Kommentar
14:42 Uhr, 21.09.2005

Zucker: Schauen Sie lieber zweimal hin! Wem Benzin zu teuer ist, der kommt an Zucker nicht vorbei

Europäischer Zucker war bisher ein einträgliches Geschäft. Bauern und Zuckerraffinerien konnten prima leben. Während der Zuckerkonsum der EU auf 16 Mio. Tonnen geschrumpft war, wurden mehr als 18 Mio. Tonnen subventioniert. Die Unterstützung pro Tonne wurde erhöht, wenn der Weltmarktpreis fiel und umgekehrt gesenkt, wenn er stieg. Wurde einmal über die EU Quote hinaus produziert, so konnte die Überschussmenge auf das nächste Jahr übertragen werden und fiel dann vorrangig als erste Tranche in die neue Quote. Mit dieser Gewissheit konnte man also gefahrlos drauflos produzieren, um dann im neuen Jahr sogar eine vorrangige Behandlung zu erfahren. Außerdem wurden ehemalige Kolonien und andere besonders förderungswürdige Entwicklungsländer in die Begünstigung mit aufgenommen, so dass wir mit unseren Steuergeldern vielen Rüben- und Zuckerrohrbauern zu sehr auskömmlichem Einkommen verhalfen. Wie sich jetzt zeigt, war das eigentlich nicht nötig. Es behinderte zumindest den Einfallsreichtum einer ganzen Industrie. Denn erstens führten Überproduktion und gleichzeitige Subvention zu sinkenden Weltmarktpreisen und damit wieder zu höheren Subventionen. Zweitens scheinen sich die Kapazitäten schon bei Ankündigung einer Änderung sehr schnell anzupassen, und niemand spricht von Ertragsrückgängen. Es werden eben einfach nur Grenzanbieter eliminiert, indem man ihnen die Aufgabe ihrer Quoten versilbert. Drittens steigt die weltweite Nachfrage nach Zucker mit dem kräftigen Wohlstandswachstum der Schwellenländer wieder deutlich an, so dass schon deshalb ein auskömmliches Einkommen der Zuckerrübenbauern gesichert sein sollte. Auch das Fehlen der europäischen Überschussmengen führt zu besseren Preisen. Zucker wird aber aus einem ganz anderen Grund noch zusätzlich boomen: Mehr und mehr Rüben und Zuckerrohr werden inzwischen zu Ethanol verarbeitet, das als Benzinbeimischung bereits in Südamerika reißenden Absatz findet. In Brasilien fahren inzwischen nahezu alle Autos mit Gasohol, einer 50/50 Mischung von Benzin und Ethanol. Auch andere Mischungen, sogar bis zu 100% Ethanol sind möglich. Hierfür werden dort auch die entsprechenden Motoren gebaut, die sich in Europa eben wegen der langjährigen Subventionstradition und der dadurch verursachten Verteuerung des Zuckers einfach nicht lohnten. Die Hochpreispolitik hat also Kreativität in der Schaffung alternativer Energien und den technischen Fortschritt in der Autoindustrie behindert. Das wird sich jetzt wohl ändern, nachdem die Preise nicht mehr so auskömmlich sind. Jedenfalls stellen die deutschen Autohersteller Ethanol betriebene Motoren längst in Brasilien her und könnten die Technologie (natürlich mit großem Kostenaufwand) leicht auf Deutschland übertragen. Auch die in diesem Report besprochene Südzucker scheint die Zeichen der Zeit zu erkennen, indem sie sich verstärkt der Ethanolerzeugung widmet. Im Übrigen laufen auch Ethanol betriebene Motoren bereits in Japan. Das dort verwendete Ethanol wird im Wesentlichen aus Brasilien importiert.

Die Nachfrage

Die Nachfrage war seit der letzten Zuckerhausse und der anschließende Krise in den 70er Jahren ständig gesunken, weil ja nahezu ausschließlich die entwickelten Länder als Verbraucher auftraten, und weil Zucker als unzuträglich für die Gesundheit in zunehmendem Ausmaß gemieden wurde. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war das noch ganz anders, als die heutigen Industrienationen selbst Schwellenländer waren, wie heute etwa China und Indien. Zucker fand damals reißenden Absatz. Dieselbe Entwicklung erleben wir jetzt in den bevölkerungsreichen Schwellenländern. Alles hat dort süß zu sein. Süße wird gleichgestellt mit Wohlstand. In Indien nimmt das Angebotsdefizit jährlich zu, obwohl dieses Land zu den großen Zuckerproduzenten der Welt gehört. Die Zuckernachfrage Chinas, die jährlich zweistellig zu wachsen scheint, muss zunehmend durch Importe gedeckt werden, obwohl die chinesische Regierung immer wieder behauptet, Selbstversorger bleiben zu wollen, also entsprechend höhere Anbauflächen zur Verfügung zu stellen. Dem widerspricht die zunehmende Landflucht der chinesischen Bauern, aber auch der Ethanol-Boom. Überhaupt ist Ethanol das Reizwort für den Zuckerverbraucher. Dabei hatte alles ganz klein in Brasilien begonnen. Niedrige Zuckerpreise hatten die Brasilianer auf die Idee gebracht, Ethanol aus Zuckerrohr zu erzeugen und die Autoindustrie zu zwingen, Wagen mit Motoren zu produzieren, die mit Mischungen von Ethanol und Benzin zu fahren in der Lage sind. Nahezu alle südamerikanischen Autos, mehr und mehr japanische und bald auch der Großteil der chinesischen Autos werden mit Gasohohl fahren können. In der EU sind Ethanolbeimischungen von 5% und in den USA von 10% geplant. Je höher der Benzinpreis, desto mehr Ethanol wird nachgefragt. Da nun aber die hohen Benzinpreise eine ganz neue Erfahrung sind, wird der Boom für Ethanol erst noch kommen. Die Nachfrage nach Ethanol wird die Nachfrage nach Zuckerrohr und Zuckerrüben kräftig in die Höhe treiben. Für die Zuckernachfrage werden dann immer weniger Rohprodukte übrigbleiben.

Das Angebot

Die Struktur des Weltangebots hat sich in den letzten 20 bis 30 Jahren gewaltig verändert. Spielte damals Brasilien noch eine untergeordnete Rolle, während die Industrienationen die Hauptproduzenten waren, haben sich die Gewichte heute ins krasse Gegenteil verwandelt. Brasilien hat aus den fallenden Zuckerpreisen eine Tugend gemacht. Es konnte sich ja auch nie leisten, Bauern und Raffinerien durch hohe Subventionen am Leben zu halten. So wurden schon ab Mitte der siebziger Jahre Überschussmengen in die Ethanolproduktion gesteckt und damit das inländische Zuckerangebot verknappt. Heute ist Brasilien mit einem Weltmarktanteil, der deutlich über 40% liegt, mit Abstand der größte Zucker- und Ethanolproduzent, zunehmend aber auch der nahezu einzige Exporteur. Während die Europäer durch den Abbau der Subventionen den Export gerade drosseln und wegen der hohen Preise in der Vergangenheit nie eine Rolle in der Ethanolerzeugung spielten, decken Japan, Korea und China nahezu ihren gesamten Ethanolbedarf in Brasilien ein. Erst in den kommenden Jahren wird Südzucker, die größte europäische Raffinerie, auch Ethanol produzieren. Brasilien macht heute Regen und Sonne im Zuckermarkt. Ganze Heerscharen von Analysten rätseln inzwischen, bei welchem Zuckerpreis Brasilien überhaupt zum Export von Zucker bereit ist, d.h. umgekehrt, bis zu welchem, für nicht ausreichend empfundenen Preis Brasilien die gesamte Zuckerrohrernte in die Ethanolerzeugung steckt und deshalb als Zuckerexporteur ganz ausfällt. Derweil reduziert Europa die Anbauflächen für Zuckerrüben. Das gleiche gilt für Nordamerika. Russland, China und Indien werden zunehmend zu Importeuren. Benzin wird in rasantem Wachstum durch Ethanol ersetzt, und Brasilien wird zunehmend zum Monopolisten. Das sind schöne Aussichten.

Wann kommt die nächste Zuckerhausse

Lange sollte es eigentlich nicht mehr dauern, bis die Preise explodieren. Diese Entwicklung deutet sich ja auch schon seit einiger Zeit an. Während die Europäer über eine Senkung der subventionierten Zuckerpreise nachdenken, steigt der Weltmarktpreis stetig an. Unter den Rohstoffen, die in den vergangenen drei Jahren eine gute Performance hingelegt haben, sind neben den Metallen und Erdöl ohnehin nur zwei Soft Commodities zu finden: Zucker und Kaffee. Alle anderen befinden sich im Verlustbereich oder sind maximal auf demselben, niedrigen Niveau stehen geblieben. Während Kaffee vorübergehend der Renner war, inzwischen aber wegen fehlender Fröste in Brasilien wieder zurückgefallen ist, geht es bei Zucker kontinuierlich weiter nach oben. Es braucht ja auch Zeit, bis noch mehr Autos mit dem Benzin/Ethanol Gemisch fahren können. Zuerst müssen die Motoren gebaut werden. Dann sind es auch nur Neuwagen, die für den zusätzlichen Verbrauch in Frage kommen. Langsam aber sicher wird jedoch Ethanol aus Zucker zum begehrten Brennstoff, bis es dann wieder zu einem späteren Zeitpunkt durch den Einsatz von Brennstoffzellen substituiert werden könnte. Kaum jemand macht sich klar, welche Gefahren auf uns zukommen, wenn Brasilien, wie auch bei Eisenerz und anderen Rohstoffen, zum Monopolisten für Zucker und Ethanol aufsteigt, während wir gerade dabei sind, unsere Kapazitäten abzubauen.

Zusammenfassung

Zucker ist sicher etwas für die Privatanleger. Wie bei jedem Rohstoff könnte es aber rauf und runter gehen. Mögliche Meldungen über Rekordernten werden vorübergehend zu Preiseinbrüchen führen. Sicher ist jedoch, dass Ethanol eine immer wichtigere Rolle spielen wird und dass gleichzeitig nahezu 3 Milliarden Asiaten den notwendigen Wohlstand erreichen werden, der den Menschen zum Zuckeresser macht. Je reicher er wird, desto mehr Süßes muss her. Haben Sie also keine Angst, bei Kursrückgängen immer wieder einmal ein wenig Geld in ein Zuckerzertifikat zu stecken.

Investieren in Zucker

Eine chancenoptimierte Investition in die Südzucker AG ermöglicht die Dresdner Bank mit ihrem Top-Performance-Zertifikat. Bei diesem Zertifikat werden Kurse oberhalb des Basispreises von 17,50 Euro mit einem Hebel von 1,4 nachvollzogen. Das heißt: Ein Kursanstieg der Aktie um 1 Prozent führt beim Zertifikat oberhalb des Basispreises zu einer Aufwertung um 1,4 Prozent. Kursverluste der Aktie, die den Basispreis unterschreiten, werden jedoch „ganz normal“, also im Verhältnis 1-zu-1 nachvollzogen. Unter dem Basispreis verhält sich das Zertifikat also genauso wie die Aktie, über dem Basispreis greift der Hebel. Das Zertifikat mit der WKN DR5ER5 kann täglich ge- und verkauft werden und muss nicht bis zu einem bestimmten Termin gehalten werden. Das Laufzeitende ist der 20. Juni 2008.

Zertifikat

Top-Performance

Emittent

Dresdner Bank

Spread

1,07%

WKN

DR5ER5

Basispreis

17,50 Euro

Partizipationsrate über Basispreis

140%

Wer lieber direkt in Zucker investiert, wird ebenfalls bedient. Die ABN Amro bietet zwei Zertifikate, die den Verlauf der so genannten „CSCE Sugar No. 11 C2“-Futures an der New York Board of Trade nachvollziehen. Einmal in währungsabgesicherter Version (Quanto-Open End WKN ABN3HV) und einmal ohne (Open-End WKN ABN0CE).

Zertifikat

Open End Quanto

Emittent

ABN Amro

Spread

1,22%

WKN

ABN3HV

Währungssicherung

Ja

Zertifikat

Open End

Emittent

ABN Amro

Spread

1,41%

WKN

ABN0CE

Währungssicherung

Nein

Jochen Stanzl - BörseGo GmbH

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Über den Experten

Jochen Stanzl
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Chefmarktanalyst CMC Markets
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Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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