Kommentar
14:00 Uhr, 10.10.2008

Wir haben die Talsohle bald erreicht

Es war ein Fehler, Lehman Brothers nicht vor der Pleite zu bewahren "Die Ereignisse bei Lehman Brothers haben die Entwicklung aus meiner Sicht dramatisch beschleunigt. So hat der Zusammenbruch von Lehman Brothers die Inhaber vorrangiger Anleihen mit in den Abwärtsstrudel gerissen. Ich bin der Überzeugung, dass es ein Fehler war, Lehman Brothers nicht vor der Pleite zu bewahren, und dass sich dies im Rückblick als Knackpunkt erweisen wird. Die Auswirkungen auf die Märkte waren enorm. Das führte dazu, dass einige US-Geldmarktfonds inzwischen den Nennwert unterschritten haben. Somit nahm am Interbankenmarkt die Zurückhaltung bei der Kreditvergabe weiter zu, was Banken mit Liquiditätsproblemen in die Pleite trieb."

Die Maßnahmen der Regulierer verlieren ihren sporadischen Charakter "Die Regulierungsbehörden haben bislang vor allem reagiert. Man schaue sich nur an, was bei Bear Stearns, AIG und anderen passierte. Mittlerweile aber scheinen die Regulierer zunehmend proaktiv zu handeln. Das zeigen beispielsweise die für Spareinlagen in Irland und Deutschland abgegebenen Garantien sowie die kollektiven Zinssenkungen der wichtigsten Zentralbanken. Die aktuellen Probleme werden die Regulierungsbehörden zwar nicht allein lösen, dafür aber zumindest einen Markt für Vermögenswerte wie zum Beispiel mit Hypotheken besicherte Wertpapiere (MBS) schaffen können."

Das Gelddrucken der Regierungen wird die Inflation nicht anheizen "Das Gelddrucken wird keinen Inflationsdruck verursachen. Denn obwohl die Regierungen derzeit Liquidität in Hülle und Fülle bereitstellen, leihen die Banken sie nicht aus. Zudem sollten wir nicht unterschätzen, in welchem Maße die Konjunkturabkühlung den Inflationsdruck bremsen wird."

Ich rechne mit einem steigenden Dollarkurs
"In Europa hatten wir uns zu starr auf die Probleme in den USA konzentriert, obwohl die Folgen globaler Natur waren. Aus diesem Grund verlor der Dollar gegenüber anderen wichtigen Währungen an Wert. Ich rechne derzeit mit einem steigenden Dollarkurs. Dies würde für zahlreiche europäische Firmen Folgen haben. Das Beispiel Hennes & Mauritz zeigt das gut. Die Bruttomarge der Modemarke geriet enorm unter Druck, als sich die Trends der letzten fünf Jahre plötzlich umkehrten. Insbesondere mit Blick auf die Emerging Markets ist aus meiner Sicht derzeit Vorsicht geboten, denn sie sind in den letzten Jahren ganz oben auf der Welle mitgeschwommen. In nächster Zeit aber sind Verluste ihrer Währungen gegenüber dem Euro nicht ausgeschlossen."

Der Rettungsplan könnte sich für die US-Regierung zu einem äußerst rentablen Geschäft entwickeln
"Sinn und Zweck des US-Rettungspakets ist es, einen Markt für MBS-Papiere (Mortgage Backed Securities) und damit eine Preisuntergrenze zu schaffen, da es auf aktuellem Niveau keine Käufer gibt. Und das, obwohl einige Banken ihre MBS-Papiere auf 20 bis 25 Prozent ihres ursprünglichen Wertes berichtigt haben. Die US-Regierung könnte für diese Papiere einen realistischeren Wert von circa 50 Prozent des ursprünglichen Wertes ansetzen, was viele regionale US-Banken vor der Pleite bewahren würde. Zudem könnten Banken, die den Wert dieser Bestände bereits auf 20 bis 25 Prozent wertberichtigt haben, Wertzuschreibungen vornehmen und damit ihre Kapitalbasis stärken."

Das Leerverkaufsverbot wird viele Nachwehen haben, für uns aber von Vorteil sein
"Nach dem Abklingen der aktuellen Krise könnten Vorschriften zu Lasten von Hedgefonds in Kraft treten, um den generellen Unmut der Öffentlichkeit zu besänftigen. Zu den besonderen Problemen, mit denen wir uns derzeit herumschlagen müssen, gehört es, Hedgefonds mit Liquiditätsproblemen zu meiden, was für zusätzliche Schwankungen an den Märkten sorgt. Für uns aber bietet sich hiermit auch eine großartige Chance, unseren Marktanteil auszuweiten."

Wir haben die Talsohle bald erreicht
"Zu den zentralen Indikatoren, die uns zeigen, dass wir die Talsohle bald erreicht haben, gehören massive Verkäufe seitens der Privatanleger - und genau das scheint derzeit der Fall zu sein. Zudem könnten weitere Zinssenkungen positive Impulse für die Märkte setzen. Ob die Wende im nächsten Monat, in zwei oder drei Monaten kommt, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Aber Aktien sind auf Drei-Jahressicht günstig und bieten zurzeit bei einer selektiven Einzeltitelauswahl attraktive Investmentgelegenheiten."

Alexander Scurlock - Fondsmanager des Fidelity European Growth Fund

Quelle: Fidelity

Die 1946 gegründete US-Investmentgesellschaft Fidelity ist das größte unabhängige Fondsmanagement-Unternehmen der Welt. Es beschäftigt insgesamt 35.000 Mitarbeiter an 36 Standorten und stellt privaten und institutionellen Anlegern Investmentprodukte und -dienstleistungen zur Verfügung. Die deutsche Niederlassung Fidelity Investment Services GmbH in Frankfurt betreut ein Fondsvermögen für private Anleger von 12,25 Mrd. Euro, vertreibt 104 Publikumsfonds direkt sowie über mehr als 600 Kooperationspartner und beschäftigt 210 Mitarbeiter (Stand: 31.12.2007).

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