Kommentar
16:10 Uhr, 07.10.2022

Aktien, Anleihen, bald Immobilien? Wie viel Vermögensverlust verkraftet die Wirtschaft noch?

Der aktuelle Bärenmarkt vernichtet Billionen an Vermögenswerten im Monatstakt. Wie lange geht das für die Wirtschaft noch gut?

Der ultralockeren Geldpolitik wurde immer wieder nachgesagt, dass sie der Realwirtschaft wenig Unterstützung bietet. Obwohl die Zinsen sehr niedrig waren, wurde nicht mehr investiert und auch nicht mehr konsumiert. Das einzige, was Niedrigzinsen bewirkten, war eine Aufwertung des Finanzvermögens in Form von Aktien und Anleihen sowie den Sachwerten Immobilien.

Nun, da die Zinspolitik eine Kehrtwende vollzieht, sorgen sich alle, dass der Vermögensverlust auf den Konsum und damit auf die Wirtschaft überschwappt. Als die Vermögenswerte stiegen, wurde die Wirtschaft wenig angekurbelt. Obwohl Haushalte reicher waren, wurde nicht mehr konsumiert.

Ob der Umkehrschluss auch gilt, bleibt abzuwarten. Verluste haben emotional mehr Gewicht als Gewinne. Ein Vermögensverlust könnte den Konsum merklich dämpfen, während Vermögensgewinne den Konsum kaum ankurbeln. Ob es so kommt, wissen wir bald, denn Vermögen löst sich in Windeseile in Luft auf.

Der US-Aktienmarkt war noch vor kurzem mehr als doppelt so viel wert wie die Wirtschaftsleistung. Inzwischen ist der Marktwert von Aktien auf 142 % der Wirtschaftsleistung eingebrochen. Ungewöhnlich ist der starke Drawdown bei Anleihen. Für gewöhnlich bieten Anleihen in schwierigen Zeiten Schutz. Noch nie war dies weniger der Fall als jetzt (Grafik 1).

Bisher bleiben nur Immobilienwerte konstant. Der Preisauftrieb schwächt sich gerade jedoch schnell ab. In einigen Regionen gehen die Preise bereits zurück. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die USA insgesamt einen Rückgang der Immobilienpreise ausweisen und auch dieser Markt zum Vermögensverlust beiträgt.

In Dollarwerten ist der aktuelle Bärenmarkt bereits der mit Abstand größte. Allein der Aktien- und Anleihemarkt haben fast 20 Billionen Dollar an Wert verloren (Grafik 2). Zusammen mit Immobilien, die eine positive Entwicklung zeigen, schrumpfte das Gesamtvermögen bisher um 15 Billionen Dollar.


Dieser Rückgang entspricht 60 % der Wirtschaftsleistung. Damit zieht der Vermögensverlust zum bisher schlimmsten Bärenmarkt 2008/09 fast gleich (Grafik 3). Eine minimale weitere Korrektur des Aktien- oder Anleihemarktes würde den Bärenmarkt zum schlimmsten aufsteigen lassen.

Verliert ein Land innerhalb von drei Quartalen fast zwei Drittel der Wirtschaftsleistung an Vermögen, fragt man sich schon, ob das an der Wirtschaft spurlos vorübergehen kann. Zu allem Überfluss entwertet hohe Inflation das noch bestehende Finanzvermögen schnell.

Vermögensverlust wirkt nicht nur auf Haushalte und deren Konsum. Vermögenswerte dienen als Sicherheit für Kredite und bei Aktien bestimmt die Bewertung die Kapitalkosten mit.

Ein schneller Wertverlust kann zu Margin Calls und Problemen bei der Refinanzierung von Schulden führen. Korrekturen bekommen dadurch ein Eigenleben. Ist ein bestimmter Punkt überschritten, wird Liquidation erzwungen, was den Verlust noch vergrößert.

Seit Monaten warten alle darauf, dass so etwas geschieht. Bisher blieb der Beginn eines solchen Teufelskreises in den USA aus. Geht der Vermögensverlust jedoch so weiter wie bisher, ist es nur eine Frage der Zeit, bis etwas in der Wirtschaft und dem Finanzsystem kaputtgeht.

Clemens Schmale

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3 Kommentare

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  • Marc1
    Marc1

    These:
    Also haben wir gar keine Inflation, sondern eine Deflation. Für mich die einzige Erklärung, dass alle Assets im Preis fallen. Die steigenden Konsumentenpreise sind allein auf die Energiekrise zurückzuführen. Fallen die Energiepreise oder bleiben sie gleich, wir die Deflation sichtbar.

    14:48 Uhr, 08.10.2022
  • Hecke1234
    Hecke1234

    Wo ist denn das ganze Geld hin? Institutionelle, die alles abgezogen haben?

    20:05 Uhr, 07.10.2022
  • retniw
    retniw

    Hallo Herr Schmale, guter Beitrag.

    Eine Frage: wenn alles den Bach runter geht, wie soll man sein Vermögen sichern?

    Gold, Rohstoffe, Silber, ....?

    17:59 Uhr, 07.10.2022

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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