Nachricht
15:05 Uhr, 18.02.2009

An Russlands Börse gibt der Ölpreis die Richtung vor

Erwähnte Instrumente

  • WTI Öl
    ISIN: XC0007924514Kopiert
    Aktueller Kursstand:   (JFD Brokers)

Eigentlich kann man es sich mit der Prognose zum russischen Aktienmarkt relativ einfach machen. Die Losung kann kurz gefasst auf einen Nenner gebracht werden. Steigt der Ölpreis, steigen auch die russischen Aktienkurse, fällt das schwarze Gold dagegen, dann geht es abwärts. Dieses Zusammenspiel lässt sich in eindrucksvoller Form anhand der Entwicklung in der Vergangenheit ablesen (siehe Chart). Leichter wird dadurch die Aufgabe aber natürlich auch nicht. Denn wer weiß aktuell schon, welche Richtung der Ölpreis in den kommenden Wochen einschlagen wird. Ging es doch auch hier in den vergangenen beiden Jahren wild auf und ab. Nach einem steilen Anstieg kam es zu einem jähen Absturz, bevor der Preis nun versucht, sich im Bereich der Marke von 40 Dollar je Barrel zu stabilisieren. Langfristig spricht zwar einiges für wieder steigende Notierungen, aber kurzfristig bleibt abzuwarten, wie sich die Schwäche der Weltwirtschaft auf den Preis auswirken wird.

Mit dem Ölpreis ist es auch dem russischen Aktienmarkt zuletzt gelungen, sich zu fangen. Vom Tief hat sich der 50 Aktien umfassende, dollar-demonierte RTS-Index mittlerweile schon wieder deutlich abgesetzt. Nach den im Vorjahr erlittenen schweren Einbußen (RTS minus 72 Prozent, das erste Jahresminus seit 2000) und dem auch im Januar zunächst noch anhaltenden Kursrutsch sind die Verluste aber noch immer sehr groß. Die russischen Broker, von denen sich einige mit kreditfinanzierten Spekulationen verzockt haben und aus dem Markt ausgeschieden sind, blicken dennoch schon wieder optimistisch nach vorne. Ende Januar trauten 15 befragte Institute dem Markt in diesem Jahr im Schnitt ein Kursplus von 58 Prozent zu.

Tiefe Bewertungen versus fallende Unternehmensgewinne

Diese Zuversicht basiert zu einem Großteil vermutlich auf den optisch sehr tiefen Bewertungen. Das KGV von rund drei, auf den Analysten den Markt taxieren ist in der Tat außergewöhnlich niedrig und bedeutet den niedrigsten Wert weltweit. Doch nicht nur das KGV und das Kurs-Buchwert-Verhältnis von deutlich unter eins sondern auch andere Bewertungsrelationen sehen günstig aus. So wird den russischen Ölfirmen laut East Capital Fondsmanager Peter Elam Håkansson beim Unternehmenswert gemessen an den Reserven nur ein Wert zwischen 0,7 und 2,6 zugebilligt. Selbst im Vergleich mit Wettbewerbern aus anderen Schwellenländern ist das ausgesprochen wenig. Der chinesischen PetroChina und der brasilianischen Petrobras werden mit 7,3 Dollar und 9,7 Dollar je Barrel jedenfalls weitaus höhere Werte zugestanden. Ein ähnliches ungünstiges Bild zuungunsten der russischen Sektorvertreter ergibt sich übrigens gemessen an den Kapazitäten auch bei den Versorgern.

Erklären lassen sich die tiefen Bewertungen neben dem gefallenen Ölpreis und dem eingebrochenen Rubel auch mit völlig hausgemachten Unzulänglichkeiten wie einer schlechten Unternehmensführung und –aufsicht sowie unterentwickelten Marktregularien. Aus westlicher Sicht ist es nicht immer nachvollziehbar, wie mit Minderheitsaktionären umgesprungen wird oder wie der Staat mit unliebsamen Unternehmen umgeht. Aber auch die Regeln, nach denen die Börse einfach geschlossen wird, wenn die Kurse zu sehr fallen, sind nicht immer plausibel.

Eine schwere Bürde stellt auch noch die erwartete negative Entwicklung bei den Unternehmensergebnissen dar. Im Konsens sehen die Analysten die Gewinne in den kommenden zwölf Monaten um knapp 24 Prozent fallen. Pessimisten wie JPMorgan Chase & Co. können sich sogar ein Absacken der Gewinne um 52 Prozent in diesem Jahr vorstellen. Und wenn diese Prognose eintrifft, die auf einem durchschnittlichen Ölpreis von 43 Dollar je Barrel basiert, dann dürfte es schwierig werden für die russische Börse, in 2009 positiv zu überraschen. Zurückhaltend äußert sich mit Jim Rogers auch einer der weltweit bekanntesten und erfolgreichsten Investoren. Allerdings ist seine Skepsis eher langfristig ausgerichtet und beruht auf der Befürchtung, das Land könne in den kommenden Jahren noch weiter auseinanderfallen. „Wenn Weltreiche zerfallen, dann wirken die Nachwehen nach lange noch und es besteht die Gefahr, dass das Land zerfallen könnte.“

Sowohl eine Kursverdoppelung als auch weitere Verluste scheinen denkbar

Auf absehbare Zeit besteht diese Gefahr aber sicherlich nicht, aber auch so sind die Probleme groß genug. Das Dilemma dabei ist, dass das Land sehr stark von externen Entwicklungen abhängt. Viel wird davon abhängen, wie es mit den Rohstoffpreisen weitergeht und ob die Volkswirtschaften in Amerika und China die Wende zum Besseren schaffen. Eric Kraus von Nikitsky Fund billigt China dabei sogar die größte Bedeutung zu. „Der russische Markt wird vermutlich enger mit China als mit Amerika korrelieren. Wenn sich der Ölpreis erholt und die Rohstoffnachfrage aus China wieder zunimmt, besteht eine sehr gute Chance auf steigende Kurse.“ Ob und wann das passieren wird, lässt sich derzeit aber noch nicht mit Sicherheit vorhersagen. Russland-Experte Thies Ziemke von ParusKreml Capital Management rät deshalb erst einmal zum Abwarten. „Ob Russland gestärkt oder geschwächt aus der Asche steigen wird, lässt sich leider noch nicht absehen. Im Moment ist als Anleger Nichtstun sicherlich eher angebracht als hektische Aktivität.“

Wer dennoch agieren möchte, der ist angesichts der Rubel-Abwertung vermutlich bei Exportwerten am besten aufgehoben. Nach Berechnungen der Analysten von Unicredit könnte beispielsweise der Nettogewinn des Stahlkonzerns MMK bei einem Kurs von 40 Rubel je Dollar um 120 Prozent steigen. Allerdings haben viele Aktien der vermeintlichen Profiteure in den vergangenen Handelstagen bereits eine ausgeprägte Kursrally hingelegt. Inlandsorientierte Werte wie Einzelhändler dürften sich damit verglichen eher als Verlierer entpuppen. Ähnliches gilt für alle Unternehmen, die aus hohen Schulden in ausländischer Währung sitzen. Denn durch die Rubel-Abwertung ist eine Rückzahlung der Schulden teuer geworden. Das sehen auch die Experten von Raiffeisen Capital Management so, die in ihren Fonds deswegen verstärkt auf Unternehmen setzen, die nur eine geringe Fremdwährungs-Verschuldung aufweisen.

Am einfachsten dürfte es ohnehin sein, entsprechend der jeweiligen individuellen Marktmeinung über ein Index-Zertifikat auf fallende oder steigende Kurse zu wetten. Auf Anfrage berichten aber Emittenten, dass sich die Nachfrage nach Zertifikaten und Opionsscheinen mit russischen Underlyings derzeit generell aber sehr in Grenzen hält. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass vermutlich schon sehr viel Negatives in den Kursen steckt. Selbst wenn sich die Kurse verdoppeln würden, müsste deswegen noch nicht zwangsläufig von einer Überbewertung des Marktes gesprochen werden. Diese Erkenntnis spricht für antizyklische Wetten auf den Gesamtmarkt wie mit dem ABN Amro RTS-Index-Zertifikat (ISIN: NL0000804243, 47,60 Euro). Wegen der schwierigen Ausgangslage und der Fähigkeit der Russen, ihren Aktienmarkt immer wieder selbst unter Druck zu bringen, sind aber auch weiter fallende Kurse nicht ausgeschlossen. Und wer ohnehin Schwierigkeiten damit hat, die von Russland betriebene Politik zu verstehen, der wird sich möglicherweise auch selbst durch die theoretische Chance auf eine Kursverdoppelung nicht aus der Reserve locken lassen.

Quelle: Ostbörsen-Report

Wo sind die besten Anlagechancen in Osteuropa?
Melden Sie sich kostenlos für den Ostbörsen-Report an und erfahren Sie alle Details!
Anmeldung: www.ostboersen-report.de

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets
Follower
Folgen

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

Mehr über Jochen Stanzl
Mehr Experten