Kommentar
11:17 Uhr, 08.06.2006

Aktuelle Entwicklung an den Rentenmärkten

Nachdem die Rentenmärkte weltweit sechs Jahre in Folge mit positiven Erträgen aufwarten konnten, verhieß der Einstieg ins Jahr 2006 nichts Gutes. Erstmals seit vielen Jahren zeichnet sich ein allgemeines Wiedererstarken der Volkswirtschaften Europas, Japans sowie der USA und der übrigen Länder Asiens ab. Unter den Anlegern greifen Inflationsbefürchtungen um sich. Gleichzeitig fragt man sich, wie stark die wichtigsten Notenbanken der Welt die Zinsschraube anziehen werden, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen.

Vor diesem Hintergrund hat die US-Notenbank seit Juni 2004 kontinuierlich die Leitzinsen angehoben. Die Europäische Zentralbank (EZB) läutete die erste Zinserhöhungsrunde im vergangenen Dezember ein, während die Bank of Japan den Tagesgeldsatz wohl noch im Laufe dieses Jahres anheben wird. Wie bei einem solchen Szenario zu erwarten ist, haben die Renditen an den wichtigsten Rentenmärkten der Welt erheblich zugelegt.

In den USA wurden die Zinsen während der letzten zwei Jahre regelmäßig bei jeder geldpolitischen Sitzung der Federal Reserve angezogen; mittlerweile liegen die Zinsen hier bei 5,00 Prozent. Die Frage, die die Märkte momentan vor allem bewegt ist, wann und bei welchem Niveau der Zinserhöhungszyklus sein Ende finden wird. Der Markt preist derzeit noch eine weitere Zinserhöhung ein, die die Leitzinsen auf 5,25 Prozent bringen würde. Hier greift man unserer Auffassung nach allerdings zu niedrig.

Unsere Einschätzung beruht auf einer gründlichen Analyse der dynamischen Faktoren, die den makroökonomischen Rahmen der US-Wirtschaft bestimmen. Bisher fungierte der Immobilienmarkt als Wachstumsmotor der amerikanischen Volkswirtschaft, es deutet jedoch einiges darauf hin, dass die Dynamik dieses Marktes jetzt nachlässt. Hinzu kommt der deutliche Anstieg der Energiepreise. Für die US-Verbraucher bedeutet diese Entwicklung, dass der Gürtel enger geschnallt werden muss. Andererseits sind Unternehmensgewinne und Investitionstätigkeit weiterhin solide und die Schaffung neuer Arbeitsplätze stärkt die Position der Verbraucher. Es darf allerdings nicht vergessen werden, dass die Kerninflationsrate seit Ende 2003 stetig gestiegen ist. Angesichts der Dynamik der Weltwirtschaft und der lebhaften Nachfrage nach Rohstoffen ist ein Nachlassen der Inflationsentwicklung in der näheren Zukunft eher unwahrscheinlich.

Angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der außerordentlich positiven Wirtschaftsdaten ist damit zu rechnen, dass die Zinsen noch in diesem Jahr auf 5,50 Prozent oder sogar 5,75 Prozent ansteigen. Keith Wade, Chefvolkswirt bei Schroders, geht davon aus, dass die Fed die Zinsen bei ihren Sitzungen am 29. Juni und 8. August jeweils um 25 Basispunkte (0,25 Prozent) anheben wird. Damit läge der Tagesgeldsatz bei 5,50 Prozent.

Die Überzeugung, dass der Markt höhere US-Leitzinsen einpreisen muss, bestimmt maßgeblich unsere Prioritäten im Hinblick auf das Management unserer Anleiheportfolios.

Die Rentenmärkte der Welt orientieren sich an den USA und entsprechend ziehen auch in Europa die Zinsen an. Getrieben vom Unternehmenssektor schreitet der Aufschwung in Europa zügig voran. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich diese Dynamik auch bei Verbrauchervertrauen und Konsumentwicklung niederschlagen wird.

Die EZB befindet sich noch in einer relativ frühen Phase des Zinserhöhungszyklus. Nach Zinserhöhungen im Dezember und März liegen die Zinsen derzeit bei 2,50 Prozent. Wir erwarten, dass die Zinsen bis Ende des Jahres auf 3,25 Prozent steigen werden. Sofern die Wachstumsdynamik jedoch keine positiven Impulse für den Konsumsektor bietet, ist damit zu rechnen, dass der steigende Zinstrend auch 2007 anhalten wird.

Wahrscheinlich werden die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen bis zum Jahresende noch mindestens auf 5,50 bis 5,75 Prozent zulegen. Unserer Einschätzung nach sollten die Renditen auch in Europa steigen. Da in den USA jetzt das Ende des Zinserhöhungszyklus bevorsteht, während die EZB erst damit begonnen hat, die Zinsschraube anzuziehen, wird der US-Rentenmarkt gegen Jahresende aller Wahrscheinlichkeit nach besser als sein europäisches Pendant abschneiden.

Zudem besteht die realistische Möglichkeit, dass die Federal Reserve über das Ziel hinausschießt und die Zinsen im Bemühen, Inflation einzudämmen, zu stark anhebt. In diesem Fall müsste die Fed den Zinssatz bereits Anfang 2007 wieder erheblich zurückschrauben, was sich günstig auf Anleihen auswirken würde.

Angesichts der auf risikoreicheren Märkten (insbesondere Aktien von den Emerging Markets) beobachteten Volatilität haben wir unsere Flagschiff-Fonds entsprechend positioniert, um die verstärkte Hinwendung zu Qualitätswerten effektiv zu nutzen. Vor diesem Hintergrund hatten wir unter anderem eine Strategie umgesetzt, die durch Einbezug von Duration die Sensibilität der Fonds auf Marktbewegungen erhöht. Inzwischen sind wir jedoch der Auffassung, dass die Renditen wahrscheinlich ihren Aufwärtstrend fortsetzen werden, und nehmen daher wieder eine defensive Position ein. Das bedeutet auch eine geringere Duration.

Quelle: Schroders

Die Schroders-Gruppe ist eine führende internationale Vermögensverwaltungsgesellschaft, die 1804 gegründet wurde. Schroders verwaltet Anlagen für Pensionsfonds, Regierungsbehörden, Wohltätigkeitsorganisationen, Körperschaften, Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen weltweit und ist ein führender Verwalter von Investmentfonds. Schroders bietet Anlagen in allen wichtigen Vermögenskategorien in entwickelten Ländern und Schwellenländern an: Aktien, Schuldtitel, Geldmarktinstrumente, Beteiligungen und Immobilien. Das weltweit verwaltete Vermögen betrug zum 31. März 2005 rund 158,2 Mrd. Euro.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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