Kommentar
09:47 Uhr, 27.09.2022

Zeit für eine Pause im Ausverkauf am Rentenmarkt

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Hätten wir jetzt keinen Inflationsdruck, würden die Anleger auf Leitzinssenkungen spekulieren. Eine Reihe von Daten und Prognosen hat in den vergangenen Tagen verdeutlicht, wie eingetrübt die Konjunkturaussichten in den kommenden Monaten sind. Aber „Hätte“ zählt natürlich nicht, der Preisdruck wird uns später diese Woche mit wahrscheinlich zweistelligen Inflationsraten in der Eurozone wieder deutlich vor Augen geführt werden. Für den Moment jedoch wäre es an der Zeit, dass die Anleger das Ergebnis ihres jüngsten Ausverkaufs an den Rentenmärkten Revue passieren lassen.

Angeführt von einem weiteren Anstieg um rund 50 Bp im britischen Giltmarkt nahmen die Staatsanleiherenditen gestern einen weiteren kräftigen Sprung nach oben. Am UST-Markt stiegen die Renditen um 10-20 Bp, bei Bunds um 5-10 Bp. Der Wahlausgang in Italien zog allerdings eine Ausweitung des 10J BTP-Bund Spreads um 13 Bp auf ein neues Jahreshoch von 244 Bp nach sich. Mit dem Anstieg der Renditen einher ging auch eine erneute Ausweitung der Leitzins-Anhebungserwartungen. Für die USA sehen die Geldmärkte nun ein maximales Leitzinsniveau von 4,75 %, für die EZB von 3,25 % und für die Bank of England sogar von 6,00 %.

Der Anstieg der Leitzinserwartungen ist vor allem Folge der zahlreichen Notenbankentscheidungen der vergangenen zwei Wochen. In Großbritannien gesellt sich freilich noch die Ankündigung der mutmaßlich inflationstreibenden Steuersenkungen dazu. Wenn die Anleger heute einmal rekapitulieren, was mittlerweile an noch umzusetzender geldpolitischer Straffung eingepreist ist, dann sollten sie zu der Schlussfolgerung kommen: Genug ist genug. Für den Moment zumindest. Die eingepreisten Leitzinspfade implizieren weitere Zinsanhebungen im Ausmaß von 150 Bp bei der Fed, 250 Bp bei der EZB und sogar 375 Bp bei der BoE. Vor dem Hintergrund der sich zusehends eintrübenden Wachstumsaussichten sollte es kurzfristig keine Veranlassung geben, das Ausmaß an erwarteter geldpolitischer Straffung noch weiter auszuweiten.

Insbesondere für Deutschland und die Eurozone sahen wir zuletzt deutliche Hinweise auf eine bevorstehende konjunkturelle Abkühlung. Zunächst waren es am vergangenen Freitag die Einkaufsmanager-Indizes (PMIs), die fast durchweg weitere Rückgänge verzeichneten, vor allem auch in den Subkomponenten für die Neuaufträge. Gestern bestätigte ein deutlicher Rückgang im Ifo Geschäftsklima-Index den Eindruck der PMIs. Getragen von einem kräftigen Minus in der Erwartungs-Komponente verbuchte der Gesamtindex einen Rückgang um 4,3 Punkte. Erst zwei Mal seit seiner Neuauflage im Jahr 2005 verbuchte das Ifo Geschäftsklima von einem Monat auf den anderen einen stärkeren Rückgang: Im März/April 2020 nach dem Corona-Ausbruch, und im März dieses Jahres nach Kriegsausbruch. Das Geschäftsklima in Belgien – früher mal ein Bellwhether für die Eurozone – verbuchte seinen stärksten Rückgang außerhalb von Finanzmarkt- und Corona-Krise. Die OECD senkte ihre Wachstumserwartungen für das Jahr 2023 in den G20-Staaten, wobei der Ausblick für Deutschland besonders markant um 2,4 Prozentpunkte auf ‑0,7 % reduziert wurde. Heute werden für die USA monatliche Daten zum Immobilienmarkt veröffentlicht. Die zinssensible Branche zeigt schon seit einigen Monaten deutliche Anzeichen einer Verlangsamung – möglicherweise können diese Daten dazu beitragen, dem Ausverkauf am Rentenmarkt Einhalt zu gebieten.

Derweil hält die USD-Stärke unvermindert an. Gestern früh fiel das Britische Pfund gegenüber dem Greenback auf ein Allzeittief von 1,0350, der EUR auf ein neues 20-Jahres-Tief (0,9554). Zwar konnten sich beide Währungen im weiteren Tagesverlauf etwas erholen, der Dollar wertete derweil aber gegenüber einer Reihe anderer Währungen auf. Am Ende des Tages schloss ein seit den frühen 1970er Jahren von der Fed berechneter nominaler handelsgewichteter Dollar-Index auf einem Allzeithoch. Zeitweilig kursierten gestern Vermutungen, die Bank of England würde dem Verfall der heimischen Währung mit einer außerplanmäßigen Zinsanhebung begegnen – letztendlich beließ es die Notenbank jedoch bei einem Statement, wonach sie auf ihrer nächsten planmäßigen Sitzung Anfang November die Lage neu bewerten werde. Heute Mittag wird der Chefökonom der BoE, Huw Pill auf einer Podiumsdiskussion sprechen. Thema der Diskussionsrunde: „Die wirtschaftlichen und geldpolitischen Herausforderungen für die Zukunft“…

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