Kommentar
10:56 Uhr, 21.09.2016

Wie viel Dampf ist noch unterm US-Konjunkturkessel?

Die ganze Welt brütet derzeit über dieser Frage, ganz besonders natürlich die US-Notenbanker. Zu welchem Schluss werden sie wohl kommen?

Es ist manchmal schon fast erschreckend, wie viele unterschiedliche Indikatoren man analysieren kann, um den Zustand einer Wirtschaft zu bestimmen. Allein der von der US-Notenbank kreierte Labor Market Conditions Index beinhaltet über ein Dutzend Einzelindikatoren, die in die Berechnung einfließen.

Die Stimmung von Unternehmen und Verbrauchern wird regelmäßig gemessen. Mehrere Institute erheben Stimmungsindikatoren, die jeweils wiederum viele Sub-Indikatoren beinhalten. Der Einkaufsmanagerindex setzt sich aus 10 Komponenten zusammen, darunter Produktion, Bestellungen, Importe, Exporte und Beschäftigung.

Wenn man will, dann kann man über 100 Indikatoren analysieren, um herauszufinden wie es der Wirtschaft geht. Bei so vielen Indikatoren verliert man allerdings auch schnell den Überblick und sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Die US-Notenbank scheint sich so langsam durchs Dickicht zu schlagen und zu einer wichtigen Erkenntnis zu kommen. Es braucht nämlich nur einen einzigen Indikator, um eine zuverlässige Aussage über den Zustand der Wirtschaft zu machen.

Bei diesem Indikator handelt es sich weder um ein neues noch komplexes Konstrukt. Es handelt sich ganz einfach nur um die Beschäftigung. Die Logik dahinter ist einfach wie bestechend: Bauen Unternehmen Stellen auf, dann geht es der Wirtschaft gut und sie ist auf Expansionskurs.

Die Beschäftigungsentwicklung ist der beste und auch objektivste Maßstab für das Geschehen in der Wirtschaft. Stimmungsindikatoren oder Einkaufsmanagerindizes sind bis zu einem gewissen Grad sehr subjektiv. Ereignisse wie das Brexit-Referendum können die Einschätzung kurzfristig beeinträchtigen, obwohl sich in der Realität keine Verhaltensänderung zeigt.

Kritik an der Beschäftigungsentwicklung als ausschlaggebenden Indikator gibt es genug. Viele sagen, die Daten seien zu spät verfügbar und würden der Entwicklung eher hinterherhinken als sie zu prognostizieren. Das ist so nicht ganz richtig. Während der Arbeitsmarkt, gemessen an der Arbeitslosenquote, tatsächlich eher langsam reagiert, tun es die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung nicht. Sie sind quasi ein Echtzeitindikator.

Grafik 1 zeigt die Erstanträge und das Wirtschaftswachstum. Die Erstanträge steigen bis zu zwei Jahre vor dem Beginn einer Rezession an. Als Faustregel für Geldpolitik gilt, dass sie ungefähr ein Jahr braucht, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Die Erstanträge geben also mehr als genug Zeit, um zu reagieren. Sie sind auch ganz nebenbei der mit Abstand zuverlässigste Indikator und hier steht die Ampel ganz klar weiterhin auf Grün.

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Die Nervosität des Marktes, ob nun der nächste Zinsschritt kommt oder ob er verkraftbar ist, ist übertrieben. Die US-Wirtschaft zeigt kein überdurchschnittlich hohes Beschäftigungswachstum mehr, doch das ist auch gar nicht notwendig. Viele erleben den Rückgang der monatlich geschaffenen Stellen von über 250.000 auf unter 200.000 als große Bedrohung. Diese Angst ist unbegründet. Grafik 2 zeigt wieso.

Grafik 2 zeigt die monatlich neu geschaffenen Stellen, von denen das Bevölkerungswachstum abgezogen wird. Langfristig sollte der daraus resultierende Wert nahe bei null liegen. Wächst die Bevölkerung um eine Millionen Menschen, dann braucht es auch früher oder später diese Anzahl an neuen Jobs. So sollte es langfristig sein. Wie die Grafik zeigt, war das lange Zeit nicht mehr der Fall. Das Bevölkerungswachstum war von 2000 bis 2011 deutlich höher als das Stellenwachstum.

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Einerseits ist das dadurch zu erklären, dass weniger Jobs gebraucht wurden, um das Bevölkerungswachstum abzuschöpfen, weil viele Babyboomer in Rente gingen. Viele Jobs wurden frei. Andererseits ging die Partizipationsrate zurück. Der Anteil der Menschen, die arbeiten könnten, es aber nicht tun, ist gestiegen.

Seit einem Jahr stabilisiert sich die Partizipationsrate. Damit die Wirtschaft bei einer Arbeitslosenrate von 4,9 % nicht überhitzt, muss die Partizipationsrate wieder steigen. Ansonsten käme es relativ bald zu einem Unterangebot von Arbeit. Ein Stellenwachstum, welches bei 150.000 pro Monat liegt, ist das Beste, was der Wirtschaft passieren kann. Es absorbiert das Bevölkerungswachstum mehr als genug. In den USA gehen zwischen 3 und 4 Millionen Menschen jedes Jahr in Rente. Da werden viele existierende Stellen frei, die wieder gefüllt werden müssen.

Ein Beschäftigungswachstum von 150.000 pro Monat ist ungefähr die Menge, die für ausreichend Druck sorgt, um die Partizipationsrate wieder langsam steigen zu lassen, ohne einen Mangel an Arbeitskräften hervorzurufen. Wer nach 7 Jahren Expansion ein höheres Beschäftigungswachstum sehen will, der will letztlich eine Überhitzung sehen. Das ist wenig sinnvoll.

Zusammengefasst heißt das: Auf dem Kessel der US-Konjunktur ist weniger Druck als vor einem Jahr. Ist das schlecht? – Nein. Es ist sogar wünschenswert. Vielen fällt das schwer zu verstehen und es führt zu hoher Nervosität der Anleger, weil alles, was keine Steigerung zu den letzten Daten bedeutet, automatisch als schlecht interpretiert wird.

Lars Gottwik

Partner & CEO JFD Brokers
JFD Brokers – Just FAIR and DIRECT

www.jfdbrokers.com

Offenlegung gemäß §34b WpHG wegen möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.

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