Seasonal Charts - Reinfall oder Goldgrube (Teil 2)
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Erwähnte Instrumente
Bereits gestern haben wir uns mit Saisonalitäten im Deutschen Aktienindex beschäftigt und als sehr kurzfristig agierender Trader komme ich natürlich nicht umhin, mir das Ganze auch einmal im Intradaychart anzuschauen. Erst recht dann nicht, wenn wir auf Tagesebene ein so solides Ergebnis erzielen konnten. Da ich selbst sehr gerne in den sehr kurzen Zeitrahmen unterwegs bin, schwebte mir zuerst ein Ansatz auf Minutenbasis vor. Für meine begrenzten Programmierfähigkeiten war mir der Aufwand jedoch zu groß und so entschied ich mich für den 15-Minutenchart.
Auf Basis dessen wurde ein Seasonal-Chart entwickelt. Rückwirkend wurde die prozentuale Veränderung der jeweiligen 15-Minutenkerze gegenüber dem Tageseröffnungskurs ermittelt. Die jeweiligen Ergebnisse wurden Tag für Tag aufsummiert. Auf eine Durchschnittsbildung wurde verzichtet. Vor diesem Hintergrund können die Prozentangaben nicht verwertet werden, aber es kam mir vor allem auf den grundlegenden Verlauf des Seasonal-Intraday-Charts an. Für die gesamte im DAX zur Verfügung stehende Kurshistorie konnte so der in Abbildung 1 dargestellte Seasonal-Chart ermittelt werden.
Chart wurde mit Tradesignal erstellt
Insgesamt zeigt sich im DAX über den Tag hin eine fallende Tendenz, wobei der erste Bewegungsschub von der Eröffnung bis kurz vor 11 Uhr anhält. Anschließend gibt es eine ausgedehntere Konsolidierungsphase ohne klaren Trend, bevor am Nachmittag ab ca. 15 Uhr der ursprüngliche Tagesabwärtstrend wieder aufgenommen wird – so zumindest die Kernaussage des aktuellen Seasonals.
Ausgehend von diesem wären die Handelsanweisungen klar. Der aufmerksame Leser beider Artikel wird an dieser Stelle jedoch ins Grübeln geraten. Wie passt ein Intraday klar bärisch verlaufender Seasonal-Chart zu einem auf Monatsebene klar bullisch tendierenden?
Die Antwort darauf zeigt gleichzeitig auch eine der großen Schwierigkeiten innerhalb von Seasonal-Charts auf. Seasonal Charts sind ein relativ statisches System, dem ein dynamisches Marktverhalten gegenübersteht. Dies wird beim Blick auf Abbildung 2 mehr als deutlich.
Chart wurde mit Tradesignal erstellt, Tradesignal® ist eine eingetragene Marke der Tradesignal GmbH. Nicht autorisierte Nutzung oder Missbrauch ist ausdrücklich verboten.
In dieser sind einzelne Tagesabläufe nicht mehr zu erkennen, aber darum geht es gar nicht. Abbildung 2 zeigt, wie sich der in Abbildung 1 ermittelte aktuelle Seasonal-Chart im Zeitablauf zusammensetzt, je nachdem, wie viele Tage für die Ermittlung des Charts berücksichtigt wurden. Unschwer zu erkennen ist, dass es im Zeitablauf Veränderungen sowohl bei der grundlegenden Trendaussage als auch bei der Volatilität gab.
Warum dies so ist, wird deutlich, wenn Sie sich den Tageschart des DAX anschauen (Abb. 3). Im April/Mai gab es einen deutlichen Stimmungsumschwung. Der Aufwärtstrend war zu Ende und ein Abwärtstrend bildete sich aus. Es ist logisch, dass mit diesem Trendwechsel auf übergeordneter Ebene auch der Intraday-Seasonal-Chart eine bärische Veränderung durchmacht. Hätte ich einen solchen für den Zeitraum Januar bis April erstellt, sähe der Verlauf ganz anders aus.
Der perfekte (Intraday-)Seasonal-Chart
Seasonal-Charts sind eine feine Sache, wenn man sie denn richtig ermittelt, anwendet und interpretiert. Wie wir festgestellt haben, unterliegen auch Seasonal-Charts in Abhängigkeit von der aktuellen Marktlage zum Teil sehr deutlichen Veränderungen. Wenden wir Seasonal-Charts an, sind zwei Dinge zu berücksichtigen:
- Der Seasonal-Chart sollte auf einer möglichst langen Historie beruhen, innerhalb der es sowohl Aufwärtstrends, Abwärtstrends als auch Seitwärtsphasen gab. Ein solch umfassender Seasonal stellt folglich den Durchschnitt sämtlicher Marktbewegungen dar, von dem es in der konkreten praktischen Anwendung zu deutlicheren Abweichungen kommen kann. Diese werden umso größer sein, umso dynamischer der betrachtete Markt selbst ist.
- Wem die langfristige Durchschnittsbildung und die damit verbundene Prognoseungenauigkeit zu heikel sind, muss auf trendabhängige Seasonal-Charts zurückgreifen. Dies ist umso eher erforderlich, umso dynamischer der Markt als solches ist. Die Anwendung von Seasonals wird damit um einiges komplexer und es stellt sich die Frage, wie der grundlegende Trend gefiltert werden kann/soll. Können diese Hürden jedoch genommen werden, dürften die Abweichungen des tatsächlichen Kursverlaufs von der Prognose durch den Seasonal-Chart abnehmen.
Viel Erfolg
Ihr Rene Berteit
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Schöner Artikel - ist denn eine Seasonal-Funktion auf Guidants geplant? Das wäre eine tolle Sache, in einigen Märkten ergeben sich daraus regelmäßig interessante Tradingideen.
Überaus interessant! Aus obigen Darlegungen müsste man doch schlussfolgern, dass die wesentlichen Auf- oder Ab-Bewegungen immer über Nacht passieren? Und mit dem vorletzten Absatz (1) kann auch auch nicht überein kommen, Diese Analyse sollte in optimistische und pessimistische Tage aufgetrennt werden, denn sie spiegelt ja statistisch Gewohnheiten von Teilnehmern wider, die sich grundlegend unterscheiden, je nachdem, ob der Markt in die gewünschte Richtung läuft oder nicht. Dazu käme noch die Tatsache, dass die Amerikaner mit ihren Aktivitäten immer versuchen, die Europäer und besonders die DAX-Spekulanten an der Nase herum zu führen. Im Dow gibt es überdurchsschnittlich oft Tiefpunkte um 18 Uhr MEZ.
Schöner Artikel! Kompliment, weiter so!
Vielen Dank für die Artikel Herr Berteit,
Saisonalitäten sind im Grunde jedoch reiner Zufall. Je nach Betrachtungszeitraum ergibt sich ein anderer Verlauf. Es steht ziemlich 50:50, dass sich der Intraday Verlauf der letzten 3/6/9 Monate möglicherweise in den kommenden 3/6/9 Monaten umkehrt. Es gibt auch keinen Hintergrund dieses Zyklus der nicht alleine mit dem übergeordneten Trend einhergeht (Außer der Konsolidierungsphase um die Mittagszeit).
Nur bestimmte Zyklen, die auch einen begründeten Hintergrund haben sind verwertbar. Damit meine ich z.B den US Wahlzyklus. Die Saisonalität im Jahresverlauf ist ebenfalls relativ zuverlässig, da die Urlaubsphase im Sommer häufiger Konsolidierungen einleitet. Die Jahresendrally ist dem Performance Druck der Fondsmanager geschuldet - jeder möchte noch ein paar Prozent rausholen und geht im Schlussquartal ins Risiko um Weihnachten eine schöne Bescherung zu haben.