Zucker: Con Dolore
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Derzeit herrschen auf dem Weltmarkt für Zucker außergewöhnliche Bedingungen. Da die Produktion mit der Nachfrage nicht Schritt hält und die Lagerbestände zurückgehen, sind die Zuckerpreise auf den höchsten Stand seit dreißig Jahren gestiegen. Wahrlich historisch ist die Volatilität. Auf eine Rally der Zuckerpreise in zehn Monaten - von April 2009 bis Februar 2010 - von 13 cents auf 30 cents pro Pound (453 Gramm) folgte ein Crash, der die Preise in nur vier Monaten wieder bis auf 13 cents einbrechen ließ. Nur sechs Monate später erreichen die Preise wieder die Marke von 30 cents, brechen jetzt aber wieder ein. Seit dem 10. November um 23%.
Von Presto zu Allegretto
Die Ankündigung der Warenterminbörse ICE, dem Haupthandelsplatz für Rohzucker, die Erfordernisse für Sicherheitshinterlegungen drastisch zu erhöhen, löste den Kursrutsch aus. Alle Trader und Spekulanten, die zu hoch gehebelt investiert waren, rannten alle gleichzeitig zum Ausgang, mit entsprechenden Folgen. Pro Zucker-Kontrakt, mit dem rund 50 Tonnen Zucker bewegt werden können, müssen nach den neuen Anforderungen von Nicht-Industriellen Marktteilnehmern 5460 Dollar hinterlegt werden. Das sind 2450 Dollar mehr als noch am 11. November. Bei einem Preis von 26,2 cents (15.11.2010) lautet der Kontraktwert auf 29.344 Dollar – die erforderliche Marge wuchs also auf 18,6% von zuvor 10,3%– in anderen Worten: Die Hebelwirkung wurde auf jetzt rund fünf fast halbiert. Mit diesem harten Einschnitt – eine Verdopplung der Kapitalanforderungen für den Handel von Zucker – werden besonders hoch investierte Spekulanten gezwungen, teilweise oder komplett zu verkaufen, da sie die Margenanforderungen nicht erfüllen können. Da mehrere Terminbörsen gleichzeitig intervenierten, wie zum Beispiel die Metallbörse COMEX, wurde der Verkaufsdruck besonders hoch und verteilte sich letztendlich auf den gesamten Rohstoffmarkt. Die Terminbörsen haben hohe Margenanforderungen besonders für jene Rohstoffe, die als spekulativ klassifiziert werden.
EU-Kommission: Ma non Troppo
Auf der fundamentalen Seite des Marktes hat sich indes wenig geändert. In der EU fehlen weiterhin rund neun Millionen Tonnen Zucker. Sechs Millionen Tonnen davon wurden Mitte des Jahres wegen Preisen von 30 cents und drohenden Lieferengpässen auf dem Weltmarkt außerhalb der Quoten exportiert. Anschließend brach der Zuckerpreis ein – getrieben von dieser Nachricht, aber auch getrieben durch eine Verkaufswelle von Spekulanten. Drei Millionen Tonnen fehlen jedes Jahr – und müssen vom Weltmarkt importiert werden. Da das mittlerweile schwierig geworden ist, hat die Zuckerbranche in Europa erkannt. Das europäische Quotensystem hält nicht mit dem rapiden Anstieg der Weltmarktpreise mit. Der Preis für raffinierten Rohzucker lag Anfang November bei 18,86 cents pro Pound, während der Weltmarktpreis bei 32,21 cents notierte. Nun entschied die Europäische Kommission, Rohrohrzucker zur Raffination vom 1. Dezember 2010 für neun Monate vom Importzoll zu befreien. Demnach wird Ware aus den meistbegünstigten Importländern von den anfallenden 98 Euro pro Tonne befreit. Hintergrund sind die gestiegenen Weltmarktpreise für Zucker, die zu einer Beeinträchtigung der konstanten Zuckerversorgung Europas führen könnten. Gleichzeitig denkt die Kommission darüber nach, die Ausfuhrmengen für Nichtquotenzucker von 350.000 auf 1 Million Tonnen für das Geschäftsjahr 2010/11 zu erhöhen. Nichtquotenzucker ist Zucker, der über die zugeteilte Quote hinaus erzeugt wurde. Dieser Nichtquotenzucker ist Basis unter anderem für die Ethanolherstellung in Deutschland.
Zucker: Quote Vadis?
Kurzfristig heißt es weiterhin, auch nach dem Kursrutsch: The Sky is the limit. Wir erwarten, dass der Euro zum US-Dollar in Kürze wieder nach oben drehen wird. Das bedeutet: Es dürften auch die Kapitalzuflüsse in Rohstoffe zunehmen. Das dürfte auch den Zuckerpreis wieder anheben. Langfristig dürften sich die Preise auf dem aktuellen Niveau einpendeln. Wenn man bedenkt, dass der Aufbau einer Rohrzuckerplantage rund 18 Monate in Anspruch nimmt, und an der IntercontinentalExchange die Mai-2012-Kontrakte bei 18,32 cents gehandelt werden und damit deutlich unter 27 cents für zeitnahe Lieferungen, dann spricht dies dafür, dass weiter steigende Preise nötig sein werden, wenn wir in Zukunft mehr Zuckeranbau haben wollen, um die wachsende globale Nachfrage befriedigen zu können. Auch für Europäer wird es nötig sein, dass sie mehr für Zucker bezahlen, sonst wird zwangsläufig die Qualität unserer Zuckerlieferungen zurückgehen müssen.
Autor: Jochen Stanzl – Chefredateur Finanznachrichten BoerseGo.de
BoerseGo.de ist ein Service der BörseGo AG : http://www.boerse-go.ag
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