2006 in der Kristallkugel
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Wieder einmal ist es an der Zeit, die Kristallkugeln abzustauben und Prognosen abzugeben. "Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen" – frei nach Nils Bohr –, und es ist immer weise, dies zu berücksichtigen.
Zum Jahresbeginn 2005 wären wir mit einem hohen einstelligen Ertrag der europäischen Aktienmärkte vollkommen zufrieden gewesen. Als dieses Schriftstück verfasst wurde, hatten die wichtigsten Märkte allerdings bereits über 20% zugelegt und erscheinen noch immer nicht zu teuer!
Aber abgesehen von der Gefahr unzutreffender Prognosen: was sehen wir für 2006?
2006
Wenn wir heute die USA betrachten, so gehen wir davon aus, dass wir uns irgendwo zwischen Erholung und Expansion befinden, das heißt die Wirtschaft wächst nach wie vor über dem Trend (wenn auch 2006 weniger stark als noch 2005 und 2004). Historisch betrachtet, stellt dies ein günstiges Umfeld für Aktien dar und wir erwarten, dass Aktien im Jahr 2006 die Anleihen noch immer schlagen werden.
Erst in 2006 werden sich die gestiegenen Energiekosten und die Verschärfung der Geldpolitik durch die US-Notenbank Fed voll auf die Konjunktur auswirken. Wir erwarten daher ein abgeschwächtes Wachstum, das allerdings in den USA noch immer zwischen 3% und 3,5% liegen dürfte. In Japan dürfte sich die Erholung fortsetzen. Euroland könnte ein bescheidenes Wachstum von etwa 1,6% erreichen - wenn die EZB dieses Wachstum nicht stoppt, bevor es an Dynamik gewinnt. Großbritannien dürfte weiterhin mit der schwachen Konsumnachfrage und der nachlassenden Dynamik aufgrund der Staatsausgaben zu kämpfen haben. Dennoch scheint ein jährliches Wachstum von etwa 1,7% realistisch.
In diesem Umfeld dürften die US-Leitzinsen auf 4,5% bis 5% steigen und Japan sich frühestens Mitte 2006 von seiner Nullzins-Politik (ZIRP) verabschieden. In Euroland dürften die Zinsen angemessen stabil bleiben, wobei Großbritannien eine Sonderrolle spielen könnte. In diesem Markt sollten die Zinsen fallen. Diese Zinsentwicklung unterstützt die Argumente für eine weitere Abschwächung des britischen Pfunds und für eine im Jahresverlauf 2006 einsetzende Yen-Rallye, wenn die Carry-Trades zwischen Japan und den USA ihren Höhepunkt erreichen. Auf seinem derzeitigen Niveau ist der Yen fundamental unterbewertet.
Dagegen dürften die Aktienmärkte in vielen Fällen kräftig von der Dividendenrendite profitierend weiter zulegen. Der US-Aktienmarkt, der unter der Last der steigenden Zinsen 2005 hinter den meisten anderen Märkten zurück geblieben war, könnte durchaus vorankommen, wenn die Marktteilnehmer erst einmal davon überzeugt sind, dass der US-Zinserhöhungszyklus ausläuft. Sowohl Europa als auch Japan dürften weiter nach oben laufen, obwohl sie kaum die Erträge des Jahres 2005 erreichen werden (über 20% in Europa und über 30% in Japan).
Bei Renten sind die Aussichten ziemlich negativ. Der Rentenmarkt dürfte kaum zulegen, solange der Zinserhöhungszyklus in den USA nicht ausläuft. Die Renditestrukturkurven dürften sich daher weiter abflachen und der Kupon könnte die einzige Ertragsquelle darstellen. Auch die Märkte für Unternehmensanleihen könnten unter Druck geraten. Die Bedingungen für diese Anlageklasse waren bisher außerordentlich günstig. Diese Fundamentaldaten dürften sich 2006 allmählich verschlechtern, wenn die Unternehmen ihre Bilanzen nicht weiter sanieren, sondern investieren und Geld ausgeben. Die Ausfallquoten dürften 2006 und in das Jahr 2007 hinein ebenfalls steigen.
Auswirkungen auf Pensionsfonds
Für Pensionsfonds ist dieses Umfeld äußerst günstig. Nach dem Alptraum sinkender Renditen bei Anleihen (verbunden mit steigenden Verbindlichkeiten) und gleichzeitig nachgebender Aktienmärkte (verbunden mit sinkenden Vermögenswerten) könnte 2006 zu einem Jahr werden, in dem Pensionsfonds die entgegen gesetzte Erfahrung machen: steigende Aktienmärkte und pausierende Rentenmärkte. Sollte dies eintreffen, dürften sich die Deckungsquoten der Pensionsfonds verbessern - zur großen Erleichterung der Finanzvorstände, die die Auswirkungen der IFRS-Bilanzierungsstandards auf ihre Gewinn- und Verlustrechnungen zu berücksichtigen haben.
Zu schön, um wahr zu sein?
Das Problem dabei ist nur - das klingt beinahe zu gut, um wahr zu sein. Und es gibt eine Erfahrung, die mich über dreißig Jahre in diesem Geschäft gelehrt hat - wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, dann ist es auch meist zu gut und ist nicht wahr. Abgesehen von unbedeutenden Nuancen deckt sich unsere Ansicht mit der Meinung des Marktes, und auch dies ist nicht unbedingt eine angenehme Position.
Welches sind also die Risiken und Alternativen? Eine Möglichkeit wäre, dass wir die Widerstandskraft der US-Konjunktur überschätzt haben. Schließlich gab es in diesem Jahr:
· acht US-Zinserhöhungen um insgesamt 200 Basispunkte, weitere dürften folgen;
· kein abnehmendes, sondern ein zunehmendes US-Haushaltsdefizit;
· einen steigenden statt einen fallenden Dollar;
· die Benzinpreiserhöhungen, die einer Steuererhöhung von effektiv 1% entsprechen;
· und Katrina.
Alle diese Ereignisse sprechen gegen Wachstum. Stimmt die Annahme, dass die US-Konjunktur davon unbeeindruckt weiter "mit Volldampf voraus" fährt? Wir wissen, dass sich die Sparquote nach Katrina kurzzeitig negativ entwickelte, was sicherlich auf kurze Sicht schwache Konsumausgaben erwarten lässt. Werden die Investitionsausgaben ansteigen und diese Flaute ausgleichen?
Besteht bei einem Leistungsbilanzdefizit von 6,5% des BIP die Möglichkeit einer Dollar-Krise? Darüber wird seit einiger Zeit viel diskutiert. Für uns ist nicht unbedingt die Größe des Defizits in Prozent des BIP ein Kriterium, oder das Ausmaß der Verschuldung gegenüber dem Ausland in Bezug auf das BIP, sondern allein die Größe des Defizits in US-Dollar. Im Wesentlichen saugen die USA die Sparüberschüsse aller Länder der Welt auf. Das kann durchaus in Ordnung sein, wenn sie sonst niemand benötigt. Der Dollar dürfte aber dann vor seiner Bewährungsprobe stehen, wenn andere Länder ihren Anteil an den Ersparnissen der Welt beanspruchen und sich die USA dem Wettbewerb stellen müssen. Es gibt einen weiteren Grund, der dafür spricht, dass die asiatischen Währungen das größte Aufwertungspotenzial gegenüber dem USD aufweisen. Das Wachstum in Euroland und in Großbritannien ist einfach zu mager und die Zinsentwicklung in Großbritannien lässt nicht erkennen, dass die europäischen Währungen gegenüber dem Dollar viel an Dynamik gewinnen werden. In Asien könnten dagegen das stärkere Wachstum, die fundamental unterbewerteten Währungen (Japan und China) und die Zinsentwicklungen (Japan) im Jahresverlauf 2006 durchaus die Währungs-Rallyes unterstützen.
Schließlich gibt es natürlich noch das allgegenwärtige Potenzial von Versorgungsproblemen aufgrund von politischen Ereignissen in einer nach wie vor äußerst instabilen Welt.
Aber alle diese Befürchtungen sind vorerst nur Befürchtungen. Derzeit sind keine spezifischen Wolken am Himmel erkennbar, und wir gehen mit dem Optimismus in das Jahr 2006, dass wir ein weiteres Jahr bemerkenswerter Investment-Erträge genießen werden. Daher wünschen wir Ihnen und Ihren Angehörigen ein sicheres und erfolgreiches Neues Jahr!
Quelle: Schroders
Die Schroders-Gruppe ist eine führende internationale Vermögensverwaltungsgesellschaft, die 1804 gegründet wurde. Schroders verwaltet Anlagen für Pensionsfonds, Regierungsbehörden, Wohltätigkeitsorganisationen, Körperschaften, Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen weltweit und ist ein führender Verwalter von Investmentfonds. Schroders bietet Anlagen in allen wichtigen Vermögenskategorien in entwickelten Ländern und Schwellenländern an: Aktien, Schuldtitel, Geldmarktinstrumente, Beteiligungen und Immobilien. Das weltweit verwaltete Vermögen betrug zum 31. März 2005 rund 158,2 Mrd. Euro.
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