Analyse
16:00 Uhr, 11.08.2007

Zwangsverkäufe durch Hedgefonds?

Anbei der gestrige Abschlußbericht veröffentlicht im US Feed von http://www.boerse-go.de

New York (BoerseGo.de) - Mögen Sie in spannenden Zeiten leben, lautet ein alt-chinesischer Fluch. Die Verwünschung wird jetzt an den weltweiten Finanzmärkten wahr. Die Hysterie wegen der Subprime Krise und den deswegen in Schieflage geratenen globalen Finanzkonzernen schaukelte sich heute früh auf neue Höhen.

Die Furcht, dass die Kreditmärkte wegen der wachsenden Angst vor dem Risiko austrocknen, führte vorbörslich wieder zu Panikverkäufen. Liquiditätsspritzen der Fed - Teil einer weltweit konzertierten Aktion der Notenbanken - beruhigten die Gemüter im Laufe des Nachmittags wieder etwas. Dazu waren heute aber gleich drei Liqiditätsspritzen notwendig, ein Vorgang den es bislang nur in Krisenzeiten - etwa der russischen Schuldenkrise von 1998 - gab.

Zwangsverkäufe durch Hedgefonds?

Am Nachmittag wurden die Investoren vor allem von Meldungen der Kabelkanals CNBC verstört. Der TV-Sender berichtete, ein großer Hedgefonds, möglicherweise einer der 3 weltweit größten, sei jetzt gezwungen massiv zu verkaufen. Außerdem meldete CNBC, dass der Hedgefonds Renaissance, einer der ganz Großen dieser Finanzjongleure, Briefe an seine unglücklichen Kunden verschickt, in denen er einräumt, dass er allein im August 8,7% verloren hat. Letztlich aber halfen Spekulationen über eine baldige Zinssenkung den Märkten aus der Patsche - zumindest für heute.

Der S&P 500 gewann 0.04% auf 1,453.64 Punkte. Vorübergehend war das Barometer allerdings 1,6% im minus.
Der Dow Jones Industrial Average bröckelte 0.23% auf 13,239.54 Punkte.
Der Nasdaq Composite Index fiel 0.45 % auf 2,544.89 Punkte
Der Russell 2000 Index, der kleinere Unternehmen erfasst (Small Caps), stieg 0.50 % auf 788.78.

Im Vergleich zur Vorwoche erzielten die Barometer - trotz der heftigen Turbulenzen - Gewinne:

Der Dow stieg 0.44%,
der S&P kletterte 1.44%
und der Nasdaq Composite gewann 1.34%
Der Russell 2000 Index anvancierte 4.41%.

Branchen im Vergleich zur Vorwoche:

Tops:
Alternative Energie: plus 8,4%
Hausbauer: plus 6,61%
Banken: plus 4,0%
Biotech: plus 3,93%

Flops:
Stahl: minus 3,22%
Öltanker: minus 3,06%
Telefondienstleister: minus 2,40%
Krankenkassen: minus 1,95%

Dow Jones Average: Wie gewonnen, so zerronnen

Der König des Dow war heute IBM mit einem Tagesgewinn von 1,72% auf 112.64 Dollar. Nachrichten dafür gab es dafür zwar nicht, aber vermutlich hat der gestrige Kursrutsch, der sich bis heute früh fortsetzte, den einen oder anderen Schnäppchenjäger angelockt. Immerhin ist der weltweit aufgestellte Konzern nur begrenzt von der US-Misere betroffen. Gegenüber dem in den Morgenstunden erreichten Tagestief von 109.79 Dollar konnte sich Big Blue sogar um rund 3% verbessern.

Die Baumarktkette Home Depot, gestern noch der Verlierer des Tages, gewann 0,36% auf 35.92 Dollar.

Auffällig ist, dass die Aktien die sich gestern dem Abwärtsstrudel entzogen hatten, heute zu den größten Verlieren zählen. General Motors, gestern der einzige Gewinner, wenn auch nur mit homöopathischen 0,09%, fiel heute 2,87% auf 33.85 Dollar. Das war heute der höchste Tagesverlust im Dow. Der Auto-Titel wurde von dem Broker Lehman Brothers belastet. Der erinnerte daran, dass die schwachen Verkäufe und hohen Lagerbestände bei schweren Geländewagen vermutlich bald zu scharfen Produktionskürzungen zwingen. Coca Cola, die sich gestern mit einem Minus von 0,02% wacker geschlagen hatten, gaben heute 1,56% auf 54.98 Dollar ab.

Alcoa setzte den Kursrutsch der Vortage fort. Heute verlor der Aluminiumweltmarktführer 2,12% auf 34.69 Dollar. Seit dem in der ersten Julihälfte erreichten Spitzenkurs von 48.77 Dollar gab das Rohstoff-Papier rund 30% ab. Anlass sind die zerstobenen Fusionsträume. Alcoa hatte versucht den kanadischen Rivalen Alcan zu übernehmen und galt zeitweise selbst als Übernahmekandidat. Hinzu kommen die Konjunkturängste und die damit verbundenen Zweifel an der weltweiten Aluminiumnachfrage. Das Brokerhaus Friedman, Billings, Ramsey & Co betonte aber gestern, der Kursrutsch biete jetzt eine Kaufgelegenheit.

S&P 500: Im Sumpf der Hypotheken

Zu den Zugpferden im S&P 500 zählten einige breit aufgestellte Bankhäuser, denen vermutlich die Liquiditätsspritzen und Zinshoffnungen gut bekamen:

Suntrust Banks kletterte 3,99% auf 78.19 Dollar, Capital One Financial Corp stieg 1,62% auf 69.10 Dollar, Wachovia gewann 1,19% auf 47.49 Dollar und die Bank of America avancierte 0,50% auf 48.59 Dollar.

Die Eisenbahnlinie Norfolk fuhr 4,87% auf 51.30 Dollar. Nachrichten gab es dafür zwar nicht. Bekannt ist aber, dass der Multimilliardär Warren Buffett Eisenbahnen mag und erst kürzlich bei einem Wettbewerber (Burlington Northern) zugekauft hat, Möglicherweise gibt es Spekulationen über ein angebliches Interesse des Gurus an Norfolk.

Den im Sumpf der Hypotheken und der Hedgefonds verstrickten Investmentbanken schienen die Investoren heute noch nicht zu trauen. Morgan Stanley setzte jedenfalls den gestrigen Kursrutsch fort und verlor 2,88% auf 60.03 Dollar. Lehman Brothers rutschten 1,80% auf 59.07 Dollar. Merrill Lynch gaben 0,75% auf 74.12 Dollar ab und Goldman Sachs sank 0,96% auf 180.05 Dollar. Letztere werden - trotz Dementi - von hartnäckigen Gerüchten über eine bevorstehende Schließung eines dazu gehörenden Hedgefonds geplagt.

Die Papiere von Countrywide Financial Corp. standen wegen der Immobilienmisere ebenfalls unter Druck. Der größte US-Hypothekenfinanzierer hatte gestern in einer Pflichtveröffentlichung - wie das dort üblich ist - auf alle erdenklichen Risiken hingewiesen. Das nahm der Markt heute übel. Der Bank-Titel wird massiv verkauft. Im frühen Handel brach der Bank-Titel um 12% auf 24.71 Dollar ein. Zum Schluss rettete sich das Papier auf 27.86 Dollar, ein Tagesverlust von 2,79%.
Merrill Lynch war zu Hilfe gekommen und hatte den Kurseinbruch als Überreaktion bezeichnet. Die Risikohinweise in der Pflichtmitteilung enthielten keine Neuigkeiten, hieß es. Die genannten möglichen Gefahren seien alle schon im Markt bekannt. Countrywide besitze genügend finanzielle Stärke um die Krise zu überstehen. Möglicherweise stehe das Institut dann als Sieger dar, weil nach der Krise vermutlich weniger Wettbewerber vorhanden sind.

Nasdaq: Aktie gekippt

Der Nasdaq Composite wurde von den dort schwer gewichteten Chip-Titeln stabilisiert. Der Philadelphia Semiconductor Sector Index, der 19 Halbleiter-Titel erfasst, gewann 0,42% auf 504.28 Punkte. Dort zählte RF Micro Devices, die 3,33% auf 6.21 Dollar stiegen, zu den Zugpferden. Das Unternehmen produziert funkgesteuerte Chips, die bald auch in den Supermärkten zur Warenerkennung verwendet werden. Dort gab es bereits gestern eine Hauptversammlung, die anscheinend gut ankam. Der Halbleiterkonzern SanDisk profitierte wiederum von scharf anziehenden Kontraktpreisen für seine Speicherchips und gewann 1,19% auf 57.13 Dollar.

Nvidia verlor dagegen 4,64% auf 43.99 Dollar. Der Chip-Hersteller war gestern nachbörslich wegen glänzender Quartalszahlen noch im Plus. Die Aktie kippte aber dann, weil der Konzern in der Ertragskonferenz auf Engpässe bei Vorprodukten hinwies. Außerdem wurde der Chip-Titel wegen seiner hohen Bewertung von Merrill Lynch und dem kleineren Brokerhaus Stifel Nicolaus heruntergestuft. Der Aktienkurs hatte sich seit Jahresanfang etwa verdoppelt.

Auch Microsoft fiel heute bei den Investoren in Ungnade und büßte 2,01% auf 28.71 Dollar ein. Nicht viel besser erging es Apple, die 1,10% auf 125.00 Dollar verloren. Seit dem Hoch der letzten Juliwoche (148,92 Dollar) fiel der Apfel rund 15%, kostet aber immerhin noch rund doppelt so viel wie vor einem Jahr.

Internet: Steigendes Selbstvertrauen

Der Internetbereich war wie gewohnt sehr durchwachsen. Yahoo gewann 0,59% auf 23.94 Dollar. Susan Decker, die Präsidentin des Portals, hatte gestern nach Börsenschluss den Kauf von Yahoo-Aktien im Gesamtwert von rund 1,1 Millionen Dollar gemeldet. Für JP Morgan ist das ein Zeichen des wachsenden Vertrauens des Management in den Erfolg der Gesellschaft.

Der Rivale Google verbesserte sich um 0,20% auf 515.75 Dollar. Baidu.com, der chinesische Marktführer bei den Suchmaschinen, verlor dagegen 2,85% auf 189.55 Dollar. Das Papier ist allerdings sehr volatil. Die Investoren stören sich vermutlich an dem hohen KGV, das auf der Basis der Konsens-Gewinnschätzung für 2008 stolze 52 beträgt. Allerdings stellen die Analysten für kommendes Jahr eine Wachstumrate von gut 60% in Aussicht.
Verluste erlitten auch die chinesischen Portale Sina Corp (minus 0,21% auf 38.21 Dollar) und Sohu.com (minus 6,46% auf 32.72 Dollar). Der Broker WR Hambrecht verweist allerdings darauf, dass in Zeiten negativer Marktstimmung solche riskante Werte am stärksten unter die Räder geraten.

Amazon.com hat den scharfen Kursrutsch der Vortage fürs erste gestoppt und gewann heute 0,90% auf 74.78 Dollar. Die in den vergangenen Tagen noch gefragten E-Commerce-Rivalen standen dagegen plötzlich unter Druck. Ebay verlor 1,61% auf 36.00 Dollar. Der Oneline-Juwelier Blue Nile rutschte sogar 4,44% auf 86.00 Dollar.

Energie: Wende im Tagesverlauf

Bei den Energieträgern setzte sich der Ausstieg der Fonds teilweise noch fort. Der September-Kontrakt für Crude verlor 10 Cents auf 71.49 Dollar. Allerdings löste sich der Treibstoff wieder von seinem Tagestief, das auf 70.10 Dollar lag. Dazu trugen möglicherweise die Liquiditätsspritzen der Fed bei. Im Vergleich zur Vorwoche verlor der Kontrakt 4,01 Dollar (minus: 5,25%).

Heizöl ging heute um 1.52 Cents auf 1.97 Dollar zurück. Erdgas stieg dagegen um 25.3 Cents auf 6.83 Dollar. Benzin verteuerte sich um 1.67 Cents auf 1.95 Dollar, verlor aber im Vorwochenvergleich 3,49%.

Energie-Titel: Angelockte Schnäppchenjäger

Die in den vergangen Tagen heruntergeprügelten Energie-Titel schienen heute wieder die Schnäppchenjäger anzulocken. Jedenfalls wurde der scharfe Kursrutsch bei ExxonMobil Corp. fürs erste beendet. Der Ölriese gewann 1,09% auf 84.51 Dollar. Chevron Corp. kletterte 2,85% auf 83.42 Dollar. ConocoPhillips bröckelte dagegen 0,03% auf 78.21 Dollar.

Bei den Alternativen gewann die Uranmine Cameco 2,60% auf 39.40 Dollar. Der Agrar-Technologiekonzern Monsanto, der mit seinem genveränderten Saatgut die Biospritbranche beliefert, fiel 1,74% auf 68.26 Dollar.

Gold: Das Pendel schlägt zurück

Nach dem gestrigen Einbruch pendelte der Goldpreis heute wieder zurück. Der Dezember-Kontrakt stieg 8.80 Dollar auf 681.60 Dollar. Das ist allerdings 2.80 Dollar weniger als in der Vorwoche. Der September-Kontrakt für Silber stieg 16 Cents auf 12,87 Dollar.

Die Mine Barrick Gold profitierte davon mit eeinem Tagesgewinn von 1,54% auf 34.29 Dollar. Newmont Mining gewann 1,18% auf 41.91 Dollar.

Ausblick:

Montag:
Einzelhandelsumsätze vom Juli, Lagerhaltung der Unternehmen vom Juni
Blackstone Group (Privat Equity Fonds)

Dienstag:
Erzeugerpreise (Juli), Handelsbilanz (Juni)
Wal-Mart, Home Depot (Baumarktkette)

Mittwoch:
Verbraucherpreise (Juli), NY Empire State Index (Industrieentwicklung im Ballungsgebiet New York vom August), Industrieproduktion (Juli), Kapazitätsauslastung der Industrie (Juli),

Deer & Company (landwirtschaftliche Maschinen), Macy`s (Kaufhäuser), Network Appliance (Datenspeicher-Software, Salesforce.com (Software)

Donnerstag:
Baustarts- und Baugenehmigungen (Juli), Arbeitslosenmeldungen der Vorwoche, Index der Philadelphia Fed (Industrieentwicklung August)

Hewlett-Packard, Nordstrom (Fashion Shops), Estée Lauder (Bekleidung)

Freitag:
Verbrauchervertrauen (Universität von Michigan vom August).

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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