Kommentar
17:16 Uhr, 26.05.2022

Wieso wirken Zinsen so stark auf die Nachfrage?

Um die Inflationsrate zu senken, muss die Nachfrage gesteuert werden. Notenbanken tun dies über die Zinsen. Aber wie gut funktioniert das überhaupt?

In aller Kürze: Es funktioniert sehr gut. Etwas vereinfacht kann man sagen, dass Wirtschaftswachstum dem Kreditwachstum gleicht. Nominales Wirtschaftswachstum und Kreditwachstum sind über weite Strecken kaum voneinander zu unterscheiden (Grafik 1).

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Kreditwachstum wird von mehreren Faktoren bestimmt, unter anderem den Zinsen. Andere Faktoren können eine Rolle spielen. Bei Konsumenten kommt es unter anderem darauf an, wie viel Vermögen sie haben. Vor Beginn der Finanzkrise, als das Immobilienvermögen auf ungesunde Höhen stieg, wurde Konsum durch Kreditwachstum finanziert, beinahe unabhängig vom Zinsniveau.

Im Normalfall wird regelmäßiges Einkommen für den Konsum verbraucht. Konsum auf Kredit ist nicht sehr nachhaltig. Nicht zuletzt deswegen hört man auch immer wieder das Argument, dass höhere Zinsen den Konsum und damit die Nachfrage kaum steuern können. Ob der Leitzins bei 0 % oder 1 % steht, den Fernseher kauft man trotzdem. Niemand verzichtet auf den Kauf eines neuen Fernsehers, wenn der alte ersetzt werden muss oder soll, nur weil man für 1.000 Euro auf dem Konto pro Jahr 10 Euro verdienen kann.

Das Argument ist korrekt, zumindest teilweise. Jede Wirtschaft funktioniert etwas anders. In den USA ist Konsum auf Kredit gerade wieder modern. Höhere Zinsen dürften hier durchaus eine Wirkung zeigen. Noch größer ist die Wirkung jedoch in anderen Bereichen, vor allem Investitionen.

In den USA werden aktuell pro Jahr Investitionen in der Höhe von 5,5 Billionen Dollar getätigt. 1,2 Billionen davon entfallen auf Haushalte. Hier handelt es sich vor allem um den Bau und Erwerb von Immobilien. Zinsen spielen hier eine große und direkte Rolle. Steigen die Zinsen für Immobilienkredite, schwächt sich der Immobilienmarkt ab. Der Effekt ist bereits zu erkennen (Grafik 2).

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Der Effekt ist zu erkennen, obwohl die Notenbank gerade erst zum zweiten Mal die Zinsen angehoben hat. Das liegt daran, dass allein die Ankündigung der Zinswende im vergangenen Jahr für einen Zinsanstieg gesorgt hat. So mancher Hypothekensatz hat sich nahezu verdoppelt. Das dämpft die Nachfrage enorm. Vor kurzem wurden noch Hypotheken in der Höhe von 1,2 Billionen Dollar vergeben. Heute sind es 30 % weniger (Grafik 3).

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Was für Haushalte und Immobilien gilt, gilt auch für Unternehmen. Unternehmen mit geringer Bonität können sich auf dem Kapitalmarkt nach wie vor Geld leihen. Es kostet nur sehr viel mehr als noch vor wenigen Monaten. Die Zinsen für Hochzinsanleihen sind heute auf einem der höchsten Niveaus der letzten 10 Jahre und auch nicht tiefer als 2007. Der Zins steuert auf 8 % zu. Selbst Unternehmen mit guter Bonität müssen mit Zinsen bis zu 5 % rechnen. Nicht jede Investition lohnt sich. Schuldenabbau bekommt eine höhere Priorität als Neuinvestitionen.

Zinsen können den Konsum von Haushalten beeinflussen. Die große Hebelwirkung liegt jedoch bei Investitionen, die in den USA immerhin 25 % der Wirtschaftsleistung ausmachen. Notenbanken können die Nachfrage über Zinsen effektiv steuern. Momentan funktioniert es möglicherweise zu gut, sodass eine Rezession droht.


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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