Nachricht
10:47 Uhr, 03.05.2024

ZEW-Studie: Deutschland verliert wegen Bürokratielasten an Attraktivität

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones) - Der Standort Deutschland hat wegen seiner hohen Bürokratie- und Regulierungslast im internationalen Vergleich an Attraktivität verloren. Das ergibt eine Ländervergleichsstudie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) für die Stiftung Familienunternehmen. So erscheine etwa die Effizienz des hohen öffentlichen Ressourceneinsatzes in Deutschland im internationalen Vergleich als gering. Außerdem stimme die fehlende Marktbasierung der Klimapolitik Unternehmen pessimistisch. Laut ZEW zeigt der Vergleich mit anderen Ländern, dass Deutschland bei Reformen zur Verbesserung seiner Standortattraktivität keine Abstriche an den eigenen Politikzielen machen müsse. Vielmehr sollte es den Weg zu diesen Zielen in Richtung einer höheren Effizienz durch Verzicht auf unnötig kostspielige Regularien korrigieren.

In Deutschland wird laut ZEW das Engagement der Politik für gesellschaftliche Ziele immer noch stark daran gemessen, ob sie detaillierte Regeln zur Verhaltenssteuerung von Bürgern und Unternehmen definiert. "Auch wenn jede einzelne dieser Regeln wohlbegründet erscheint, führt das Zusammenspiel eines ständig wachsenden Regelwerks zu einem immer dichteren Netz, das unternehmerischen Entscheidungsspielraum einengt", heißt es in der Studie. "Dabei wird verkannt, dass die Kosten dieser Regulierung in letzter Konsequenz auch den zu Grunde liegenden gesellschaftlichen Zielen schaden."

Die deutsche Politik erzeuge zur Durchsetzung ihrer Ziele durch einen sehr stark regulativen Ansatz unnötig hohe finanzielle und bürokratische Kosten. Andere Länder erzielten hingegen mit einem geringeren Ressourceneinsatz eine bessere Performance.

Mit Blick auf die Klimapolitik in Deutschland betonte das ZEW, das andere Länder einen effektiveren Ansatz gewählt hätten. Skandinavische Länder zeigten in der Klimapolitik, "dass ein ehrgeiziger Ansatz nicht im Widerspruch zum wirtschaftlichen Erfolg stehen muss, wenn stärker auf Preise beziehungsweise einen Preismechanismus statt auf regulatives Mikromanagement gesetzt wird", heißt es in der Studie.

In dem Ländervergleich gibt es laut dem Forscherteam unter Leitung von Friedrich Heinemann Bereiche, wo Deutschland positiv abschneidet. So liefen die Abschätzung von Gesetzesfolgen und die Evaluation von erfolgten Regulierungsmaßnahmen in Deutschland im Vergleich der Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eher gut. Selbst bei der Dauer von Baugenehmigungen liege Deutschland im oberen Mittelfeld. Einen guten Platz im Ranking gebe es zudem für die öffentliche Auftragsvergabe.

Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, beklagt mit Blick auf die ZEW-Studie, dass sich Familienunternehmen in Deutschland in einem immer dichter werdenden Netz von Regeln zur Verhaltenssteuerung bewegten. "Das hemmt Wachstum und Investitionen und erzeugt Zorn. Der gesellschaftliche Konsens, den wir eigentlich brauchen, um die Zukunftsaufgaben zu bewältigen, geht so verloren", warnte Kirchdörfer. "Die Politik sollte die Unternehmen mit klaren Marktsignalen ermutigen und nicht mit Bürokratie frustrieren."

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

DJG/aat/mgo

Copyright (c) 2024 Dow Jones & Company, Inc.