ZEW: Europäische Verbindlichkeiten fehlen in deutschen Schuldenstatistiken
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Deutschlands finanzielle Verbindlichkeiten sind nach einer Studie des ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung höher als in den offiziellen Statistiken zur Staatsverschuldung ausgewiesen. Grund dafür sei die Verschuldung der EU, die in den nationalen Daten nicht auftaucht. Diese europäische Verschuldung führe zu verdeckten Lasten, die bald schon etwa 10 Prozent der deutschen Staatsschuld ausmachten, so das Mannheimer Institut. Besonders der Corona-Wiederaufbauplan "Next Generation EU" bringe mit seinen schuldenfinanzierten 750 Milliarden Euro finanzielle Verpflichtungen für Deutschland mit sich, die in der deutschen Schuldenstatistik fehlten.
"Die EU-Verschuldung ist politisch attraktiv. Ökonomisch setzt sie jedoch falsche Anreize, insbesondere für hoch verschuldete Mitgliedsstaaten", erklärte ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann. "Es ist dringend notwendig, dass die EU-Verschuldung auf die Staatsschulden der Mitgliedstaaten zugerechnet wird. Damit würde man die aktuelle fiskalische Intransparenz überwinden", betonte der Leiter des ZEW-Forschungsbereichs "Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft".
Der Anteil Deutschlands zur Tilgung der Zuschüsse und Programme im Corona-Wiederaufbauplan belaufe sich nach voller Auszahlung aller Mittel auf rund 109 Milliarden Euro. Zusätzlich übernehme Deutschland bis zur Rückzahlung aller Kredite daraus bis ins Jahr 2058 Garantien von 134 Milliarden Euro. Noch dazu belaufe sich Deutschlands Anteil an EU-Krediten an Nicht-EU-Staaten auf weitere rund 18 Milliarden Euro. "Für Deutschland beläuft sich die Summe aus indirekten Rückzahlverpflichtungen bei Vollauszahlung nach Plan auf 262 Milliarden Euro", sagte Heinemann. Das entspreche fast 6 Prozent des BIP. "Das ist eine stolze Summe, die den fiskalischen Spielraum Deutschland weiter einengt", konstatierte er.
Mit dem Corona-Wiederaufbauplan würden zum ersten Mal Zuschüsse an Mitgliedsstaaten und Ausgaben im EU-Haushalt über Schulden finanziert. Diese Zuschüsse müssten von den begünstigten Mitgliedstaaten nicht zurückgezahlt werden, sondern würden später aus dem EU-Haushalt getilgt. Weil der EU-Haushalt aber über die Beiträge der Mitgliedsstaaten finanziert werde, werde auch die Tilgung letztlich durch die Mitgliedsstaaten geleistet. "Dadurch entsteht eine fiskalische Intransparenz, da nationale Schuldenstatistiken nicht mehr umfassend die Verbindlichkeiten ausweisen", monierte das Institut.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/hab
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