16.30 Uhr : Powells Multimedia-Anklage gegen Irak
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Bericht aus dem Spiegel Magazin
Was sagt Colin Powell? Rund 90 Minuten wird am Nachmittag der entscheidende Auftritt des US-Außenministers vor dem Sicherheitsrat dauern. Die Beweise, die er der Welt vorlegen will, sollen einen Krieg gegen den Irak rechtfertigen. Die EU versucht mit einem Appell an Bagdad den Feldzug in letzter Minute zu verhindern.
90-Minuten-Vortrag: Colin Powell
New York/ Brüssel - Unmittelbar vor Powells Rede im Uno-Sicherheitsrat appellierte die Europäische Union eindringlich an Bagdad, umfassend abzurüsten. "Die Zeit läuft ab", hieß es in einem EU-Schreiben, das den irakischen Vertretungen in Brüssel, Athen und New York übermittelt wurde. Die Uno-Resolution 1441 sei für den Irak "die letzte Chance, friedlich abzurüsten". Sollte die Regierung in Bagdad diese Gelegenheit nicht nutzen, "wird sie die Verantwortung für alle Konsequenzen tragen".
Das von der amtierende griechischen EU-Ratspräsidentschaft in Brüssel veröffentlichte Schreiben wurde auch von den 13 EU-Beitrittsländern unterstützt. Der Irak müsse sich von sämtlichen Massenvernichtungswaffen trennen und die Arbeit der Uno-Inspekteure unterstützen, hieß es in der Erklärung weiter.
Optimistisch äußerte sich Joschka Fischer. Er sehe "gute Chancen", die Ziele der Uno-Resolution 1441 ohne den Einsatz von Gewalt umzusetzen. Deutschland werde sich nicht an einem Krieg beteiligen. "Wenn wir die Risiken einer Militäraktion bedenken, nicht nur die humanitären Folgen für unschuldige Menschen, sondern auch die Frage der regionalen Destabilisierung und die langfristigen Folgen auch für die Koalition gegen den Terror, dann muss man sehr sorgfältig abwägen", sagte Fischer dem ZDF in New York und fügte hinzu: "Ich unterstelle, das werden alle tun."
Strittige Verbindungen zwischen Bagdad und al-Qaida
Deutschland hat am vergangenen Samstag den Vorsitz im Sicherheitsrat übernommen. Fischer wird die Sitzung des Weltsicherheitsrates leiten, die um 16.30 Uhr (MEZ) beginnt. Der auf rund 90 Minuten angesetzte Auftritt Powells wurde mit Spannung erwartet. CIA-Direktor George Tenet und dessen Stellvertreter John McLaughlin werden den US-Außenminister begleiten. Powell wollte unter anderem Satellitenaufnahmen von mobilen Anlagen zur Herstellung biologischer Waffen vorlegen. Powells Auftritt dürfte zu einer großen Multimedia-Show werden. US-Beamte wollen zwei große und zwei kleiner Bildschirme aufbauen, damit die Mitglieder des Sicherheitsrates auch nichts von der Präsentation verpassen.
Erwartet werden außerdem Abschriften oder Mitschnitte abgehörter Gespräche, in denen es um irakische Waffenprogramme gehe. Schließlich hat Powell angekündigt, Beweise für Verbindungen Iraks zum Terrornetzwerk al-Qaida von Osama Bin Laden zu präsentieren. Das soll aber nur wenig Raum einnehmen.
Der britische Geheimdienst bezweifelt nach Informationen des Rundfunksenders BBC, dass der irakische Staatschef Saddam Hussein zurzeit direkte Kontakte zur al-Qaida unterhält. Die BBC berief sich auf ein geheimes Dokument des Verteidigungsministeriums. Es enthalte die klare Aussage, gegenwärtig bestünden keine Verbindungen zwischen dem Irak und al-Qaida. Es habe solche Kontakte zwar in der Vergangenheit gegeben, sie seien jedoch an gegenseitigem Misstrauen und ideologischen Differenzen gescheitert.
Der britische Außenminister Jack Straw reagierte verstimmt auf den BBC-Bericht. Großbritannien kenne nicht das Ausmaß der Verbindungen zwischen Saddam Hussein und al-Qaida. Dennoch wollte er solche Kontakte nicht ausschließen: "Das irakische Regime scheint ein tolerantes Umfeld zuzulassen, in dem al-Qaida operieren kann."
Über das neue Geheimdienstpapier berichtete in der BBC der Verteidigungsexperte des Senders, Andrew Gilligan. Dieser berief sich auf ein vor drei Wochen von einem Stab des militärischen Nachrichtendienstes verfasstes Papier, das als "streng geheim" eingestuft und Premierminister Tony Blair vorgelegt worden sei. Laut Gilligan herrscht in Kreisen der britischen Geheimdienste "wachsende Unruhe" darüber, dass ihre Arbeit "politisiert" werde, um so eine Rechtfertigung für einen Krieg gegen den Irak zu schaffen.
Zum Schluss redet Iraks Uno-Botschafter
Rund zwei Drittel der 15 Sicherheitsratsmitglieder stehen dem Kurs der USA im Irak-Konflikt skeptisch gegenüber. Elf befürworteten vergangene Woche eine Fortsetzung der Uno-Inspektionen, darunter Frankreich, Russland und China, die als ständige Mitglieder des Gremiums ein Veto-Recht haben.
Nach Powells Präsentation sollten die Vertreter der 14 anderen Staaten im Sicherheitsrat sprechen. Der deutsche Uno-Botschafter Gunter Pleuger, derzeit Präsident des Sicherheitsrates, setzte die Redezeit auf jeweils sechs bis acht Minuten an. Zum Abschluss wollte der irakische Uno-Botschafter Mohammed al-Duri reden.
Bagdad weist erneut alle Vorwürfe zurück
Der Irak wies unterdessen die Vorwürfe der USA noch einmal zurück. Sein Land tue alles, um die Arbeit der Uno-Waffeninspekteure zu erleichtern, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Tarik Asis der französischen Zeitung "Le Figaro". Powell "wird nicht beweisen können, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besitzt".
"Wir sind bereit, den Inspekteuren alles zu erklären", versicherte Asis. Zugleich wehrte er sich gegen Anschuldigungen über Verbindungen Bagdads zum Terrornetz al-Qaida: "Unser laizistisches Regime hat Islamismus und Fundamentalismus stets bekämpft." Bagdad stelle sogar der offiziell als Rebellen angesehenen Kurdenpartei von Dschalal Talabani Waffen in ihrem Kampf gegen die "islamistische Miliz" Ansar al-Islami zur Verfügung.
Die USA benutzten den Vorwurf der Existenz von Massenvernichtungswaffen als Vorwand, "um den Irak zu einer anglo-amerikanischen Kolonie zu machen". Sie wollten die Kontrolle über die Erdölvorkommen im Irak. "Wir haben die Amerikaner nie als unsere Feinde betrachtet", versicherte Asis. "Wir hoffen aus ganzen Herzen, den Krieg vermeiden zu können, denn wir wissen, dass er furchtbar für uns wird."
Spekulationen über ein Exil Saddam Husseins wies er als "lächerlich" zurück: "Wir sind im Irak geboren, wir sterben im Irak", sagte Asis.
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