Wirtschaftsweiser Werding: Rentenpolitik ist nicht fair
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Der Wirtschaftsweise Martin Werding hat vor den Folgen des Rentenpakets 2 gewarnt, das die Regierungskoalition noch in diesem Monat auf den Weg bringen will. "Die Koalition verlässt mit ihren Plänen den Pfad der Rentenpolitik der letzten 20 Jahre", sagte das Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft dem Nachrichtenportal Web.de News. Vor allem, dass das Rentenniveau dauerhaft festgeschrieben werden soll, hält Werding demnach für einen Fehler. "Aus Sicht derer, die es bezahlen müssen, ist es nicht fair. In der Rentenpolitik ist oft von Anstand und Respekt die Rede. Was ich vermisse, ist Respekt gegenüber den Beitragszahlern", so der Volkswirt.
Auch das geplante "Generationenkapital", das den Anstieg der Beitragssätze in Zukunft dämpfen soll, hält Werding für unausgereift. Es sei falsch angelegt. "Der Staat leiht sich Geld, zahlt dafür Zinsen und investiert am Kapitalmarkt. Die Rendite wird so bereits durch die Zinsausgaben geschmälert", kritisierte Werding. Ab 2036 seien Ausschüttungen von 10 Milliarden Euro vorgesehen - bei Rentenkosten von dann vermutlich 550 Milliarden Euro. "Das zeigt: Es ist nicht mehr als der Tropfen auf dem heißen Stein".
Werding schlug vor, das Rentensystem umzubauen, einen Teil der individuellen Beiträge direkt in Aktien zu investieren. "Da ist die Rendite deutlich höher als im Umlageverfahren der gesetzlichen Rente", sagte er. Es sei auch denkbar, die private und betriebliche Altersvorsorge weiter zu stärken. "Nur: Man muss etwas tun", so Werding. Mit Blick auf die steigende Lebenserwartung schlug der Wirtschaftsweise vor, mit Ausnahme von Härtefällen etwas länger zu arbeiten. "Vom Grundsatz sollte aber gelten, dass das Renteneintrittsalter langsam und regelgebunden steigt. Das heißt: Wenn die Lebenserwartung im Schnitt um ein Jahr steigt, sollten zwei Drittel davon, also acht Monate, in eine längere Lebensarbeitszeit übersetzt werden und ein Drittel in einen längeren Rentenbezug."
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte diese Woche bekräftigt, dass das Kabinett in der kommenden Woche das Rentenpaket 2 beschließen werde. In dem Paket sei mit dem geplanten Generationenkapital eine "historische Veränderung" vorgesehen, denn erstmals werde in der ersten, gesetzlichen Säule der Altersvorsorge das Instrument der Kapitaldeckung genutzt. Die Regierung will mit dem Rentenpaket das Rentenniveau stabilisieren sowie Beitragssteigerungen eindämmen und plant dafür mit dem Generationenkapital eine teilweise Finanzierung über Aktien. Vorgesehen ist, die Haltelinie für das Rentenniveau von 48 Prozent bis 2039 zu verlängern. Im Herbst soll zudem ein Gesetzentwurf zur privaten Altersvorsorge ins Kabinett kommen.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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