Kommentar
15:06 Uhr, 03.11.2004

Wird Ohio zum neuen Florida?

1. Die meisten Stimmen für die Präsidentschaftswahl in den USA sind ausgezählt. Erneut bahnt sich eine Hängepartie an, denn die Entscheidung hängt nun allein vom Wahlergebnis in Ohio ab. Dort könnte die Kontrolle und Auszählung der vorläufig zugelassenen Wahlstimmen und der Briefwahlstimmen noch mindestens elf Tage dauern. Wie viele Voten betroffen sind, ist nicht sicher, eine Größenordnung von 250.000 Stimmen wurde von den Demokraten genannt, dies dürfte jedoch als Obergrenze für den tatsächlichen Wert angesehen werden. Der Vorsprung von Bush in Ohio betrug nach Abschluss der Auszählung rund 136.000 Stimmen. Aufgrund dieser Konstellation kann damit gerechnet werden, dass der alte und neue Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika George W. Bush heißen wird. Die wichtigste Nachricht ist jedoch, dass das amtliche Endergebnis wie schon vor vier Jahren auf sich warten lässt. Diese Unsicherheit könnte die Finanzmärkte und den US-Dollar belasten.

2. Was bedeutet ein trotz aller Unsicherheit zu erwartender Sieg Bushs? Bezüglich der Wirtschaftspolitik kann man davon ausgehen, dass Bush in seiner zweiten Amtsperiode wenig Grundsätzliches ändern wird. Da die Republikaner im Kongress bei den gestrigen Wahlen ebenfalls die Mehrheit gewonnen haben, dürfte es Bush zumindest gelingen, die Befristung seiner Steuersenkungen aufzuheben. Da Bush bisher keine Anzeichen einer beginnenden Sparpolitik gezeigt hat, bleibt die Finanzpolitik also mindestens neutral und dürfte damit auf absehbare Zeit keine Bremswirkungen auf das Wirtschaftswachstum entfalten. Bushs Verzicht auf Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung und auf Eingriffe in das Gesundheitssystem zeigt, dass er weiterhin diesbezüglich mehr auf die Marktkräfte vertraut als es Kerry getan hätte. Einzig mit steuerlichen Anreizen will Bush die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung verbessern. Zudem hat er Andeutungen gemacht, dass er das Rentensystem zumindest teilweise auf eine private Altersvorsorge umstellen will, und zwar über steuerlich bevorzugte Versicherungsbeiträge. Wünschenswert wäre es, dass Bush sein Versprechen wahr macht, das Steuersystem zu vereinfachen. Allerdings ist dies ein Kraftakt, dessen Durchsetzung Ruhe an allen anderen Fronten erfordert. Dafür ist wohl die außenpolitische Lage derzeit zu schwierig, auch wenn es von Vorteil ist, dass Bush mit einer republikanischen Kongressmehrheit über einen größeren Handlungsspielraum verfügt, als es bei Kerry der Fall gewesen wäre.

3. Dank der günstigen politischen Konstellation, ist zu wünschen, dass Bush die großen anstehenden Herausforderungen in Angriff nimmt und die Weichen für die Zukunft der USA richtig stellt. Hierzu zählen vier Punkte: Erstens, das in seiner ersten Amtszeit stark gestiegene Haushaltsdefizit muss reduziert werden, damit der Staat für die Baby-Boomer-Generation gewappnet ist, die in Kürze ins Rentenalter kommt und dann über das umlagefinanzierte Rentensystem und über die Krankheitsversorgung die öffentliche Hand viel Geld kosten wird. Bush hat die Einnahmenseite des Staatshaushalts kräftig gekürzt und muss nun auf der Ausgabenseite Beschneidungen vornehmen, beispielsweise bei der Förderung exportabhängiger Unternehmen oder durch eine Kosteneindämmung im Gesundheitswesen. Zweitens, Bush müsste eine Reform des Gesundheitsversicherungssystems angehen, die politisch schwerer durchzusetzen sein dürfte als eine Reform der anderen Sozialversicherungssysteme. Das Problem ist unter anderem, dass steigende Gesundheitskosten Inflationsrisiken in sich bergen, die die Fed zu Zinserhöhungen herausfordern, und sie haben gleichzeitig beschäftigungsdämpfende Effekte. Drittens, der starke Anstieg der Energie- und Ölpreise in diesem Jahr weist darauf hin, dass die USA ihre Abhängigkeit von politisch instabilen erdölproduzierenden Staaten und damit ihren Energiemix überdenken müssen. Eng damit einher gehen umweltpolitische Fragen. Viertens, das Phänomen der Verlagerung arbeitsintensiver Industrien in das (asiatische) Ausland (Outsourcing) und der quasi-fixierte Wechselkurs des chinesischen Renminbi gegenüber dem US-Dollar haben gezeigt, dass die Bush-Administration sich stärker mit dem Problemkreis "China" auseinandersetzen muss. Zwar hat das Outsourcing nur relativ geringfügige Effekte auf den US-Arbeitsmarkt. Allerdings wird es aller Wahrscheinlichkeit nach auch in den kommenden Jahren die politische Debatte dominieren und damit die Gefahr des Protektionismus, dem die Bush-Administration bislang auch nicht abhold war, heraufbeschwören. Eng damit zusammen hängt die Frage, welche Auswirkungen eine Aufwertung des Renminbi und eine damit einher gehende Abwertung des US-Dollars auf die Weltwirtschaft hätte. Je früher die Bush-Administration Maßnahmen einleitet, die die Budgetdefizite verringern, desto eher kann die Gefahr eines Dollar-Crashs mit all seinen Konsequenzen, also steigenden Zinsen, Inflationsgefahren und einer globalen Rezession, vermieden werden.

4. Sollte sich an der Finanzpolitik Bushs nichts ändern, so ist davon auszugehen, dass die langfristigen Zinsen auf längere Sicht um 50 bis 80 Basispunkte höher ausfallen als bei einer restriktiveren Finanzpolitik. Bush will die unter ihm durchgeführten Steuersenkungen permanenter Natur machen. Es wird erwartet, dass dies kurzfristig positiv für den Aktienmarkt ist, weil zu den gesenkten Steuern auch die Steuern auf den Faktor Kapital zählen (die Dividenden-, die Kapitalgewinn-, die Erbschaftsteuer und die Steuern für die Topverdiener wurden gesenkt). Diese Argumentation ist zwar nicht falsch, insbesondere auf die längere Frist müssen jedoch noch andere Faktoren berücksichtigt werden: Zum einen werden im Zeitablauf die hohen Budgetdefizite die Zinsen ansteigen lassen, damit private Investitionen verdrängen und somit das Potenzialwachstum, das eine zentrale Determinante des Aktienmarktes ist, senken. Zum anderen hat ein Rückgang der Kapitalbesteuerung für sich genommen einen positiven Effekt auf die Aktienmärkte, sollte aber auf längere Sicht zweitrangig gegenüber dem Gesamteffekt höherer Defizite auf das Potenzialwachstum sein. Es könnte somit durchaus sein, dass der Sieg Bushs mittel- bis langfristig sowohl für die Aktien- als auch Bondmärkte ungünstig ist. Allerdings muss beachtet werden, dass es historisch gesehen keinen systematischen Einfluss des Wahlausgangs der Präsidentschaftswahlen auf die mittel- bis langfristige Entwicklung der Aktienund Bondmärkte gibt.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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