Kommentar
09:23 Uhr, 27.02.2018

Aktien USA: Günstig und teuer zugleich - wie kann das sein?

Aktien können eigentlich nicht gleichzeitig teuer und günstig sein. Aktuell ist aber genau das der Fall. Was soll man als Anleger damit bloß anfangen?

Dem US-Aktienmarkt gelingt derzeit die Quadratur des Kreises. Die aktuelle Berichtssaison neigt sich dem Ende entgegen und dabei zeigt sich ein ungewöhnliches Bild. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) stieg trotz der Korrektur Anfang Februar auf satte 25. Das ist der höchste Wert in diesem Bullenmarkt. Und trotzdem erholen sich die Kurse wieder? Was steckt dahinter?


Aktien sind Anfang 2018 stark gestiegen. Eine Ausweitung des KGVs macht also durchaus Sinn. Dass es aber im Vergleich zum Vorquartal gleich um 7 % von 23,5 auf 25 gestiegen ist, ist bemerkenswert. Die Gewinnentwicklung scheint ja auf den ersten Blick sehr gesund zu sein und so stark sind Aktien dann auch wieder nicht gestiegen.

Der Teufel liegt im Detail. Bisher haben gut 90 % aller S&P 500 Unternehmen ihre Zahlen vorgelegt. Der Gewinn je Aktie lag bei 23,68 Dollar. Das ist deutlich weniger als im dritten Quartal. Damals lag der Gewinn noch bei 28,45 Dollar. Der Anstieg des KGVs erklärt sich also unter anderem mit einem Gewinnrückgang. Trotzdem werden die meisten Ergebnisse gefeiert. Schon lange haben nicht mehr so viele Unternehmen die Erwartungen übertroffen.

Das Rätsel lässt sich schnell erklären. Die Steuerreform hat zu einmaligen Belastungen geführt. Der ausgewiesene Gewinn erscheint dadurch außergewöhnlich niedrig. Grafik 2 zeigt den Gewinn je Aktie und den operativen Gewinn je Aktie im Vergleich.

Es macht Sinn, einen Blick auf den operativen Gewinn zu werfen. Dieser ist nicht durch die Steuerreform verzerrt. Hier zeigt sich ein substantieller Gewinnanstieg und misst man das KGV auf Basis des operativen Gewinns, ist es gar nicht mehr so hoch. Es liegt noch bei 21,42. Das ist kaum höher als im Quartal zuvor, als es bei 21,25 stand.

Ein KGV von 21,4 ist nun auch kein Schnäppchen, aber es ist schon deutlich vernünftiger als eines von 25. Es ist zudem nicht höher als in den Quartalen davor. Gemessen am operativen Gewinn sind Aktien heute so hoch bewertet wie auch schon Mitte 2016.

Günstig sind Aktien hingegen bewertet, wenn man nicht die aktuellen Gewinne betrachtet, sondern die im kommenden Jahr erwarteten. Dieses Forward P/E (P/E=Price/Earnings) liegt derzeit knapp über der Marke von 20. Günstiger waren Aktien aus dieser Perspektive betrachtet zuletzt Mitte 2014 . Trotz der Rally sind Aktien so billig wie seit Jahren nicht mehr.

Bleiben die Kurse bis Jahresende konstant, würde das Forward P/E automatisch auf 17,5 sinken. Billiger waren Aktien auch 2009 nicht zu haben.

So absurd es klingt, Aktien sind auch nach der Rally ein Kauf. Man muss freilich daran glauben, dass der Gewinn immer schön weiter so kräftig steigt wie jetzt und da können einem schon so seine Zweifel kommen. Persönlich bleibe ich daher bei meiner Einschätzung, dass der Markt langfristig gesehen ziemlich deftig bewertet ist.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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