Aktienmärkte: Schwere Depression eingepreist
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Der von September bis November 2008 beobachtete scheinbar unaufhaltsame Verfall der Aktienkurse scheint jetzt ein Ende gefunden zu haben. Wenn auch die Kurse weiterhin volatil sind, so ist die Schwankungsbreite derzeit bei weitem nicht so extrem wie im letzten Herbst. Das mag ein Zeichen dafür sein, dass wir den Tiefpunkt des Zyklus erreicht haben oder bald erreichen werden. Auch die Bewertungen deuten auf eine bevorstehende Talsohle hin.
Die Aktienmärkte preisen bereits eine schwere Rezession ein. Danach sollen die Unternehmenserträge ab Februar insgesamt um 40 bis 45 Prozent fallen. Das ist ganz erheblich und ein weitaus massiverer Rückgang als in früheren Rezessionen. Andererseits sind die Gewinne in den letzten Jahren auf Höchststände geklettert und damit erhöht sich natürlich das Risiko eines überdurchschnittlichen Rückgangs. Die Gewinne könnten in dieser Rezession insgesamt sogar um 50 Prozent und die Dividenden um 30 Prozent fallen. Hauptgrund sind die beträchtlichen Dividendenkürzungen im Bankensektor.
Die Zahl der Gewinnwarnungen, die in den letzten Monaten des Jahres 2008 rapide zugenommen hatten, wird in den kommenden Monaten noch weiter steigen und alle Branchen erfassen. Vor allem die zyklischen Branchen sowie der Baustoff- und der Energiesektor müssen sich auf weitere Rückschläge gefasst machen. Einerseits kommen den Unternehmen die niedrigen Öl- und Rohstoffpreise zugute, aber anderseits bremsen die höheren Zinsbelastungen sowie die Umsatzrückgänge infolge der Rezession die Entwicklung. Mit einer Stabilisierung der Unternehmenserträge ist vor Ende 2009 nicht zu rechnen.
Seitwärtsmarkt
Tendenziell erreichen Aktienmärkte zu Beginn einer Rezession die Talsohle, und zwar mit einigem Vorlauf vor den Gewinnen. Insofern meinen wir, dass wir die Talsohle möglicherweise bereits hinter uns haben oder sie zumindest bald erreichen werden.
Im weiteren Verlauf des Jahres wird dann auch die Ertragstalsohle erreicht sein. Die Aktienmärkte dürften sich – bei hoher Volatilität – in dieser Phase überwiegend innerhalb einer breiten Trading-Range seitwärts bewegen. Das Abwärtsrisiko wird weitgehend von niedrigen Bewertungen begrenzt, während etwaige Kurschancen durch die schwierige Gewinnsituation gedeckelt werden.
In diesem Seitwärtsmarkt mag es zu regelmäßigen Bärenmarkt-Rallys kommen. Gleichwohl ist vorerst nicht mit einem nachhaltigen Aufwärtstrend (also einer Hausse) an den Aktienmärkten zu rechnen. Ein Aufschwung wird sich erst dann abzeichnen, wenn die Unternehmenserträge fast die Talsohle erreicht haben (frühestens Ende 2009).
Attraktive Dividendenrenditen
Solange noch keine nachhaltige Erholung in Sicht ist, bieten zumindest die Dividendenrenditen einen auskömmlichen Ersatz. Aufgrund des Kurssturzes bei Aktien liegen die Dividendenrenditen jetzt höher als die Zinssätze am Staatsanleihemarkt. Die Erfahrung lehrt, dass Unternehmen, die auch während Rezessionen hohe Dividenden ausschütten, dafür mit vergleichsweise erfreulichen Aktienkursen belohnt werden. Ein Drittel aller Dividenden weltweit wird von Finanzdienstleistungsunternehmen ausgeschüttet. Aber eben diese Unternehmen benötigen diese Mittel jetzt selbst, um ihre Bilanzen zu sanieren. Insofern rechnen wir hier im Schnitt mit erheblichen Dividendenkürzungen. Im defensiven Sektor wird man wohl überwiegend das gegenwärtige Dividendenniveau beibehalten können. Trotz alledem bleiben die durchschnittlichen Dividendenrenditen weiterhin attraktiv.
Defensive Sektoren mit zyklischen Akzenten bevorzugt
Wir setzen auf Unternehmen mit hohen, berechenbaren Dividendenausschüttungen, gesunden Bilanzen und hohen Cashflows. Diese Unternehmen finden sich vorzugsweise in defensiven, d. h. konjunkturunabhängigen Sektoren.
Im Hinblick auf die zyklischen Sektoren bleiben wir generell vorsichtig. So sind insbesondere Industriewerte vom Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen sowie allgemeiner Investitionszurückhaltung betroffen. Auch der Baustoffsektor reagiert äußerst empfindlich auf Rezessionen. Infolge der Kreditklemme wird der Finanzsektor für 2008 deutliche Gewinneinbrüche ausweisen. Daneben muss die Branche sich auch mit ganz „normalen“ rezessionsbedingten Wertberichtigungen durch Kreditausfälle herumschlagen. Diese Verluste wollen finanziert werden und das geschieht zum Teil über Emissionen und Dividendenkürzungen.
Wir haben die Gewichtung des IT-Sektors ausgeweitet. Zwar hat diese Branche schlechter abgeschnitten als andere zyklische Sektoren, aber sie befindet sich in einer vergleichsweise günstigen finanziellen Position. Darüber hinaus ist dieser Sektor stark an der Wall Street vertreten. Zudem dürfte der Sektor vom erwarteten Höhenflug des US-Dollar profitieren. Im Hinblick auf die Bewertung haben wir unsere Position bei Basiskonsumgütern im Januar von übergewichtet zu neutral geändert. Gleichzeitig haben wir unsere Untergewichtung bei Werten aus dem gehobenen Konsumgüterbereich von untergewichtet auf neutral angepasst.
Präferenz für US-Werte
Wir gingen mit einer Übergewichtung US-amerikanischer und japanischer Titel bei gleichzeitig starker Untergewichtung europäischer Werte und einer neutralen Position in Emerging-Markets-Titeln ins neue Jahr. Im Januar entschieden wir uns für eine neutrale Gewichtung japanischer Aktien. In diesem Zusammenhang haben wir auch unsere stark untergewichtete Position bei europäischen Werten etwas vermindert, wenn auch die Untergewichtung bestehen bleibt.
Wir geben US-amerikanischen Aktien gegenüber Werten aus anderen Regionen den Vorzug. Diese Präferenz basiert weitgehend auf der defensiven Ausrichtung des amerikanischen Aktienmarktes verbunden mit einer ausgesprochen pro-aktiven Haltung der politischen Entscheidungsträger. Außerdem hat der Unternehmensgewinnzyklus in den USA einigen Vorsprung vor dem europäischen Zyklus. Insofern ist damit zu rechnen, dass die Unternehmenserträge in den USA auch früher die Talsohle hinter sich bringen. Last but not least wird die Euro-Schwäche gegenüber dem US-Dollar wohl anhalten.
Emerging Markets
Bei den Emerging Markets setzen wir auf eine neutrale Gewichtung. Aufgrund der soliden Rahmendaten in einer wachsenden Zahl von Schwellenländern und des erwarteten strukturellen Wirtschafts- und Ertragswachstums in diesen Volkswirtschaften betrachten wir das Emerging-Markets-Universum auf mittlere Sicht als positiv. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Schwellenländern haben sich merklich ausgeweitet, daher ist eine sorgfältige Länder- und Einzeltitelauswahl jetzt wichtiger denn je.
Negativ gegenüber Immobilienaktien
Wir bleiben bei unserer negativen Haltung gegenüber Immobilienaktien. Rezessionen wirken sich verschärfend auf die Leerstandsraten und Miethöhen von Büro- und Einzelhandelsimmobilien aus. Durch die Kreditklemme ist die Finanzierung von Immobilienprojekten jetzt schwieriger und kostspieliger. Wir halten daher an der defensiven Positionierung unserer Immobilienportfolios fest und konzentrieren uns auf Unternehmen mit begrenztem Engagement in den Schwellenländern, transparenten Finanzierungsstrukturen und starken Bilanzen. Auch Unternehmen, die in ihrem Portfolio überwiegend Einkaufszentren halten, sowie Unternehmen mit hohen Dividendenrenditen gilt unser Interesse.
Quelle: ING Investment Management
ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit annähernd 375 Milliarden Euro Assets under Management, vertreten in 37 Ländern mit mehr als 3.700 Mitarbeitern, ist ING Investment Management (ING IM) weltweit auf Platz 27 im Asset Management.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.