorgekommen, dass Mitglieder einer Währungsunion diese verlassen, eine neue Landeswährung eingeführt und dabei unüberwindbar erscheinende rechtliche Probleme gelöst haben (Deutschland im Jahr 1924). Die moderne technologische und Finanzintegration würde ein solches Unterfangen heutzutage jedoch deutlich erschweren.
2. Die Verabschiedung der erforderlichen Gesetze würde vermutlich eine lange Zeit in Anspruch nehmen, während der das Finanzsystem – in Erwartung einer zukünftigen Abwertung der neuen Währung – zum Spielball der Finanzteilnehmer würde. Die Ratingagenturen dürften die Währungsumstellung als technischen „Default“ werten.
3. Für ein finanziell schwaches Land wäre der Anstieg der Schuldendienstkosten die größte Hürde bei einem Ausstieg aus der Währungsunion. Als eine der wenigen Optionen bliebe der Gang zum Internationalen Währungsfonds. Ungeachtet der Spread-Ausweitung sind die Schuldendienstkosten für z.B. Italien, Griechenland und Portugal derzeit deutlich niedriger als im letzten Sommer, als die EZB ihren Leitzins auf 4,25% anhob.
4. Die politischen Kosten wiegen besonders schwer. Der Maastrichter Vertrag sieht keinen Ausstieg vor. Falls bei einem Ausstieg eines einzelnen Landes unter den Anlegern Zweifel über die Zukunft der EWU aufkommen und daher auf Euro lautende Investments verkauft werden, so ist es durchaus möglich, dass die innerhalb der Union verbleibenden Länder rechtliche Schritte einleiten.
Verschlechterung der öffentlichen Finanzen
Die von der Europäischen Kommission am 19. Januar veröffentlichten vorläufigen Prognosen zeigen unmissverständlich, dass die konjunkturelle Talfahrt auch die öffentlichen Finanzen in Mitleidenschaft zieht. Die Gründe sind geringere Steuereinnahmen in Kombination mit von den Mitgliedsländern ergriffenen bzw. angekündigten Maßnahmen, die – zusätzlich zu den automatischen Stabilisierungsmechanismen – den Marktturbulenzen und deren Übergreifen auf die Realwirtschaft entgegenwirken sollen. Insgesamt belaufen sich die fiskalischen Anreize auf etwa 4% des BIP, verteilt auf die Jahre 2009 und 2010. In dieser Schätzung sind die auf nationaler und auf EU-Ebene ergriffenen Maßnahmen, die automatischen Stabilisierungsmechanismen sowie gesonderte Haushaltsmaßnahmen berücksichtigt. Das Gesamtdefizit für die EU dürfte sich demnach von unter 2% des BIP im Jahr 2008 auf 4½% in diesem Jahr mehr als verdoppeln. Als Folge dürften mehrere Mitgliedsstaaten 2009 die Obergrenze von 3% des BIP überschreiten. Da das Wachstum unter Potenzial bleiben wird, muss mit einer weiteren Verschlechterung des Haushaltsausblicks für 2010 gerechnet werden.
Sicherlich wäre es auch falsch zu behaupten, der potenzielle Ausstieg eines einzelnen Landes sei bloß ein hypothetischer Fall, denn immerhin ist es auch denkbar, dass ein Land in besonders guter finanzieller Verfassung aussteigt, weil es die meisten anderen Mitglieder an Haushaltsdisziplin mangeln lassen und/oder weil die EZB ihre antiinflationäre Haltung lockert. In diesem Fall wären die wirtschaftlichen Kosten vermutlich geringer, sofern eine glaubwürdige Alternative zum Stabilitäts- und Wachstumspakt vorhanden ist, die Unabhängigkeit der inländischen Notenbank gestärkt wird, und alternative fiskalische und strukturelle Reformen umgesetzt werden. Betrachten wir die Angelegenheit nunmehr aus einem praktischeren Blickwinkel. Falls Deutschland, das derzeit als einziges Land die genannten Bedingungen erfüllen könnte, eine Aufgabe des Euro beschließen würde, müsste es nach unserer Einschätzung mit unangenehmen Folgen rechnen. Ohne den Euro würde sich die neue deutsche Währung deutlich aufwerten, und Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit bei den Handelspartnern würde – ähnlich wie 1992 – großen Schaden nehmen. Im gegenwärtigen wirtschaftlichen Umfeld würde sich Fishers These von der Schulden-Deflation in Deutschland bewahrheiten, und der Banksektor geriete in eine deutlich schwierigere Lage. In den letzten zehn Jahren hat Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den anderen EWU-Mitgliedsländern deutlich gestärkt, was vor allem auf eine verhaltene Arbeitskostendynamik zurückzuführen ist. Ein Großteil des deutschen BIP-Wachstums basiert auf Exporten innerhalb der EWU.
Folglich sehen wir den Euro als eine Einbahnstraße – und zwar sowohl für die Länder am oberen als auch für die am unteren Ende der Performance-Skala. Sicherlich kann langfristig ein Austritt eines einzelnen Landes oder eine Zerschlagung nicht vollständig ausgeschlossen werden. Wir sind jedoch überzeugt davon, dass dies kein realistisches kurz- bis mittelfristiges Szenario ist. Das Ausmalen der Apokalypse könnte sogar für sehr gute Handelsgelegenheiten sorgen. Die gegenwärtige Krise eröffnet die einzigartige Chance, umfangreiche Reformen umzusetzen, welche die Perspektiven für die öffentlichen Finanzen und die Wettbewerbsfähigkeit der Einheitswährung verbessern. Die Europäische Kommission und die nationalen Regierungen sollten sich um eine engere Kooperation bemühen, indem sie die klare Botschaft senden, dass alle in einem Boot sitzen. Das Abwägen von Kosten und Nutzen spricht weiterhin für einen Verbleib innerhalb der Europäischen Währungsunion, und einer der Grundsätze der Spieltheorie besagt, dass Kooperation stets für ein besseres Gleichgewicht sorgt als Konkurrenz.
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