Kommentar
18:00 Uhr, 21.04.2008

Wie wirst du ein Börsenhai - Neun Regeln für die Frankfurter Börse

Die Frankfurter jagen ihren Kindern gern einen Schrecken ein. Sie erzählen den Blagen, dass die Börse aus Frankfurt weggeht, sollten sie ihr Gemüse nicht aufessen. Obwohl das wahrscheinlich nie passieren wird, gehen diese Gerüchte schon seit zwanzig Jahren um. Es hätte verheerende Folgen. Die Europäische Zentralbank würde dann vermutlich auch von hier weggehen und früher oder später würden ihr die meisten Prostituierten folgen. Frankfurt würde zu einer reichen Vorstadt von Offenbach verkommen! Kleiner Scherz. Aber so wichtig ist hier die Börse. Über 90 Prozent der deutschen Firmen werden an der Frankfurter Börse, einer der finanzstärksten der Welt, ge- und verkauft. Wir besuchten ein paar der besten Börsenmakler Frankfurts—diese gierigen Säcke, die Frankfurt am Leben halten—und baten sie um ein paar Tipps, wie man reich wird, ohne wirklich einen Finger krumm zu machen.

( Vorsicht "Satire" sehr hart an der Grenze ... )Sei ein Gentleman!

Der gute Ruf ist das A und O. Du denkst jetzt, es gäbe ein Naturgesetz, dass Börsenmakler gierig, argwöhnisch, paranoid und spirituell tot sind. Stimmt. Die Mythen sind alle wahr. Wie es in dem Film Wall Street richtig heißt: „Wenn der Aktienmarkt ein Abgrund ist, in den du hineinschaust, findest du in dem Moment deinen Charakter, in dem nichts zu dir zurückschaut.“ Aber an der Frankfurter Börse sind sich dem alle bewusst und die gemeinsame existenzielle Einsamkeit wird hier als ehrenhaft betrachtet. Der Punkt ist, hier musst du nicht lügen. Du bist kein Handelsvertreter und an der Börse macht es keinen Sinn, leere Versprechungen zu machen. Deine Karriere hängt davon ab, die Karten auf den Tisch zu legen. Es ist eine Ehrensache—von Mann zu Mann ...

Schaff dir keine Freundin an!

Ein Grund, weshalb moderne Börsenmakler keine Freundinnen haben, ist, dass sie einfach nicht wissen, wie man das überhaupt anstellt. Sie sind alle miteinander pickelgesichtige Nerds, für die der Markt einfach eine Art neues Computerspiel ist. Nachdem sie in zu kurzer Zeit zu viel Geld machen, um noch in der normalen Gesellschaft funktionieren zu können, wissen sie natürlich genauso wenig davon, wie man es anstellt, eine Freundin zu bekommen. Der Aktienmarkt gibt ihnen noch einen weiteren Grund, um lieber beim Porno zu blieben: Mädchen stehen in diesem Business eigentlich nur im Weg. Es macht keinerlei Sinn, sie um sich zu haben. Als Makler bleiben all deine Deals, deine Fehler und die Chancen, die du verpasst hast, nachts bei dir. Wenn ein Tag auf dem Parkett schlecht lief, kriegst du Panikattacken, wachst um fünf Uhr morgens schreiend auf und hast dir die Hälfte deines eigenen Körpergewichts aus dem Leib geschwitzt. Das macht keine Freundin lange mit. Eine andere Sache, welche die wenigsten Mädchen verstehen: dass ihre Freunde von Zeit zu Zeit Sex mit einer Nutte haben müssen, um einen Abend geschäftsfördernder Kontaktpflege mit einem Klienten am Laufen zu halten. Wenn du also ein Gefühlsleben willst, besorg dir einen Hund.

Sei keine Frau!

Es gibt fast keine weiblichen Börsenmakler. Frauen müssen in dieser Branche totale Arschlöcher sein, um denselben Respekt zu bekommen wie Männer. Wenn du eine Frau bist und dich entschließt, Börsenmaklerin zu werden, kannst du dein Leben als Frau ebenso gut gleich an den Nagel hängen. Deine Menstruation wird aussetzen und deine Eierstöcke werden in einen ewigen Winterschlaf verfallen. Wenn dir der Chauvinismus und die permanente Anmache deiner Kollegen nichts ausmachen, dann nur zu. Du musst dir nur im Klaren sein, dass du es um einiges schwerer haben wirst, als der Typ an dem Computer neben dir ... Der Aktienmarkt mag fair sein, das Leben ist es ganz sicher nicht.

Geh nicht aufs Klo!

Die Toilette im Büro ist ein sehr wichtiger Ort. Es ist der Ort, wo du am Morgen deines großen Tages um 6:30 Uhr hingehst. Der Tag, nach dem du das halbe Vermögen einer Firma verloren hast. Der Tag, um es wieder zurückzugewinnen. Nur diesen einen Tag. Hier bist du nun, in der angenehmen Wärme deines eigenen Geruchs. Sitzt einfach nur mit dem Gesicht in den Händen da und hörst dem entfernten Geräusch des Staubsaugers des Reinigungsdienstes zu. Du musst mehr entleeren, als nur deine Blase—du musst deine Seele leeren und du musst beides voneinander trennen. Dann den Körper abstellen. Die nächste Toilette, der du begegnen wirst, wird deine eigene sein. Da kannst du dich in aller Ruhe mit der FAZ niederlassen. Wenn du vorher nochmal auf die Bürotoilette musst, verpasst du den Moment, der darüber entscheidet, ob du im Abgrund versinkst oder nicht. Auf die Toilette zu gehen, ist ein Zeichen von Schwäche. Makler, die Rücksicht auf ihren Körper nehmen, kommen als Letzte ans Ziel. Nimm die volle Blase also einfach in Kauf. Der Moment der Erlösung in den luxuriösen Toiletten im „Bull + Bear“ nach der Arbeit ist es wert. Direkt neben der Börse, gehen hier die Türen der einzelnen Kabinen bis zum Fußboden hinunter.

Studiere auf keinen Fall Wirtschaft!

Ein Abschluss in Wirtschaftswissenschaften ist so ziemlich das Letzte, was du auf dem Parkett brauchst. Du musst noch nicht mal zur Schule gegangen sein. Es gibt keine Theorie und kein System, das dir helfen kann, Gewinne zu erzielen. Alles hängt von deinem Charakter ab, genau wie bei Tekken. Taxifahrer sind zum Beispiel gute Börsenmakler, weil sie gut reden und Leute überzeugen können. An der Frankfurter Börse gibt es eine ganze Reihe ehemaliger Taxifahrer.

Werde nicht alt!

Die Regeln der Frankfurter Börse haben sich in den letzten 20 Jahren stark verändert. Alte Leute denken gerne an die tollen Zeiten zurück, die sie in den 80ern hatten. Als sie wochenlang nichts als Kokain zu sich nahmen, an einem Tag locker eine Million DM gewannen und die Frau ihres Bosses vögelten, weil sie eine Wette mit ihm zu laufen hatten. So laufen die Dinge inzwischen nicht mehr. Jetzt muss man sich mit Algorithmen auskennen. Der Computer macht zwar die halbe Arbeit, aber dafür gibt es doppelt so viel zu tun. Wenn dir ein Ausrutscher passiert, oder wenn du während des sogenannten „Hexensabbats“, dem dritten passiert, oder wenn du während des sogenannten „Hexensabbats“, dem dritten Freitag im März, Juni, September und Dezember, an dem jeweils haufenweise Termingeschäfte gleichzeitig auslaufen (was echt die Härte ist), einen verkehrten Knopf drückst, dann bist du erledigt. Du bist die traurige, 60 Jahre alte Lektion für die Neulinge.

Lies permanent die Nachrichten!

Wie alle wissen, machten ein paar Leute am 11. September eine Menge Geld. Und das nicht, weil sie Bin Ladens Schwager aus Saudi Arabien waren, sondern weil sie ihre Newsfeeds nicht filterten. Es mag etwas desorientierend sein, einen ungefilterten Reuters Newsfeed auf seinem Monitor laufen zu lassen, weil man jede Minute Hunderte von Nachrichten bekommt, aber an einem Tag wie 9/11 heißt das, dem Markt zuvorzukommen. Der Trick war erstens, rechtzeitig zu schnallen, dass Piloten nicht so bescheuert sind, und zweitens, seine kompletten Anlagen bei Versicherungen zwischen dem ersten und dem zweiten Flugzeug zu verkaufen. Wer also in Frankfurt mit Anlagen bei der Allianz war, wissend, dass diese das World Trade Center versichert, konnte diese Aktien verkaufen und später sehr viel günstiger wieder ankaufen. Viele der Maklerfirmen unterbrachen den Handel später am Tag als Zeichen des Respekts, aber erst nachdem sie dank eines sehr trägen Markts haufenweise Kohle gemacht hatten.

Vergiss nicht: Angst kann teuer werden!

Risiken können sich rächen, aber ohne sie kommt man nicht voran. Auf dem Aktienmarkt muss man spielen, um zu gewinnen, oder man verliert. Mumm ist das Einzige, was zählt. Ein wichtiger Teil des Zen des Maklertums ist zu wissen, wie man die schlechten Tage wegsteckt, ohne sich von der Panik oder den eigenen Gefühlen beeinflussen zu lassen und auf dem disziplinierten System zu beharren, das man für sich aufgestellt hat. So spricht der Meister.

Stell dir Geld als etwas Irreales vor!

Ein Makler zu sein, ist auf gewisse Weise so ähnlich, wie ein Buddhist zu sein. Geld hat keine Bedeutung. Es kommt und geht, es ist Teil des ruhigen und perfekten Zyklus des Lebens. Zugegeben, das Leben eines Maklers dreht sich darum, soviel davon zu verdienen wie möglich. Aber zwischen der Arbeit, die man macht, und dem Geld, das man verdient, gibt es keinerlei Zusammenhang. Es ist absolut. Du kannst an einem ruhigen Tag Millionen verdienen und an einem verrückten Tag alles verlieren. Also spare nicht erst. Denke nicht darüber nach, was du mit dem Geld alles anfangen könntest: das Auto, das du kaufen könntest, die Hypothek, die du abbezahlen könntest, die Menschen in Afrika, die du retten könntest … Diese Dinge sind nicht real, weil das Geld nicht real ist. Gib es lieber dafür aus, Prostituierten Zitronensorbet auf die Nippel zu träufeln und deinen Freunden zu zeigen, wie erfolgreich du bist. Wenn du gut bist, wirst du darin einen Zen-artigen Frieden finden. Aber hier ist Frankfurt und nicht New York. Frankfurt ist die spirituelle Heimat der Bourgeoisie. Also kommt es vor, dass Makler auch Grundstücke oder Volvos kaufen. Das gehört zum Frankfurter Vibe dazu.

Wenn du es nicht mehr raffst, setz dich zur Ruhe!

1997 führte die Frankfurter Börse das Xetra System ein. Xetra ist im Prinzip wie Skynet in Terminator, nur mit Nerds anstelle von Kampfrobotern. Es weiß und errechnet alles, bevor du Zeit hast, aufs Klo zu gehen. Ein paar der älteren Makler finden, dass Xetra dem Aktienhandel die Seele geraubt hat, weil es bedeutet, dass die Makler der Banken nicht mehr auf dem Parkett sind—man kommuniziert jetzt über Monitore mit ihnen. Aber in Wahrheit macht das keinen so großen Unterschied. Du machst die anderen Typen jetzt einfach über einen Draht alle. Zu versuchen, einem älteren Makler Xetra zu erklären, ist ungefähr so, wie als Kind deiner Oma begreiflich machen zu wollen, worum es in Sonic the Hedgehog geht. „Es ist einfach wie im wirklichen Leben, Omi, alle wollen dich umlegen.“

Mit freundlicher Genehmigung von VICE - dem ganz speziellen Lifestyle und Szenemagazin.

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