Zwischen Hoffen und Bangen – Finanzmarktausblick 2009
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Zwischen Hoffen und Bangen – so stellt sich zur Jahreswende der Ausblick für die Weltwirtschaft dar. Hoffen, dass die aktuelle Rezession im Jahr 2009 überwunden wird. Und Bangen, dass die schwerste Rezession seit Jahrzehnten in eine Depression, also eine länger andauernde Phase mit schrumpfender Wirtschaftsleistung, einmündet. Die Zuspitzung der Finanzkrise im Herbst hat die Konjunktur mittlerweile deutlich in Mitleidenschaft gezogen. Ingo Mainert, Geschäftsführer und Chief Investment Officer der cominvest: „Die Weltkonjunktur hat in den vergangenen Wochen eine Vollbremsung hingelegt. Wegscheide war der Konkurs von Lehman Brothers Mitte September. Die Frühindikatoren deuten an, dass das Bruttoinlandsprodukt in den USA und in Europa mindestens bis ins Frühjahr 2009 hinein schrumpfen wird.“ Für das weltweite Bruttoinlandsprodukt prognostiziert die cominvest für 2009 eine Wachstumsrate von reichlich 1 ½ Prozent – dies wäre ein Achtjahrestief. Im Verlauf der zweiten Jahreshälfte 2009 bestehen jedoch Chancen auf eine Stabilisierung der Konjunktur. Grund hierfür sind die umfangreichen Unterstützungsmaßnahmen von Regierungen und Zentralbanken.
Der konjunkturelle Abschwung hat bereits deutliche Spuren bei der Inflationsentwicklung hinterlassen. Infolge des eingetrübten Wirtschaftsausblicks sind viele Rohstoffpreise eingebrochen. Außerdem sinken in vielen Ländern die Immobilienpreise kräftig. In der Folge verringert sich der Preisdruck merklich. Temporär könnte es 2009 sogar zu negativen Teuerungsraten kommen. Eine ausgesprochene Deflation, das heißt eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale bei den Preisen, erwartet die cominvest jedoch nicht. Hiergegen spricht, dass die Fiskal- und Geldpolitik aus den Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren und Japans in den Neunzigern gelernt haben und stark bzw. sehr schnell gegensteuern. Gleichwohl dürfte das Thema Deflation in den kommenden Monaten an den Finanzmärkten diskutiert werden.
Die Maßnahmen der Zentralbanken zur Bekämpfung der Krise sind äußerst positiv zu werten. So kommen die Notenbanken derzeit intensiv ihrer Aufgabe als Kreditgeber der letzten Instanz nach und stellen dem Finanzsektor generös Liquidität zur Verfügung. Auch bei der Zinspolitik beschreiten die Währungshüter neue Wege. So wurden in den Industrieländern in den vergangenen Monaten die Leitzinsen mit rekordverdächtigem Tempo gesenkt; in einigen Ländern sind Zinsen von null Prozent in Sichtweite. Damit wäre das geldpolitische Instrumentarium aber keinesfalls erschöpft. Mainert: „Die US-Fed ist bereits zu einer Politik der quantitativen Lockerung – ähnlich der in Japan zu Beginn des Jahrzehnts – übergegangen. Analoges ist von der Bank von England zu erwarten.“ Und in Euroland dürfte die Europäische Zentralbank 2009 den Refinanzierungssatz auf ein neues historisches Tief von 1,50 Prozent senken.
In einem von Unsicherheit gekennzeichneten Umfeld sind sichere Häfen weiterhin gefragt. Dementsprechend ist die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen jüngst auf ein neues Tief knapp 3 Prozent gefallen. Solange die Unsicherheit über die Weltwirtschaft anhält, dürfte es hier keine gravierenden Korrekturen geben. Die Diskussion um die zwei D-Wörter – Depression und Deflation – spricht bis ins Frühjahr hinein gegen einen nachhaltigen Renditeanstieg bei Staatsanleihen. Allerdings scheint auch der Raum für einen weiteren Renditerückgang begrenzt. Mainert: „Auf den derzeit erreichten Niveaus wird die Luft am langen Laufzeitende allmählich dünner.“
Die Zinsaufschläge für stärker risikobehaftete Papiere gegenüber Staatsanleihen haben sich in der aktuellen Krise dagegen deutlich ausgeweitet. So preisen beispielsweise Unternehmensanleihen derzeit eine Ausfallquote ein, die über derjenigen liegt, die während der Weltwirtschaftskrise beobachtet wurde. Damit sind Corporate Bonds im historischen Vergleich äußerst günstig bewertet. Aus Investorensicht ist darüber hinaus beachtenswert, dass der Markt für Unternehmensanleihen in der Vergangenheit zumeist früher auf konjunkturelle Umschwünge reagiert hat als der Aktienmarkt. Mainert: „Aus Timing-Gesichtspunkten sollte man daher Unternehmensanleihen frühzeitiger übergewichten als Aktien.“
Auch die Zinsaufschläge für Staatsanleihen einiger Länder der Eurozone und aus den Emerging Markets haben sich zuletzt deutlich ausgeweitet. Die Gründe hierfür liegen wohl vor allem in dem extremen Anstieg der Risikoaversion an den Finanzmärkten. Im Falle der Staatsanleihen aus dem Euroraum könnten die Risikoaufschläge jedoch ihren Höhepunkt erreicht haben; das implizit in ihnen zum Ausdruck kommende Risiko eines Auseinanderfallens der Währungsunion hält die cominvest für unwahrscheinlich. Auch im Falle der Anleihen aus den Emerging Markets beruht der Anstieg der Renditedifferenz nur zum Teil auf hausgemachten Problemen. Die generell vorherrschen Sorgen über Liquidität und Bonität dürften den größeren Teil des Anstiegs ausgelöst haben. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass die Renditeaufschläge immer noch unter denjenigen Niveaus liegen, die während der Emerging Markets Krise vor zehn Jahren beobachtet wurden. Mit zurückkehrendem Konjunkturoptimismus und abnehmender Risikoaversion dürften daher im Verlauf des nächsten Jahres insbesondere die genannten Staatsanleihen besser performen als die international sicheren Häfen US-Treasuries und Bundesanleihen.
Die Aktienmärkte stehen kurzfristig weiterhin im Spannungsfeld zwischen attraktiver Bewertung auf der einen Seite und schlechten Wirtschaftsnachrichten und damit einhergehenden Abwärtsrevisionen für die Gewinnerwartungen auf der anderen. Dies dürfte die Volatilität zunächst weiter hoch halten, und ein erneutes Testen der bisherigen Markttiefs ist nicht auszuschließen. Im derzeitigen Umfeld präferiert die cominvest daher zunächst weiter eher defensive Sektoren wie Pharma, Telekommunikation und Versorgung sowie Öl- und Gaswerte. Im Verlauf der ersten Jahreshälfte 2009 könnten die Aktienmärkte dann jedoch nachhaltiger anfangen, eine konjunkturelle Belebung vorwegzunehmen. Mainert rät: „Anleger sollten im Hinterkopf behalten, dass sich wirtschaftliche Rezessionsjahre in der Vergangenheit oftmals als Erholungsjahre für den Aktienmarkt erwiesen haben.“ Von einer derartigen Entwicklung dürften dann vor allem die Aktienmärkte in Euroland und den USA profitieren. Innerhalb Eurolands gilt dies insbesondere auch für Deutschland mit seinen starken zyklischen Sektoren wie Maschinenbau und Chemie. Punktprognosen für den Dax im Jahr 2009 bleiben angesichts der anhaltend hohen Volatilitäten zwar nach wie vor wenig sinnvoll. Die cominvest geht jedoch davon aus, dass die weltweit wichtigsten Aktienmarktindizes am Jahresende 2009 auf höheren Niveaus liegen werden als derzeit.
Der US-Dollar hat seit Jahresmitte eine fulminante Kehrtwende hingelegt und um rund ein Viertel aufgewertet. Die Gründe für diese Rallye liegen in dem aktiven und schnellen Krisenmanagement in den USA sowie der Markterwartung, dass sich die USA 2009 als erstes der Industrieländer wieder konjunkturell stabilisieren werden. Fundamental wichtige Einflussfaktoren wie die Zinsdifferenzen zu Euroland deuten jedoch darauf hin, dass der US-Dollar etwas zu schnell vorausgelaufen ist und sich daher in den kommenden Monaten zunächst nicht weiter festigen sollte. Deshalb erwartet die cominvest eine Konsolidierung um die zuletzt erreichten Niveaus von 1,20 bis 1,35 Dollar pro Euro. Längerfristig, also über 2009 hinaus, ist ein Erreichen des kaufkraftparitätischen Gleichgewichts möglich, das gemäß Berechnungen der OECD bei etwa 1,15 Dollar pro Euro liegt.
Infolge des weltweiten Konjunkturabschwungs ist der Ölpreis von seinem Spitzenwert von knapp 150 US-Dollar pro Fass im Juli um 70 Prozent auf zuletzt gut 40 Dollar gefallen. Damit wurde allerdings eine Übertreibung durch eine andere abgelöst. Mittelfristig dürfte sich der Rohölpreis in der Nähe der marginalen Förderkosten einpendeln, die zurzeit in der Größenordnung von 60 bis 80 Dollar pro Fass liegen. Gold genießt weiterhin den Status eines sicheren Hafens in Krisenzeiten. Eine traditionell preissensitive und damit zurückhaltende Schmucknachfrage dürfte jedoch einem merklichen Preisanstieg über die Marke von 1.000 US-Dollar pro Unze entgegenstehen.
Quelle: Cominvest
Die cominvest Asset Management GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main wurde im Jahr 2002 durch Zusammenlegung der inländischen Asset Management-Aktivitäten der Commerzbank AG gegründet und ist seitdem eine hundertprozentige Tochter der Commerzbank. Aktuell verwaltet sie 55 Milliarden Euro, wovon 44% auf Privatkunden und 56% auf institutionelle Investoren entfallen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf europäischen Aktien- und Rentenfonds.
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