Kommentar
14:00 Uhr, 21.03.2008

Wirtschaftswunder hilft Vietnams Börse derzeit wenig

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  • DWS Vietnam Total Retun Inde
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Der vietnamesische Aktienmarkt hat sich zuletzt zwar wieder etwas erholt auf aktuell 644 Punkte beim richtungsweisenden VN-Index. Als Stütze erwies sich dabei die Nachricht, dass die für Ausländer bisher geltende maximale 30-prozentige Beteiligungsgrenze für OTC-gelistete Unternehmen auf 40 Prozent angehoben werden soll. Ausgelöst wurde das jüngste Plus aber auch durch die nicht näher spezifizierte Ankündigung der Regierung, demnächst Aktien zur Marktstabilisierung kaufen zu wollen. Der Anstieg ist damit im Grunde genommen auf eine Verzweiflungstat zurückzuführen. Denn nach den zuletzt schweren Verlusten sahen sich die Verantwortlichen offenbar zum Handeln gezwungen. Dazu muss man wissen, dass sich der 150 Titel umfassende VN Index in den vergangenen zwölf Monaten in der Spitze in etwa halbiert hat. Alleine in diesem Jahr hatte sich der Indexstand gedrittelt, womit der VN-Index weltweit eines der schwächsten Börsenbarometer darstellte.

Kursverluste in diesem Ausmaß sind generell außergewöhnlich. Erst Recht sind sie das aber im Falle von Vietnam. Schließlich wird das Land allerorten als Wirtschaftswunderland gepriesen und diesem Ruf ist man bisher auch gerecht geworden. Außerdem haben die sehr guten wirtschaftlichen Aussichten weltweit eine regelrechte Vietnam-Anlagemanie bewirkt. Auch in Deutschland wurden etliche Investmentvehikel (unter anderem gibt es sechs Vietnam-Zertifikate) aus dem Boden gestampft, die hiesigen Anlegern ein Mitmischen ermöglichen. Doch obwohl die Produkte mit vielen Vorschußlorbeeren an den Start gingen, fällt die Bilanz bisher sehr ernüchternd aus. So hat das DWS Vietnam Total Return Zertifikat (ISIN: DE000DWS0GB2, 34,17 Euro) gegenüber dem Hoch 59 Prozent an Wert verloren und auch gemessen am Startpreis steht ein Minus zu Buche.

Inflation wird zunehmend zu einem Problem

Beim Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes erschließt sich einem der Grund für das schlechte Abschneiden zunächst nicht. Schließlich glänzt Vietnam, das in einer Studie von Pricewaterhouse Coopers gegenwärtig als attraktivstes Investitionsziel unter 20 ausgewählten Schwellenländern bezeichnet wird, nach wie vor mit einer hohen Wachstumsdynamik. Das seit 1991 verbuchte BIP-Plus von im Schnitt 7,6 Prozent ist weltweit das zweithöchste nach China. 2007 belief sich die Wachstumsrate sogar auf 8,5 Prozent und für dieses Jahr strebt die Regierung sogar einen Zuwachs von neun Prozent an. Und auch in den kommenden Jahren soll es mit kräftigen Schritten weiter vorwärts gehen. So rechnet der stellvertretende Ministerpräsident Nguyen Sinh Hung bis 2020 mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von acht bis zehn Prozent.

Dass die Bären inzwischen trotzdem das Ruder übernommen haben, hat mit verschiedenen Faktoren zu tun. Einer der wichtigsten Gründe ist dabei die anziehende Inflation. Diese betrug im Februar 15,7 Prozent und Volkswirte rechnen auch in den kommenden Monaten mit einer anhaltenden hohen Teuerungsrate. Im Kampf gegen dieses wachsende Problem wurden bereits mehrere geldpolitisch restriktive Schritte wie eine Zinserhöhung und Liquiditätsentzug beschlossen, was die Kurse kräftig unter Druck setzte. Doch nicht nur die Inflation zeigt Risse im volkswirtschaftlichen Fundament, sondern auch das Haushaltsdefizit von geschätzten 6,9 Prozent für 2007 und 6,6 Prozent für 2008 ist etwas zu hoch. Auf wachsende Ungleichgewichte weist auch die Handelsbilanz hin. Das Defizit hat sich hier in den ersten beiden Monaten 2008 mit 4,29 Mrd. Dollar mehr als verdreifacht. Das gibt zu denken, auch wenn die Finanzierung bei Auslandsinvestitionen, die 2007 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 120 Prozent auf gut 20 Mrd. Dollar angezogen haben, machbar ist

Bewertungsrelationen haben sich normalisiert

Bei der Würdigung der jüngsten Kursverluste darf aber auch nicht vergessen werden, dass der VN Index in den Jahren zuvor eine Kursvervielfachung erlebt hat. Dies hat zu einer Überhitzung des Marktes und zu einer Überbewertung geführt. Mit durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnissen von fast 40 war die Börse ganz einfach reif für eine Gegenbewegung. Eine Bürde für den Markt stellten zuletzt in den vergangenen Wochen zudem überteuert angebotene Privatisierungskandidaten dar, die deswegen auch eine nur geringe Nachfrage stießen. Außerdem stellen die auch in der Zukunft weiterhin anstehenden zahlreichen Privatisierungen und Kapitalerhöhungspläne langfristig ein Damoklesschwert dar.

Will man den jüngsten Kursverlusten etwas Positives abgewinnen, dann ist es das, dass dadurch die vorherigen Übertreibungen weitgehend bereinigt wurden. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 15 auf Basis der für 2009 erwarteten Gewinne ist der Markt jetzt auch absolut betrachtet wieder vernünftig bewertet. Und gemessen an den erwarteten Gewinnsteigerungen auf Unternehmensebene, die laut Dragon Capital 2008 im Schnitt um 11,8 Prozent und 2009 um 17,2 Prozent wachsen sollen, kann inzwischen sogar von einer relativ günstigen Bewertung gesprochen werden.

Mit Verweis auf die wieder moderatere Bewertung melden sich mittlerweile auch wieder lokale Broker mit optimistischen Einschätzungen zu Wort. So ist für die Experten bei PXP Vietnam Asset Management nach dem drastischen Einbruch definitiv die Zeit zum Kaufen für jene Anleger gekommen, welche nach wie vor an die langfristig positiven Aussichten für Vietnam glauben. Die erwähnte Ankündigung des Staates, zur Marktstabilisierung Aktien kaufen zu wollen und die Aufhebung der Beteiligungsgrenzen, könnten der Börse kurzfristig zu einer weiteren Erholung verhelfen. Wie es mittelfristig weiter geht, wird aber vermutlich stark davon abhängen, ob dem Kampf gegen die Inflation Erfolg beschieden sein wird. Und auch charttechnisch gesehen kann grünes Licht für einen Neueinstieg erst dann gegeben werden, wenn der noch vorherrschende Abwärtstrend überwunden wird.

Quelle: Ostbörsen-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
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Chefmarktanalyst CMC Markets
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Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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