Analyse
00:00 Uhr, 13.09.2008

"Wir bewerten das Eingreifen eindeutig positiv"

Externe Quelle: UniCredit
An den Märkten geht die Rezessionsangst um, und diese Angst hat einen kräftigen Anstieg der Risikoaversion bewirkt. In dieser Ausgabe des Freitagspapiers kommen wir zu dem Ergebnis, dass die USA anfällig bleiben und dass im Euroraum eine technische Rezession gut möglich ist. Allerdings sollte eine solche technische Rezession auch nicht überbewertet werden. Unsere Prognosetabellen am Ende des Freitagspapiers zeigen, dass wir sowohl in den USA als auch in Europa sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr insgesamt immer noch Wachstum erwarten, wenn auch ein bescheidenes. Unser Szenario ist also weit entfernt von einer weltweiten Rezession. Die dramatischen Marktreaktionen in den letzten Wochen sind vor allem als eine Reaktion auf die zuvor übertrieben optimistischen Erwartungen zu verstehen. Nun kommen alle auf den Boden der Tatsachen zurück und die Marktteilnehmer haben erkannt, dass der Rest der Welt sich von den Problemen in den USA nicht wirklich abkoppeln kann. Dies haben wir seit dem Beginn der Wachstumsabschwächung in den USA immer wieder betont. Es bedeutet aber nicht, dass eine tiefe globale Rezession unausweichlich ist und unserer Ansicht nach rechtfertigen die Daten auch nicht die Panik, die derzeit die Märkte erfasst. Staatliche Interventionen nach dem unten beschriebenen Muster werden helfen, die Stimmung allmählich wieder zu stabilisieren.

Die US Treasury hat das Unvermeidbare getan und Fannie Mae sowie Freddie Mac de facto verstaatlicht. Die beiden Government Sponsored Enterprises (GSEs) sind die wichtigsten Akteure am US-Hypothekenmarkt. Mit der Intervention soll sowohl der Wohnimmobilienmarkt (die Treasury fördert direkt einen besseren Zugang von Hypotheken) als auch der Finanzmarkt gestützt werden, an dem beträchtliche Engagements in den Anleihen und hypothekenbesicherten Wertpapieren (MBS) der beiden GSEs gehalten werden. Der Plan dürfte das zuletzt sinkende Vertrauen in den USWachstumsausblick wieder herstellen. Gleichzeitig dürften die Aussichten für das Finanzsystem zu diesem wesentlichen Zeitpunkt – unmittelbar vor den gefürchteten Veröffentlichungen der Quartalsergebnisse wichtiger Banken – Unterstützung erhalten.

Die wichtigsten Punkte der Rettungsaktion sind:

– Die Federal Housing Finance Agency (FHFA) übernimmt Fannie Mae und Freddie Mac.
– Die Treasury erhält 1 Mrd USD an Vorzugsaktien und hält damit 80% der GSEs.
– Die Treasury wird je nach Bedarf in jedem Unternehmen bis zu 100 Mrd USD an Aktien erwerben, um einen positiven Nettowert zu gewährleisten.
– Fannie Mae und Freddie Mac sowie zwölf weitere landesweite Hypothekenbanken erhalten von der Treasury eine gesicherte kurzfristige Finanzierung.
– Die Chefs von Fannie Mae und Freddie Mac werden ersetzt, die Dividenden ausgesetzt, und die bestehenden Beteiligungen von Aktionären werden durch die neuen Vorzugsaktien der Treasury verwässert. Dies ist der Preis, den die Treasury für ihre Intervention verlangt, um den Charakter eines „Notkaufs“ zu minimieren.
– Die Treasury wird hypothekenbesicherten Wertpapieren (MBS) der beiden GSEs kaufen und halten.
– Die MBS-Portfolios der GSEs werden bis Ende 2009 moderat anwachsen dürfen, um die Verfügbarkeit von Hypotheken zu erhöhen. Ab 2010 werden diese Portfolios dann aber schrittweise deutlich zurückgefahren.

Die Krise um Fannie Mae und Freddie Mac war schon lange abzusehen. Die beiden Institutionen wurden gegründet, um die Entwicklung des Hypothekenmarkts und den Eigenheimbesitz zu fördern. Sie operierten im Prinzip als staatliche Agenturen und profitierten von der Annahme der Marktteilnehmer, dass die Regierung ihnen bei Schwierigkeiten unter die Arme greifen würde. Seit die beiden Agenturen in ihrer heutigen Form bestehen, hat es ganze vierzig Jahre gedauert (siebzig Jahre seit der Gründung von Fannie Mae), bis diese Schwierigkeiten in Form der Subprime-Krise aufgetreten sind. In den Boomjahren 2006/07 übernahmen Fannie Mae und Freddie Mac immer riskantere Darlehen und mussten folglich beträchtliche Verluste hinnehmen. Als sich ihre finanzielle Situation verschlechterte, waren sie nicht in der Lage, neues Kapital aufzunehmen, sodass eine Staatsintervention unausweichlich wurde. Der US-Finanzminister Paulson erklärte ausdrücklich, dass ein fehlerhaftes Führungsmodell die Wurzel des Problems bildet. Dieses Modell müsse reformiert werden. Die Intervention der Treasury wurde erwartet. Die meisten Marktteilnehmer waren sich schon lange darüber einig, dass die Krisen des Finanzsektors und der Gesamtwirtschaft nur gelöst werden könnten, wenn sich der US-Wohnimmobilienmarkt stabilisiert. Paulson äußerste sich dazu an diesem Wochenende: „Die Trendwende hängt von Fannie Mae und Freddie Mac ab.”

Wir bewerten das Eingreifen eindeutig positiv. Die Intervention der Treasury wird sowohl den Wohnimmobilienmarkt als auch das Finanzsystem stützen. Viele Anleger auf der ganzen Welt, darunter auch Zentralbanken, halten Anleihen und MBS von Fannie Mae und Freddie Mac. Die Rettungsaktion ist ausdrücklich darauf ausgerichtet, die Hypothekenkosten für Inhaber von Eigenheimen zu verringern. Die Intervention ist zwar keine Wunderwaffe – und natürlich dürfte sie alleine nicht ausreichen, um die immer noch vorhandenen erheblichen Probleme zu beseitigen –, aber sie nimmt ein umfangreiches Abwärtsrisiko aus dem Spiel und erhöht die Chancen beträchtlich, dass die ersten Anzeichen einer Stabilisierung des Wohnimmobilienmarkts allmählich bestätigt werden.

Ich argumentierte bereits zu Beginn der Krise, dass eine staatliche Intervention im Ausmaß und in der Art der Resolution Trust Corporation erforderlich sei. Schritt für Schritt nimmt eine solche Lösung jetzt Form an. Bemerkenswert ist, dass Finanzminister Paulson heute fast die gleichen Argumente vorbrachte, die bereits zur Rechtfertigung der Rettung von Bear Stearns angeführt wurden: „Fannie Mae und Freddie Mac sind so groß und so eng mit unserem Finanzsystem verflochten, dass ein Bankrott auch nur einer dieser beiden Gesellschaften die Finanzmärkte hier in den USA und auf der ganzen Welt in eine Krise stürzen würde.“ Die Regierung hat die Strategie der Fed übernommen und ergreift nun Maßnahmen, die den Wohnimmobiliensektor und das Finanzsystem bestmöglich unterstützen sollen.

In den nächsten Tagen dürften zwei Hauptkritikpunkte auftauchen. Erstens, die Intervention wird nicht ausreichen, um die Talfahrt des Wohnimmobilienmarkts sowie die anhaltende Verschlechterung des Finanzsystems zu stoppen. Zweitens, indem die US-Regierung die Verbindlichkeiten von Fannie Mae und Freddie Mac übernimmt, riskiert sie einen erheblichen Schuldenanstieg und somit möglicherweise auch ihr AAA-Rating. Beide Argumente sind wenig überzeugend. Die Tatsache, dass die GSEs drastisch unterkapitalisiert waren, bedeutet nicht, dass der Anteil ihrer ausfallenden Verbindlichkeiten ausreichen könnte, um die Bonität der USRegierung zu gefährden.

Zum ersten Kritikpunkt: Am Wohnimmobilienmarkt sind bereits erste Anzeichen einer Stabilisierung zu verzeichnen und die Gesamtwirtschat hält sich bislang noch recht gut – ungeachtet der aktuellen besorgniserregenden Zahlen zur Arbeitslosigkeit – und in diesem Umfeld dürfte die Intervention der Regierung tatsächlich den Wohnimmobilienmarkt stützen. Dies heißt aber nicht, dass alles überstanden ist – das Gegenteil ist der Fall. Die Unsicherheiten und Risiken für die Wirtschaft und den Finanzausblick dauern weiter an und werden auch künftig gefährliche Schwankungen an den Märkten auslösen. Die Maßnahme der US Treasury sorgt allerdings für eine bitter nötige Atempause.

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