Wissensartikel
16:08 Uhr, 07.10.2013

Faktorzertifikate und Inline-Optionsscheine liegen im Trend

Aufgrund der Unsicherheiten an den Finanzmärkten werden vor allem kurzfristige Trading-Chancen genutzt. Holger Schleicher, Leiter des Derivate-Handels an der Börse Stuttgart, gibt seine Beobachtungen zum Einsatz von Zertifikaten wieder, nennt Trends und verweist auf einen besonderen Service der Börse Stuttgart.

Herr Schleicher, das Umsatzvolumen bei Anlagezertifikaten an den Börsen Stuttgart und Frankfurt ist nach Angaben des Deutschen Derivate Verbands (DDV) im Februar 2013 zurückgegangen – das Volumen sank gegenüber Januar um satte 17,2 Prozent auf 2,3 Mrd. Euro. Wie lässt sich diese Entwicklung erklären?

Bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass der Januar 2013 nach einer Umsatzbelebung zu Jahresbeginn ein Monat mit relativ hohen Handelsumsätzen war. Der Februar hingegen war einerseits bestimmt durch Unsicherheit angesichts der drohenden automatischen Haushaltkürzungen in den USA und möglicher Auswirkungen auf die Wirtschaft. Zum anderen sorgte auch das hohe Niveau der wichtigsten Aktienindizes für eine eher abwartende Haltung unter privaten Anlegern.

Der Anteil von Hebelprodukten am in Stuttgart und Frankfurt gehandelten Zertifikate-Gesamtvolumen stieg hingegen von 34,8 Prozent im Januar auf 40,4 Prozent im Februar. Womit könnte die gestiegene Beliebtheit zusammenhängen?

Im Februar haben wir eine Seitwärtsbewegung am Aktienmarkt gesehen, allerdings unter stärkeren kurzfristigen Schwankungen als zu Jahresbeginn. Diese Marktentwicklung war eher für das kurzfristige Nutzen von Trading-Chancen interessant – mit Optionsscheinen und Knock-out-Produkten als geeigneten Papieren für erfahrene und risikoaffine Anleger.

Warum ist eigentlich laut Angaben des DDV bei Hebelprodukten das durchschnittliche Ordervolumen mit zuletzt 4.800 Euro deutlich geringer als bei Anlagezertifikaten mit durchschnittlichen Ordergrößen von rund 24.000 Euro?

Zum einen investieren Anleger in der Regel mehr Kapital in Anlageprodukte, weil diese Papiere eher mittelfristig ausgerichtet sind und dem Vermögensaufbau dienen. Dagegen nutzen Anleger Hebelprodukte fast ausschließlich dazu, um an kurzfristigen Marktbewegungen teilzuhaben. Aufgrund der enthaltenen Hebelwirkung und dem damit verbundenen Risiko ist der Kapitaleinsatz der Anleger dabei meist geringer. Hinzu kommt, dass Hebelprodukte häufiger gehandelt werden als Zertifikate – im Februar entfielen mehr als drei Viertel aller ausgeführten Kundenorders bei verbrieften Derivaten an der Börse Stuttgart auf Hebelprodukte.

Express-Zertifikate (-44,8 Prozent) sowie Outperformance- und Sprint-Zertifikate (-38,0 Prozent) waren im Februar deutlich weniger beliebt. Welche Gründe gibt es für diesen Negativtrend?

Diese Schwankungen ergeben sich vor allem daraus, dass Express-Zertifikate lediglich knapp 4 Prozent und Outperformance- und Sprint-Zertifikate sogar nur 0,3 Prozent des Handelsvolumens bei Anlageprodukten ausmachten. Ändert sich die Handelsaktivität bei diesen Produktkategorien leicht, kann dies zu massiven prozentualen Abweichungen gegenüber dem Vormonat kommen.

Welche neuen Trends bei Zertifikaten zeichnen sich derzeit ab?

Als neue Produktgruppe haben sich Faktorzertifikate etabliert. Sie ermöglichen es, mit einem festen Hebel, dem jeweiligen Faktor, an der Entwicklung des jeweiligen Basiswerts zu partizipieren. Das kann ein Index, eine Einzelaktie oder ein Rohstoff sein, für die der Emittent einen Referenzindex als Basis für die Hebelwirkung berechnet. Neben dem konstanten Hebel sind eine unbegrenzte Laufzeit und das Fehlen einer Knock-out-Schwelle charakteristisch für Faktor-Zertifikate. Die Papiere spielen ihre Stärken vor allem in Trendphasen aus, in denen der Markt anhaltend in eine Richtung läuft.

Ein anderer Trend sind Inline-Optionsscheine. Bei diesen Papieren erhält der Anleger am Ende der Laufzeit einen festen Betrag, falls sich der Basiswert innerhalb eines definierten Korridors bewegt hat. Wird dagegen die obere oder untere Barriere berührt, verfällt das Papier wertlos. Ja nach Auswahl der Barrieren können sich Anleger mit Inline-Optionsscheinen eher defensiv oder offensiv positionieren.

Emittenten legen monatlich zehntausende neue Zertifikate auf. Auf welche Wegweiser durch das Produktuniversum können Kunden zurückgreifen? Wie steht die Börse Stuttgart Anlegern bei der Auswahl des geeigneten Produkts zur Seite?

Für den Umgang mit strukturierten Produkten ist ein gewisses Know-how wichtig. Denn nur wenn Anleger die Produkte verstehen, können sie auch deren Vorteile nutzen. Wir möchten Privatanlegern die nötigen Informationen und Services an die Hand geben, damit sie sich in der Welt der Zertifikate zurechtfinden. Deshalb bieten wir sowohl Seminare vor Ort an der Börse Stuttgart als auch Webinare an. Diese Veranstaltungen vermitteln auf verständliche Weise, wie Produkte funktionieren und wie man sie am besten einsetzt. Nützliche Werkzeuge sind die drei Produkt-Finder für Zertifikate, Optionsscheine und Knock-out-Produkte auf der Internetseite der Börse Stuttgart: Anleger können mit wenigen Klicks nach Kriterien wie Basiswert, Produktgattung und Fälligkeit selektieren und gelangen so schnell zur gewünschten Auswahl.

Woher resultiert eigentlich die Dominanz der Börse Stuttgart im Zertifikatehandel gegenüber dem Handelsplatz Frankfurt?

Wenn man Anlage- und Hebelprodukte betrachtet, vereint die Börse Stuttgart in Deutschland rund zwei Drittel des Umsatzvolumens auf sich. Damit ist Stuttgart auch Europas größter Börsenplatz für verbriefte Derivate. Mit der Gründung des Handelssegments Euwax im Jahr 1999 waren wir Vorreiter, seitdem bieten wir eine leistungsfähige Handelsplattform mit klaren Regeln und hoher Preis- und Servicequalität. So können sich Anleger beispielsweise darauf verlassen, dass Orders im Euwax-Segment mindestens zu dem Preis ausgeführt werden, den Emittenten als Market Maker anbieten. Hinzu kommt unser hybrides Marktmodell: Es bindet Handelsexperten in den elektronischen Handel ein, die bei Bedarf zusätzliche Liquidität spenden und Orders auf Plausibilität prüfen. Zudem betreuen sie außergewöhnliche Aufträge und haken dafür im Zweifel auch einmal bei der Bank des Anlegers nach. Dieser menschliche Faktor erhöht die Handelsqualität für private Anleger – und auf die kommt es uns an.

Die Fragen stellte Helge Rehbein.

(geschrieben von Helge Rehbein)

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