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16:59 Uhr, 22.04.2024

Zulieferer: Lage bleibt 2024 angespannt

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones) - Die mittelständische Zulieferindustrie sieht sich im Frühjahr 2024 in einer kritischen Lage. Nach einem schwierigem Jahr 2023 "bleibt die Lage angespannt", erklärte die Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie bei ihrer Jahrespressekonferenz auf der Hannover Messe. Damit sich Investitionen in Elektromobilität lohnten, müssten sich die Produktionszahlen viel dynamischer entwickeln. Die Standortbedingungen blieben ein massives Problem für den Mittelstand. Die neu gewählte EU-Kommission müsse mit einer Industriestrategie für Wachstum sorgen und weniger regulieren. "Die deutschen Zulieferer haben ein schwieriges Jahr 2023 hinter sich und befinden sich im Frühjahr 2024 in einer kritischen Phase", so Christian Vietmeyer, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft.

Am Jahresende 2023 sähen sich die deutschen Zulieferer einem deutlichen Minus bei Produktion und Umsatz gegenüber. Gab die Produktion um 4,8 Prozent nach, so setzten die Unternehmen laut den Angaben mit 240 Milliarden Euro rund 3,2 Prozent weniger um als noch im Jahr zuvor. Eine in Teilen sehr schwache Nachfrage habe im Jahresverlauf zu einer kontinuierlich abnehmenden Kapazitätsauslastung geführt, welche vor dem Hintergrund des hohen Kostendrucks und wichtiger Investitionsentscheidungen problematisch sei. Betrug die Auslastung im Jahr 2022 im Schnitt noch 81 Prozent, lag sie im abgelaufenen Jahr laut den Angaben durchschnittlich nur noch bei 76,6 Prozent.

Hätten die Zeichen für das Jahr 2024 lange Zeit auf Erholung gestanden, seien die Prognosen zur konjunkturellen Entwicklung in den vergangenen Monaten sukzessive nach unten angepasst worden. So starteten die mittelständischen Zulieferer ohne Auftragspolster und ohne Perspektive auf baldige Nachfrageimpulse in das Jahr. Dies spiegele sich auch in den aktuellen Daten wider. So nahm die Produktion in den ersten beiden Monaten des Jahres laut den Angaben um 4,9 Prozent zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ab, während der Umsatz um rund 4,1 Prozent niedriger ausgefallen ist.

Für die mittelständischen Automobilzulieferer sei der Produktionsstandort Deutschland noch wichtiger als für die großen Abnehmer. Doch die Automobilproduktion hierzulande sei seit Jahren rückläufig. Eine schleichende Deindustrialisierung im Automobilsektor führe gerade bei den kleineren Zulieferern zu sinkenden Abrufzahlen, weil im Ausland zunehmend lokal zugekauft wird und nicht jeder Zulieferer mit ins Ausland gehen könne. Außerdem sei das Problem der hohen Energiepreise nicht gelöst. Die deutsche Zulieferindustrie habe in großem Umfang in die Entwicklung neuer Technologien investiert und neue Produkte, etwa für Elektromobile, zur Serienreife gebracht. Jetzt nähmen die Hersteller von Elektrofahrzeugen die angekündigten Mengen aber nicht in dem erwarteten Umfang verbindlich ab.

Das gelte auch für andere Abnehmer zum Beispiel aus der Windkraftbranche. "Im Moment stellen die Zulieferer jedenfalls fest, dass die Transformation kein erfolgreiches Geschäftsmodell ist." Von der im Juni 2024 neu gewählten EU-Kommission fordere die mittelständische Zulieferindustrie die zügige Vorlage und Umsetzung einer validen Industriestrategie, die Europa wieder gegenüber den USA und Asien dauerhaft wettbewerbsfähig mache. Es gehe jetzt darum, "der Industrie Vorfahrt einzuräumen, um nicht weiter abgehängt zu werden". Die EU-Taxonomie dürfe nicht kommen, "denn sie führt zu einer Deindustrialisierung der EU, ohne den Klimaschutz tatsächlich zu fördern", forderte Vietmeyer zudem.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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