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09:58 Uhr, 05.02.2002

2002: Ein Jahr der Freude oder Tränen ?

"Wir sehen zunehmende Anzeichen, daß die Wirtschaft sich erholen kann", meinte der Vermögensverwalter Michelle Clayman von den New Amsterdam Partners. "Die Wirtschaft könnte im November den Boden gefunden haben. Viele Q4-Ergebnisse sind sehr schwach, aber die Ausblicke werden immer positiver. Das gibt den Aktien Auftrieb."


Der CEO von Goldman Sachs, Henry Paulson, ist der Meinung, dass sich die US-Wirtschaftslage dieses Jahr bessern werde, aber die Geschwindigkeit der Erholung und des Wachstums langsam sein werde.

Er sei vorsichtig optimistisch, dass man eine Wende der Wirtschaftslage sehen werde. Er bezeichnete weiterhin das Jahr 2002 als eine Übergangsphase.

Über den Enron Zusammenbruch sagte er, dass er das Geschäftsvertrauen im allgemeinen und das Vertrauen in Bilanzen im speziellen geschwächt habe.


Bill Gates, Mitbegründer der größten Softwareschmiede der Welt, sieht in diesem Jahr keine Erholung der globalen Wirtschaft. Durch die Kürzungen der Investitionsbudgets der Unternehmen und durch überschüssige Lagerbestände wird sich die Wirtschaft in diesem Jahr seitwärts bewegen, so die Vermutung von Gates, Chairman von Microsoft.

"Ich sehe keinen großen Anstieg in diesem Jahr. Japan wird es nicht sein, und die USA werden es nicht sein," so Gates am Sonntag auf dem World Economic Forum in New York.

"Europa könnte ein wenig positiver erscheinen."

Die Stellungnahme von Gates steht zur Zeit im starken Gegensatz zu den positiven Kommentaren vieler Analysten in der vergangenen Woche, die durch die Wirtschaftsdaten aus den USA und Euroland motiviert wurden.

Rick Belluzzo, Präsident und COO von Microsoft, betonte in seiner Rede dass Gates in seiner Rede zur gesamten Wirtschaft Stellung beziehe, nicht nur zum Technologie-Sektor.

Belluzzo distanziert die Entwicklung im eigenen Unternehmen von dem in der Wirtschaft: "Wir werden eine Menge Wachstum sehen." Dieses Wachstum soll laut dem COO besonders durch die Markteinführung von Windows XP und der Spielekonsole XBox angetrieben werden.


Die lange erwartete Konjunkturerholung hat begonnen, sie wird allerdings sehr langsam voranschreiten. So die Einschätzung des leitenden Volkswirtes für globale Entwicklungen bei Lehman Brothers.

"Die erste Nachricht ist, dass die Erholung durch die fiskalistischen und monetaristischen Maßnahmen und verstärkend durch die niedrigen Ölpreise begonnen hat. Die zweite Nachricht ist aber, dass die Erholung moderat ablaufen wird," so Llewellyn auf der globalen Wirtschaftskonferenz von Lehman Brothers in Singapur.

Später teilte er der britischen Nachrichtenagentur Reuters mit, dass die Ausgaben der Unternehmen vermutlich erst im Jahr 2004 zu einer Erholung antreten werden, und die Auslastung der Kapazität sei in den Vereinigten Staaten bei nur 76 Prozent. Lehman Brothers erwartet eine Erholung der globalen Wirtschaft um 1.2 Prozent in diesem Jahr, Asien (ohne Japan) wird um 4.9 Prozent wachsen können. Die angeschlagene japanische Wirtschaft wird dahingegen um ein Prozent schrumpfen, so die Prognose von Lehman Brothers. Das BIP in den USA wird um 0.8 Prozent wachsen können.

Llewellyn betrachtet die Risiken für eine Abweichung der tatsächlichen Daten von diesen Prognosen als gering. So könnte eine Verschlechterung der Lage im Mittleren Osten dazu beitragen, dass der Ölpreis wieder ansteigt, was dem weltweiten Wirtschaftswachstum schaden würde. Das steigende Vertrauen der Verbraucher und Unternehmen in die Wirtschaft würde dahingegen unterstützend wirken.


Die US-Wirtschaft wird in diesem Jahr in schneller Geschwindigkeit eine Erholung antreten, aber langsameres Wachstum in Europa und die konjunkturelle Kontraktion in Japan wird die US-Wirtschaft "torpedieren," so C. Fred Bergsten, Direktor des Institute for International Economics.

Das Ungleichgewicht zwischen den drei größten Wirtschaftsmächten der Welt könnte zu einer Ausweitung des Handelsdefizits in den USA führen, so Bergsten. Diese Ausweitung könnte den Druck auf die US-Wirtschaft erhöhen.

"Innerhalb eines Jahres könnten wir von drei Seiten Druck auf den Dollar erhalten, von den steigenden Leitzinsen und den fallenden Aktienkursen," so Bergsten. "Das Handelsdefizit und der wahrscheinliche Rückgang des Dollar-Kurses sind die größten Risiken für die US- und Weltwirtschaft."


Die Börsenentwicklung im Januar ist - historisch betrachtet - sehr wichtig für die Entwicklung des restlichen Jahres. Doch trotz des Kursverlustes auf Monatsbasis im Januar des S&P 500 verteidigen die Volkswirte ihre Prognosen eines positiven Jahr 2002.

Seit 1950 schloss der S&P 500 38 Jahre im Plus und 14 im Minus. 11 der verlustreichen Jahre zeigten eine negative Schlussnotierung des S&P 500 im Januar. Wenn der Januar im positiven Bereich schloss, so war das Jahr bis auf drei Ausnahmen ebenfalls positiv für die Aktienmärkte.

"Ich werde meine Prognosen nicht wegen der Aktivitäten im Januar verändern," so Charles Blood von Brown Brothers Harriman. "Unsere Erwartung ist, dass der Markt ein paar gute Quartale vor sich hat. Es gibt eine außergewöhnlich leicht monetaristische Politik zur Zeit und eine Wirtschaft, die gerade zur Erholung ansetzt."


JP Morgan`s Chefstratege Doug Cliggott antizipiert nun keine klassische Earnings Erholung mehr für 2002, sondern erwartet nun sogar höhere Gewinne in der ersten Jahreshälfte 2002 als in der zweiten. Die ausserordentliche Stärke in den Bereichen Immobilien und Konsumentenausgaben für langlebige Güter Ende 2001 reduziere die Fähigkeit wie auch das Bedürfnis (der Konsumenten), wodurch diese beiden wichtigen Segmente das Wachstum nicht weiter beschleunigen dürften.

Seiner Meinung nach werde die Auffüllung der Läger die einzige treibende Kraft für eine zyklische Erholung sein, die Unternehmens-Investitionen in Equipment und Software könnten weiter rückläufig sein.

Der Rückgang der öffentlichen Ausgaben auf staatlicher wie auch auf lokaler Ebene dürfte ausserdem die positiven Effekte eines Stimulierungspaketes der Regierung neutralisieren. Das Kursziel für den S&P 500 Index bleibt mit 950 Punkten unverändert, was vom jetzigen Stand aus somit einem Abwärtspotenzial bis Jahresende von ca. 15

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