Kommentar
07:43 Uhr, 12.05.2017

Achtung: Dieses Signal führt zu Rezession!

Gestern ist etwas ganz Außergewöhnliches geschehen. In China sanken die langfristigen Zinsen unter die kurzfristigen. Im Normalfall bedeutet diese Inversion der Zinskurve Rezession.

Vor invertierten Zinskurven (langfristige Zinsen sind niedriger als kurz- bis mittelfristige) haben Anleger, Ökonomen und Politiker Angst. Die Angst kommt nicht von ungefähr. Bisher ging jeder Rezession eine Inversion der Zinskurve voraus. Grafik 1 zeigt dazu die lange Historie für die USA. Dargestellt sind zwei häufig verwendete Kombination: einmal die zehnjährigen minus den zweijährigen und einmal die zehnjährigen minus den fünfjährigen Zinsen.

Beide Varianten verlaufen parallel. Beide invertieren, wenn sich eine Rezession andeutet. Es gab in den letzten 55 Jahren keine Rezession in den USA ohne eine negative Zinsdifferenz in den Monaten - manchmal Jahren - davor. Der Umkehrschluss gilt hierbei jedoch nicht. Einer negativen Zinsdifferenz folgte nicht immer eine Rezession. Das war zum Beispiel Mitte der 90er Jahre der Fall. Eine der Zinsdifferenzen invertierte kurzfristig. Die Wirtschaft lief jedoch weiter.

Generell ist die Zinsdifferenz zwischen 10- und 2-jährigen Anleihen etwas zuverlässiger, was die Prognosekraft anbelangt. Mitte der 90er Jahre blieb diese Zinsdifferenz noch positiv. Das gibt auch etwas Hoffnung für China. Hier kam es intraday zu einer negativen Zinsdifferenz zwischen den 10- und 5-jährigen Anleihen. Grafik 2 zeigt den Verlauf seit 2006.

Seit 2006 gab es immer wieder Zeiten, in denen die Zinsdifferenz sehr nahe bei null lag. Die Differenz zwischen 10- und 2-jährigen hilt sich konsequent darüber auf. In den letzten Wochen fielen beide Zinsdifferenzen wie ein Stein. Das ist man eigentlich nur in äußersten Stresssituationen gewöhnt. Es fehlt nicht mehr viel und beide sind Differenzen sind negativ.

Für China gibt es praktisch keine Erfahrungswerte. Die Zinskurve war - solange es Daten gibt - noch nie invertiert bzw. noch nie für längere Zeit invertiert. Keiner weiß, ob die Gesetze der Ökonomie, die bei uns gelten, auch in China gelten. Wirtschaftswachstum wird ja traditionell eher verordnet...

Einige Analysten schieben den aktuellen Umstand auf die Geldpolitik. Die Notenbank erhöht die kurzfristigen Zinsen, insbesondere die Refinanzierungssätze für Banken, um das Schattenbankensystem zu bändigen. Dadurch - so wird vermutet - kommt es zu Liquiditätsengpässen. Um Liquidität zu beschaffen, werden Anleihen verkauft - in diesem Fall Anleihen mit einer Laufzeit von 5 Jahren.

Persönlich halte ich diese Erklärung für etwas an den Haaren herbeigezogen. Wenn an sich Liquidität aus Anleiheverkäufen beschaffen will, dann gilt: je kürzer die Restlaufzeiten der Anleihen sind, desto besser. Kurzfristzinsen sind sehr viel weniger volatil als Langfristzinsen. Entsprechend schwanken die Kurse der Anleihen auch kurzfristig weniger stark als die von langfristigen Anleihen. Um Kursverluste bei den Verkäufen möglichst gering zu halten, greift man eigentlich zuerst zu kurzfristigen Anleihen.

Ich will nicht ausschließen, dass es sich bei der negativen Zinsdifferenz, die wir heute kurz gesehen haben, um eine Anomalie handelt, die indirekt von der Notenbank verursacht wurde. Das ist aber am Ende des Tages auch nicht relevant. Aus welchen Gründen auch immer die kurzfristigen Zinsen höher sind: es ist kein gutes Omen. Der Markt geht davon aus, dass sich mittelfristig die Aussichten eintrüben. Nur dann macht eine Inversion der Zinskurve Sinn.

Aus China kamen zuletzt deutliche Anzeichen einer Konjunkturabkühlung. Ob nun gleich ein Wachstumseinbruch folgt, sei dahingestellt. Besser wird es vorerst nicht. Die chinesische Führung wird aber, wenn es hart auf hart kommt, die Wirtschaft nicht abwürgen. Das kann sie sich nicht leisten. Insofern kann man noch Ruhe bewahren, insbesondere solange die westlichen Märkte diesen Umstand ignorieren.

Clemens Schmale

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5 Kommentare

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  • dschungelgold
    dschungelgold

    hahaha"die Gesetze der Oekonomie, die bei uns gelten", DER war echt gut. GALTEN, lieber Herr Schmale, GALTEN. Markt? .....ja, da war mal was.

    09:51 Uhr, 12.05. 2017
  • nordlicht39
    nordlicht39

    ..sehr gut erklärt.

    09:48 Uhr, 12.05. 2017
  • watuffli
    watuffli

    Sehe ich auch so:

    Auszug aus Wirtschaftlexikon: "Sind kurz- und langfristige Zinsniveaus identisch, so ist die Zinsstrukturkurve flach. Liegen die kurzfristigen Zinssätze unterhalb (oberhalb) der Niveaus der langfristigen Zinsen, so ist die Zinsstrukturkurve normal (in-vers) geneigt."

    http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/zinskurve/zi...

    09:35 Uhr, 12.05. 2017
  • Solna
    Solna

    "Vor invertierten Zinskurven (langfristige Zinsen sind höher als kurz- bis mittelfristige)"....Das muss doch umgekehrt sein?

    09:18 Uhr, 12.05. 2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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