Kommentar
08:57 Uhr, 11.05.2013

Wissen wir, wie "Hausse" geht?

Erwähnte Instrumente

Hallo liebe Leserinnen und Leser,

die Märkte sind im Höhenrausch und klettern von einem Mehrjahres- oder sogar Allzeithoch zum nächsten, ob MDAX, DAX, Dow oder S&P 500: Täglich werden hier zur Zeit neue Rekordstände verkündet. Bei vielen Marktteilnehmern mag aber nicht so recht Freude aufkommen, besonders wenn man nicht investiert ist und den Kursen hinterher schaut oder sich sogar mit Shortversuchen die Zähne ausbeißt. Insgesamt ist die gefühlte Stimmung hinsichtlich der Rally, wie ich sie im Freundeskreis, bei Webinar- und Messebesuchern oder in Börsenforen aufschnappe nicht annähernd so euphorisch, wie es uns die Indexstände glauben machen wollen, eher zurückhaltend, skeptisch und teils kritisch.

Irgendwie passt die Entwicklung an den Börsen nicht ganz zum wirtschaftlichen Status Quo in Europa und den USA, wo die Nachwehen der nun seit fast fünf Jahren schwelenden Krise alles andere als Euphorie widerspiegeln. Viele Marktteilnehmer scheinen zögerlich, sie trauen der Rally nicht ganz über den Weg. Ein schwer verschnupftes Wirtschafts- und Finanzsystem, Rekord-Arbeits- und Perspektivlosigkeit und eine nie größer gewesene Schere zwischen Arm und Reich, das alles passt so gar nicht in die schöne, heile Börsenwelt, die uns die Kurse vorgaukeln. Dabei generieren die US Indizes vor unseren Augen Kaufsignale bis in die ultralangfristigen Zeitebenen hinauf.

Wie passt das zusammen? Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise der Industrienationen mag einer der Gründe sein, warum man jetzt nicht so recht an den Start einer mehrjährigen Rally glauben mag. Ein anderer könnte einfach die Tatsache sein, dass viele der Marktteilnehmer vergessen haben, wie sich langfristige Haussen "anfühlen". Oder aber sie haben diese Erfahrung in ihrem Leben einfach noch nicht gemacht, mich eingeschlossen. Wenn man ab Anfang 2000 oder in den Folgejahren die ersten Schritte an der Börse gemacht hat, ist man gebrandmarkt von einigen negativen Erfahrungen: Das Platzen der Dotcom-Blase, die Anschläge vom 11. September und letztlich die Bankenkrise ab 2007. Zwei größere Abwärtskorrekturen, von denen die letzte extrem heftig verlief. Die Bankenkrise kostete den Dow Jones Index rund 54% an Wert in nicht einmal eineinhalb Jahren. Diese Erlebnisse prägen sich ins Gedächtnis ein und lassen in Hochphasen wie jetzt die Alarmglocken klingeln.

Stellen Sie sich das Gegenteil vor: Sie beginnen ihre Börsenlaufbahn unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg oder Mitte der 80er Jahre. Beide Male starteten gewaltige Haussephasen, die eine dauerte rund 23 Jahre und die andere18 Jahre. Man wurde regelrecht verwöhnt von explodierenden Kursen, die Börse schien abgesehen von kurzen heftigen Rücksetzern (Schwarzer Montag 1987, Asienkrise und Russlandkrise 1997 / 1998) eine Einbahnstraße gen Norden zu sein.

Anbei eine Darstellung der Trendphasen (grün) und Korrekturphasen (blau) des Dow Jones Index nach dem "Extremereigniss" Weltwirtschaftskrise:


Prinzipiell könnte der seit 2000 andauernden Korrekturphase nun eine mehrjährige Rallybewegung folgen. Sollte sie den beiden anderen große Trendphasen des letzten Jahrhunderts ähneln, könnte sie weit über 10 oder sogar 20 Jahre andauern und den Wert des Dow Jones vervielfachen. Das zumindest würde der ultralangfristige Kursverlauf aus charttechnischer Sicht hergeben. Wie ein solcher Übergang von einer mehrjährigen Korrektur in eine große Rallybewegung stattfinden könnte, hat der S&P500 Index Anfang der 80er Jahre vorgemacht. Die Kursmuster ähneln dem jetzigen Kursverlauf des Dow Jones Index sehr deutlich. Dabei spiele ich auf die Ähnlichkeit der Bewegungsmuster an und nicht unbedingt auf zeitliche und prozentuale Verhältnisse. Hier der Ausschnitt des S&P 500 Index, bunt markiert sind die damaligen Allzeithochs:


Im Dow Jones Index würde ein ähnlicher Verlauf dem folgenden Szenario entsprechen: Der Dow klettert jetzt noch bis ca. 16.000 - 17.000 Punkte, korrigiert dann 10 - 20 Monate bis 12.000 - 13.000 oder ggf. 10.500 - 11.000 Punkte, um anschließend eine Rally in Richtung 27.000 - 31.000 und später ggf. 40.000 - 45.000 Punkte zu starten. Dies wären nur die konservativen Kursziele, das an die historischen Vergleiche angelegte Rallypotenzial könnte nochmals doppelt so hoch ausfallen.

Die Put/Call Ratios an der weltgrößten Optionsbörse CBOE (Chicago Board Options Exchange), welche das Verhältnis von gehandelten Put-Optionen zu Call-Optionen anzeigen, liegen aktuell nicht in Extrembereichen, sie liegen in etwa ausgewogen im Mittelfeld. Diese unentschlossene Haltung der Marktteilnehmer würde einen solchen Anstieg des Dow in Richtung 16.000 - 17.000 Punkte (Punkt 3 im Chart) zulassen, meist fallen Extrempunkte auch mit Extremwerten der Put/Call Ratios zusammen. Eine sehr bullische Variante (rot gestrichelt) würde einen direkten Ausbruch über die Pullbacklinie und eine Rallybeschleunigung in Richtung der Zielzonen vorsehen. Nochmals der Dow Jones Chart mit den Markierungen der Allzeithochs:


Auf der anderen Seite hält der gezeigte S&P 500 Chart noch ein bärisches Szenario parat, welches mit einer versetzten Zählung der Hoch und Tiefpunkten ab dem Allzeithoch von 1966 beginnt:


Sollte die große Seitwärtsbewegung seit 2000 jetzt doch nicht enden und der Dow Jones ähnlich wie der S&P 500 in den Jahren 1973 - 1974 nochmals stark nach unten kippen, könnte eine weitere Kursspitze mit Kursen im Bereich bei 5.600 - 6.000 Punkten folgen. Dort könnte dann 2016 - 2017 ein neues Tief das Ende der großen Seitwärtsbewegung seit 2000 markieren (Punkt 6 im Chart) und der erste Rallyimpuls der großen Hausse zum Punkt X starten:


Soweit der Exkurs in die Geschichte des Dow Jones mit Ausblicken auf eine mögliche Zukunft der kommenden Jahre, sofern die bislang angefallenen Parallelen der gezeigten Korrekturbewegungen strukturell bestehen bleiben. Er soll aufzeigen, was möglich ist, auch wenn es aus jetziger Sicht schier unmöglich scheint. Der Blick auf die Kursverläufe des letzten Jahrhunderts mit Haussephasen von 1000 - 2000 % relativiert unsere Vorstellungen von "möglich" und "unmöglich" etwas. Das Umschalten von 13 Jahren Jojo-Seitwärtsmarkt in einen großen Bullenmarkt dürfte vielen Marktteilnehmern noch schwer fallen und seine Zeit brauchen, so könnte letztlich eine Hausse in Schwung kommen.

Andererseits wäre auch nochmals eine große Abwärtsphase als bereinigendes Gewitter, als "Finale" der schwelenden Finanz- und Systemkrise denkbar und würde problemlos ins historische Bild passen. Ein solcher Kurssturz bis 6.000 Punkte oder tiefer würde vom jetzigen Niveau aus einem Crash von 60 % entsprechen, was dann der zweitstärkste Einbruch nach der Weltwirtschaftskrise 1929 - 1932 (-90%) wäre. Noch favorisiere ich die bullische Variante, sogar die sehr bullische Variante (rot gestrichelt) würde ich dem Markt zutrauen. Letztlich werde ich mich an kurzfristigen Signalen orientieren und in kleinen Schritten denken und traden.


Ein schönes Wochenende und viel Erfolg,
André Rain - Technischer Analyst bei GodmodeTrader.de

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"Offenlegung gemäß §34b WpHG wegen möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert."

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Über den Experten

André Rain
André Rain
Technischer Analyst und Trader

André Rain ist seit dem Jahr 2000 im Aktienhandel aktiv. Hier startete er bereits mit seiner autodidaktischen Ausbildung in Chartanalyse. Die Faszination für die Charttechnik führte ihn im Mai 2005 zu GodmodeTrader, dem Vorgänger-Portal von stock3.com, wo er als Technischer Analyst mit Schwerpunkten auf Aktien- und Indexanalysen tätig ist. Seit 2004 handelt er privat intensiv Aktien und Hebelzertifikate im kurzfristigen Zeitfenster von wenigen Minuten bis mehreren Stunden. Dabei hat er sich auf den Handelsstil des Ausbruchstradings spezialisiert, mit dem er an kurzen, dynamischen Marktbewegungen partizipiert. Seiner Meinung nach ist der Chart das beste Instrument zur Auswertung und Prognose von Bewegungen an den Finanzmärkten.

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