Kommentar
08:39 Uhr, 15.09.2015

Alle Jahre wieder: USA vor Zahlungsunfähigkeit

Der US Budgetstreit droht in den kommenden Wochen wieder einmal zu eskalieren. Das könnte die Notenbank dazu bewegen die Zinsen erst einmal nicht anzuheben.

Die Zinsdebatte lässt einen Faktor vollkommen außen vor: das US Budget und die Schuldenobergrenze. Das Fiskaljahr endet im September. Die Zahlen, die dann vorliegen werden, sind erst einmal erfreulich, denn die Neuverschuldung dürfte auf den niedrigsten Stand seit 2007 fallen.

Das Congressional Budget Office (CBO) rechnet in diesem Jahr mit einem Defizit von 426 Mrd. USD. Das ist das geringste Defizit seit 8 Jahren. Das Defizit liegt somit bei ungefähr 2,5% der Wirtschaftsleistung. Das ist aller Voraussicht nach etwas weniger als das Wirtschaftswachstum. Die Schuldenlast in Prozent der Wirtschaftsleistung könnte folglich seit Jahren das erste mal wieder sinken.

Diese positiven Nachrichten können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Republikaner und Demokraten seit Jahren auf keinen grünen Zweig kommen. Die Schuldenobergrenze ist immer wieder angehoben worden. Der Weg dorthin ist jedoch jedes Mal sehr lang und steinig. Ende 2013 kam es sogar zu einem mehrwöchigen Shutdown. Viele Behörden wurden einfach geschlossen, weil Gehälter nicht mehr gezahlt werden konnten.

Die Wirtschaft, Investoren und Anleger hat das verunsichert. Letztlich kann niemand vorhersagen, ob sich die unversöhnlichen Positionen der beiden Parteien noch rechtzeitig in einem Kompromiss bereinigen lassen. Durch die teils chaotischen Zustände darf man nicht ausschließen, dass es in den USA auch einmal zu einem Unfall kommt. In einem solchen Fall würden sich Politiker nicht rechtzeitig einigen. Fällig werden Schulden könnten nicht zurückgezahlt werden.

In diesem Jahr ist von einer solchen Dramatik nicht auszugehen. Der Vorwahlkampf hat bereits begonnen und keine der Parteien will ein Jahr vor der Wahl einen Shutdown verantworten. Dennoch wird eine Einigung bis zuletzt hinausgezögert werden. Eigentlich erreichte die US Regierung bereits im März 2015 die Schuldenobergrenze. Durch außerordentliche Maßnahmen kann das Überschreiten der Grenze bis November oder Mitte Dezember 2015 hinausgezögert werden.

Die außergewöhnlichen Maßnahmen sind inzwischen nicht mehr wirklich außergewöhnlich. Die Regierung bedient sich dieser seit Jahren und fast schon permanent. Ob das wirklich die Lösung der Probleme sein soll, sei dahingestellt.
In diesem Herbst wird die US Regierung zwar höchstwahrscheinlich nicht dicht machen müssen, doch die Verhandlungen werden trotzdem hart – Vorwahlkampf hin oder her. Die Republikaner wollen das Defizit begrenzen und werden entsprechend verhandeln.

Grafik 1 zeigt die US Schulden, die Schuldenobergrenze sowie die Einnahmen und Ausgaben der Regierung. 2011 gingen die Ausgaben kurzzeitig zurück. Grund waren automatische Ausgabenkürzungen, die wirksam wurden, weil es keine andere Einigung gab. Seit 2013 steigen die Ausgaben wie eh und je an. Vor allem 2015 wird ein Rekordjahr werden und die Ausgaben der Rezessionsjahre übertreffen. Der einzige Grund, weshalb die Schulden nicht stärker steigen, sind die noch schneller steigenden Einnahmen. Diese bewahren die Regierung vor weiteren erzwungenen Ausgabenkürzungen.

Letztlich ist es zu befürworten, wenn es zu Verhandlungen kommt und die Schuldengrenze nicht gänzlich ohne Diskussion angehoben wird. Die USA sind hochverschuldet. Mit etwas über 100% des Bruttoinlandsproduktes sind die Schulden so hoch wie zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die USA könnten den Verschuldungsgrad gemessen an der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr etwas senken, doch eine Reduktion der Schuldenlast von 103% auf 102,7% des Bruttoinlandsproduktes ist kaum ein großer Befreiungsschlag. Die Stabilität der Schuldenquote in diesem und vermutlich auch im kommenden Jahr ist auf zwei Faktoren zurückzuführen: Mehreinnahmen und niedrige Zinsen.

Die Mehreinnahmen setzen sich fort, sofern sich der Aufschwung nicht erheblich abschwächt. Viel wichtiger ist Momentan allerdings die Zinskomponente. Die Regierung muss derzeit geschätzte 1,85% der Wirtschaftsleistung an Zinsen zahlen. Dieser Wert ist der niedrigste seit 1973 (Grafik 2) und beträgt nur noch die Hälfte der Zinslast der frühen 90er Jahre.

Die extrem niedrige Zinslast erhöht gewiss nicht den Sparwillen der Politiker, dabei wäre es die einmalige Chance den Haushalt unter Kontrolle zu bekommen und Schulden abzubauen. Auf ein solches Szenario darf man sich vermutlich keine Hoffnungen machen, zumal gerade die Republikaner in einem bestimmten Bereich Mehrausgaben befürworten, obwohl sie generell eher sparen wollen.

Durch automatische Ausgabenkürzungen sind die Militärausgaben auf den niedrigsten Stand seit über einem Jahrzehnt gefallen. Hier können sich Republikaner eine Erhöhung vorstellen. Ein solcher Schritt ist ziemlich abwegig, denn die USA haben bereits die mit Abstand höchsten Ausgaben weltweit. Mit 800 Mrd. USD an Ausgaben wirkt der Posten nicht so als bräuchte er dringend Wachstum, zumal er bereits ein gutes Viertel des Gesamtbudgets beansprucht.

Ohne eine Zustimmung zur Anhebung der Schuldengrenze und einem Kompromiss in vielen Budgetbereichen kommen keine höheren Militärausgaben in Frage. Die Schuldenobergrenze könnte letztlich durch einen Kompromiss, der Mehrausgaben in vielen Bereichen beinhaltet, angehoben werden. Das muss man sich vorstellen: ein Gesetz zur Begrenzung der Schulden wird angepasst, indem man sich in einem Kompromiss darauf einigt mehr auszugeben, obwohl das Gesetz genau dieses verhindern soll. Auf eine solche Idee muss man erst einmal kommen!

Gerade die Militärausgaben sollten begrenzt werden. Das Defizit seit 1940 war bis auf die Jahre 2009 bis 2012 geringer als die Ausgaben für Rüstung. Mit anderen Worten: würden sich die USA in ihren Militärausgaben mäßigen, könnten sie systematisch Überschüsse erwirtschaften.

Seit 1940 sind die Schulden um 18 Billionen USD gestiegen. Eine Halbierung der Militärausgaben nach 1945 hätte zu einem Anstieg der Schulden um lediglich 4 Billionen geführt. Die Verschuldung läge damit bei 23% der Wirtschaftsleistung. Ganz nebenbei kostet die hohe Schuldenlast den Steuerzahler Unsummen. Seit 1940 wurden 12 Billionen USD an Zinsen gezahlt. Fast die Hälfte davon fiel im vergangenen Jahrzehnt an (es lebe der Zinseszinseffekt).

Die Politiker werden die einmalige Chance auf eine Konsolidierung wohl ungenutzt passieren lassen. Am Ende eines Kompromisses könnten sogar höhere Ausgaben in den meisten Bereichen stehen. Dadurch ist eine Fortsetzung des ewigen Budgetstreits in ein oder zwei Jahren bereits vorprogrammiert.

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14 Kommentare

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  • So wie der Adler fliegt
    So wie der Adler fliegt

    Babylon is fallen, is fallen - noch ist es nicht soweit, aber auch das steht noch aus...

    18:49 Uhr, 15.09. 2015
  • Löwe30
    Löwe30

    Dass Geld erst erarbeitet werden muss, ist den Gottspielern in den Zentralbanken und unseren tollen Mainstream Ökonomen nicht mehr zu vermitteln. Sie haben dafür einen viel zu tiefen Glauben an die Planwirtschaft und an Keynes.

    14:51 Uhr, 15.09. 2015
  • Löwe30
    Löwe30

    Planwirtschaft beim Geld führt hat wie jede Planwirtschaft in die Armut.

    Zentralbanken glauben durch Manipulation mehr Wohlstand schaffen zu können. Das hat sich als eine totale Fehleinschätzung herausgestellt.

    "Wir haben selbst auf den internationalen Handelsplätzen keine freien Märkte mehr. Die Notenbanken haben in den vergangenen fünf, sechs Jahren neues Geld im Wert von 12 Billionen Franken geschöpft und mit diesem Geld Wertpapiere gekauft. Das ist die grösste Manipulation in der Geschichte."

    http://www.handelszeitung.ch/invest/felix-zulauf-unsere-systeme-sind-erschoepft-860007

    14:33 Uhr, 15.09. 2015
  • Löwe30
    Löwe30

    Planwirtschaft beim Geld ist eine Wohlstandsvernichtungsmaschin. Marktwirtschaftliches Geld ist eine Wohlstandsmaschine.

    14:26 Uhr, 15.09. 2015
  • Löwe30
    Löwe30

    Wir haben planwirtschaftliches, sozialistisches Geld und das vergiftet die Wirtschaft und die Gesellschaft.

    14:22 Uhr, 15.09. 2015
  • Austrochris
    Austrochris

    der Euro ist zwar schlecht, aber der US Dollar ist Schrott . Die Frage ist nur bis wann der Euro aus den Schlagzeilen kommt . Kommt der US Dollar erst in den Fokus, dann geht's steil bergab und 2 Dollar für einen Euro wäre die Schlussfolgerung . Aber das kann sich die EZB nicht leisten . Die Frage ist soll man über eine kaputte Weltwährung lachen der weinen. ich sag einmal so: wer zuerst weint wird lachen oder umgekehrt .

    12:33 Uhr, 15.09. 2015
    2 Antworten anzeigen
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Interessant wird es dann, wenn man den Bogen von den im Artikel erwähnten Rüstungsausgaben zur aktuellen Flüchtlingsproblematik schlägt. Dann wird deutlich, wie geisteskrank unser Wirtschaftssystem ist: Die Flüchtlingswelle ist eine direkte Folge davon.

    11:09 Uhr, 15.09. 2015
    2 Antworten anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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