Pivot Points - Magische Tradingpunkte im Chart?
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Erwähnte Instrumente
Bei den Pivot-Punkten handelt es sich, wenn wir uns den ein oder anderen Beitrag zu diesen anschauen, wieder einmal um magische Punkte im Chart, an denen so richtig viel passieren kann und vor allem, an denen sich der Kurs orientiert. Und wenn diese Aussagen noch dadurch untermauert werden, dass Pivot-Punkte sehr oft von institutionellen Tradern, also den Profis der Profis genutzt werden, was kann da noch schiefgehen?! Aber was steckt hinter diesen magischen Punkten und vor allem: was können diese leisten?
Vorab: Wenn Sie noch wenig Erfahrung mit Charts und Charttechnik haben, empfehle ich Ihnen zunächst unseren umfangreichen Charttechnik-Ratgeber durchzulesen. Diesen können Sie hier kostenfrei downloaden.
Starten sollten wir unseren Ausflug natürlich erst einmal mit einer kleinen Definition von Pivot-Punkten.
Klassisch handelt es sich bei den Pivots um Unterstützungs- und Widerstandslinien für den Intradayhandel, die sich aus der Kursbewegung – oder besser gesagt – der Kursschwankung des Vortages heraus ergeben. Der konkrete Kursverlauf des Vortages mit seinen Zwischenhochs, -tiefs, Trendlinien & Co spielt dabei keine Rolle, sondern vielmehr interessiert sich der Pivot-Trader ausschließlich für den Höchstkurs (H), den Tiefstkurs (L) und den Schlusskurs (C) des Tages. Durch eine einfache Durchschnittsbildung aus diesen drei Kursen bildet sich der
Pivotpunkt (PP) für den neuen Handelstag
Pivotpunkt PP = ( H + L + C) / 3
Ausgehend von diesem Pivotpunkt können nun drei weitere Widerstands- bzw. Unterstützungslevel berechnet werden.
Die Widerstände R1 – R3
Durch Weiterverarbeitung des Pivotpunkts und der Vorkerzenextrema (H, L, C) lassen sich die drei Widerstandslevel der Pivot-Analyse wie folgt ermitteln:
R1 = 2 * PP – L
R2 = PP + H – L
R3 = 2 * (PP – L) + H
Die Unterstützungslevel S1 – S3
Analog zur Widerstandsberechnung erfolgt die Ermittlung der drei Unterstützungslevels:
S1 = 2 * PP – H
S2 = PP – (H – L)
S3 = Low – (2 * (H-PP))
mit: PP = Pivotpunkt heute
H = Höchstkurs Vortag (vorangegangene Kerze)
L = Tiefstkurs Vortag (vorangegangene Kerze)
C = Schlusskurs Vortag (vorangegangene Kerze)
In Abbildung 1 sind die Pivot-Levels für den DAX-Tageschart zusammen mit den benötigten Eckdaten noch einmal zusammengefasst.
Interpretationsgedanken
Inhaltlich machen diese Berechnungen durchaus Sinn, denn sie stellen in gewisser Weise die Schwerpunkte des vergangenen Handelstages dar.
So ist beispielsweise der Pivotpunkt selbst nur das Mittel aus den drei wichtigen Kurse: High, Low, Close während die sich daraus ergebenden Unterstützungs- und Widerstandslevel indirekt die Volatilität berücksichtigen und auf den Folgetag projizieren.
Variationen in der Berechnung
Neben dieser Standardvariante der Pivotpunkte finden sich im praktischen Bereich auch diverse Variationen, vor allem bei der Ermittlung des zentralen PP. So ließen sich beispielsweise Kurslücken (Gaps) ber��cksichtigen, wenn in die Berechnung des PPs noch der heutige Eröffnungskurs mit einfließt. In dieser Variation ergibt sich der PP als Durchschnitt aus dem gestrigen Hoch, Tief, Schlusskurs und dem heutigen Open, während die einzelnen Unterstützungen und Widerstände analog zur klassischen Vorgehensweise berechnet werden.
Pivotpunkt PP = (H + L + C + O(heute)) / 4
Konsequenterweise ergeben sich bei dieser Berechnungsmethodik nicht nur unterschiedliche Levels, sondern auch ein anderes zeitliches Timing.
Während im klassischen Bereich die Pivots mit jeder „fertigen“ Kerze direkt für den Folgetag berechnet werden können, ist in Variante 2 erst der nächste Handelstag abzuwarten. Diese Marginalie hat jedoch auch Einfluss auf den Tradingalltag, denn viel Zeit zum Planen gibt es unter Umständen bis zum ersten Trade nicht mehr.
Neben auch dieser gängigen Methode zur Berechnung der Pivot-Levels kann der Trader eigene Kreationen nutzen, vor allem bei der Gewichtung der einzelnen Bausteine. Dies wird unter Umständen sogar nötig sein, was schnell am Beispiel des Forexmarktes deutlich wird. Hier besteht aufgrund des 24-Stundenhandels und des dezentralen Handels fernab eines konkreten Börsenplatzes schon die Schwierigkeit, die Eröffnungs- und Schlusskurse zu bestimmen. Der eine Forexbroker nutzt die Zeitzone der USA, ein anderer die in Europa und ein dritter nimmt nicht den Tageswechsel 0 Uhr als Basis für Schluss- und Eröffnungskurse, sondern eine ganz andere Zeit wie beispielsweise 08 Uhr CET. Gerade bei solch unterschiedlichen Basisdaten und den damit verbundenen unterschiedlichen Pivot-Levels stellt sich berechtigterweise die Frage, inwieweit die klassischen Aussagen zu Pivotpunkten als Unterstützungs- und Widerstandslevel noch Gültigkeit haben.
Trading von Pivotpunkten
Der Pivotpunkt PP teilt den Preisbereich einer jeden neuen Kerze in zwei Teile.
Oberhalb des Pivot-Punktes wird ein bullischer Markt unterstellt, unterhalb dessen entsprechend ein bärischer. Zur Visualisierung dieser beiden Preisbereiche färbt Guidants diese entsprechend grün oder rot ein und aus dieser Interpretation heraus ergibt sich bereits eine erste Handelsmöglichkeit. Durchbricht der Kurs den Pivotpunkt von unten nach oben, liegt ein Kaufsignal vor, während eine bärische Überschneidung von oben nach unten ein entsprechendes Verkaufssignal darstellt.
Analog zur klassischen Vorgehensweise bei Unterstützungs- und Widerstandslinien werden auch die aus der Pivot-Analyse hervorgehenden S3 – R3 Marken genutzt.
Die Widerstände R1 bis R3 fungieren als mögliche Preislevels, an denen mit Gegenwehr seitens der Bären zu rechnen wäre. Die Widerstände haben das Potenzial, sowohl kurzfristige Korrekturen als auch neue Gegentrends einzuleiten. Wird ein Widerstand hingegen überschritten, fungiert dieser ab sofort als Unterstützungszone.
Auf der Gegenseite, den Unterstützungen S1 bis S3, wird gleichermaßen verfahren. Kommt es zu einem bärischen Kreuzen von Kurs und Pivot Punkt PP, dienen die Unterstützungen als erste Zielzonen und als mögliche Preismarken, an denen der Kurs zu einer Erholung oder gar einer Trendwende ansetzen kann. Wird hingegen eine Unterstützung durchbrochen, wird die nächstfolgende als Zielzone aktiviert, während die gebrochene Unterstützung nun als Widerstand fungiert. Abbildung 2 stellt diese grundlegende Herangehensweise anhand der ersten beiden Pivot-Level systematisch dar, während in Abbildung 3 der aktuelle Verlauf im DAX (26.05.2014) zu sehen ist.
So eröffnete der DAX äußerst stark bereits im Bereich von R2 und damit in einer klar bullischen Zone. Wie zu sehen ist, wurde der durchbrochene Widerstand R2 direkt in der Eröffnungsphase zur Unterstützung, von der aus die Kurse nach einem Ziehen und Zerren direkt bis an das nächste Ziel bei R3 klettern konnten. Dort kam es im weiteren Verlauf zu einer kleinen Toppbildung und einer anschließenden Umkehr der Bewegung. Im Gegenzug wurde das Ziellevel bei R2 jedoch nicht ganz erreicht, während in der nächsten Kaufwelle die Kurse erneut nahe des R3-Widerstands zum Stehen kamen.
Das sieht magisch aus, oder?
Unser willkürlich gewähltes Beispiel aus Abbildung 3 passt perfekt, aber wie magisch sind die Pivot-Points tatsächlich?
Das ist eine gute Frage, der wir an dieser Stelle ein wenig intensiver, aber sicherlich nicht abschließend nachgehen wollen. Dazu beginnen wir mit einer der Grundaussagen der Pivot-Analyse:
Kurse oberhalb des PPs sind bullisch.
Auf Basis dieser Aussage ist schnell eine passende Tradingtaktik gefunden, die wir anhand historischer Daten untersuchen können. Dazu wurde auf den DAX-Index zurückgegriffen und der Einfachheit halber ausschließlich die Longseite betrachtet. Um hier für ein Kaufsignal zu sorgen, musste im 5-Minutenchart lediglich eine Kerze oberhalb des Pivot-Punkts (PP) schließen, während die Kerze davor unterhalb dessen geschlossen haben muss. Dabei spielte es keine Rolle, von wo genau der Kurs kam und wie der bisherige Tagestrend gewesen ist. Auch eine freundliche Eröffnung oberhalb des Pivot-Punkts mit anschließender Korrektur zurück bis auf diesen inkl. eines 5-minütigen Schlusskurs darunter und dem dann folgenden Ausbruch nach oben wurde gehandelt, sofern es das erste Signal des Tages war. Zur Veranschaulichung des Prozedere schauen Sie sich einfach Abbildung 4 an. Blieb der Kurs den ganzen Tag oberhalb bzw. unterhalb des PP, kam es konsequenter zu keinem Einstieg.
Da keine Position ohne Stopp eingegangen werden sollte, nutzen wir bereits die S1-Unterstützung als Stopp. Ein simples Unterschreiten des Stopps reicht, um die Longposition zu schließen. Gleichzeitig wollen wir zunächst ohne Kursziel arbeiten und uns einfach nur die Kraft der bullischen und bärischen Preisbereiche anschauen. Dazu wird jede Longposition solange gehalten, bis entweder der Stopploss ausgelöst wird oder aber es 17 Uhr und damit kurz vor Handelsschluss ist. Sollte es intraday zu einem Ausstoppen einer bestehenden Longposition am S1 und anschließend neuem Anstieg über den PP per 5-Minutenschlusskurs kommen, wird erneut eine Longposition eröffnet. Re-Entries während des Tages sind folglich erlaubt.
Die Performancekurve unseres einfachen Systems seit Anfang Januar 2014 kann leider nicht überzeugen (siehe Abb. 5).
Selbst vor Kosten und vorbehaltlich programmtechnischer Fehler arbeitet die Taktik im Minus und verlor bei einer Trefferquote von 33,33 % knapp 335 DAX-Punkte. Ziehen wir bei 66 getätigten Trades noch je Trade einen Punkt Spread und einen Punkt weiterer Kosten ab, steigt der Verlust auf weit über 400 Punkte.
Vielleicht war unser Stopp ja auch zu eng gewählt? Wie schaut es bei einer Erweiterung dessen auf S2 aus? Daran kann es nicht gelegen haben, denn wie Abbildung 6 zeigt, wird der Verlust noch größer und da nützt auch die gestiegene Trefferquote auf 41,38 % nicht viel.
Bliebe als weitere Option unsere Ausstiegsbedingung. Gemäß der klassischen Interpretationsweise sollten die Kurse nach dem Anstieg über den Pivotpunkt den Widerstand R1 als erstes Ziel anlaufen. Wird der Stopploss auf dem S2-Niveau belassen, kann unser Ziel tatsächlich in 62,50 % aller Fälle erreicht werden.
Analytisch eine durchaus akzeptable Leistung, immerhin läge man bei 100 Prognosen 62-mal richtig und nur 38-mal verkehrt. Aber gut, wir wollen ja Traden und sind keine Analysten. Der Blick auf die Performance ist wichtiger und leider wird man auch hier wieder enttäuscht. Ja, unter unseren Bedingungen wird das erste Ziel oft erreicht, aber wird dies gehandelt, entsteht ein Verlust vor Kosten von 181,92 Punkten, wie in Abbildung 7 zu sehen.
Werfen wir einen genaueren Blick auf den Performancereport (nicht abgebildet), fällt auf, dass die durchschnittlichen Verluste in Relation zu den durchschnittlichen Gewinnen einfach zu groß sind. Dies lässt sich tradingtechnisch beheben, indem wir den Stopploss enger setzen und/oder das Ziel weiter weg legen. Wie in Abbildung 8 zu sehen, bringt auch dies die Performance nicht in den positiven Bereich.
Links wurde bei einem R1 Ziel mit einem Stopploss bei S1 gearbeitet, rechts bei einem R2 Ziel mit einem Stopp bei S1. Wie anvisiert, führte dieser Optimierungsschritt zwar zu einer Verbesserung der Verhältnisse von durchschnittlichen Gewinnen zu Verlusten (CRV), aber darunter litt in beiden Fällen die Trefferquote zu stark, als dass eine positive Performance möglich wurde. Dies ist übrigens typisch für das Trading: Verbesserungen an einer Stelle werden meist mit Verschlechterungen an anderer bezahlt.
Ein Traum zerplatzt, oder?
Ja und nein. Lassen Sie uns vielleicht mit den positiven Dingen anfangen, mit denen „Pivotisten“ weiter ihrer Tradingbasis treu bleiben können. Bereits die bisherigen Ausführungen zeigen, wie vielfältig Pivot-Punkte eingesetzt werden können und natürlich haben wir diesbezüglich nur einen sehr kleinen Teil von möglichen Tradingtaktiken abgedeckt. Hinzu kommt, dass wir lediglich einen relativ kurzen Zeitraum untersucht haben, in dem ich zwar eine visuelle Prüfung der Kursdaten vorgenommen habe, die aber kleinere Fehler nicht ausschließt. Gleiches gilt auch für den Test selbst.
Vor diesen Hintergründen gibt es keinen zwingenden Anlass, die Pivot-Punkte gleich in die Welt der Mythen und Sagen zu verbannen. Jedoch sollten Sie als Trader auch nicht jeder Tradingtaktik ohne Bedenken folgen. Der vorliegende Test lässt auch bei den Pivot-Punkten vermuten, dass die bekannten, einfachen und logischen Interpretationen dieser nicht zum Erfolg führen.
Es wäre auch zu schön um wahr zu sein, denn ich bin kein Programmierer, aber es war trotzdem relativ einfach, die obigen Systeme zu erstellen. Wenn man so leicht Millionen an der Börse verdienen könnte, dann gäbe es schließlich nur Gewinner. Die Realität sieht aber anders aus.
Zum Abschluss noch ein kleiner Hinweis für Sie: Bei GodmodeTrader betreue ich einen eigenen Premium-Service, der sich direkt an Börseneinsteiger richtet. Im Ausbildungs- und Seminarpaket begleite ich Sie auf dem Weg zum nachhaltigen Börsenerfolg. Mehr Informationen finden Sie hier. Ich würde mich freuen, Sie dort persönlich begrüßen zu können.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Erfolg
Ihr Rene Berteit
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