Kommentar
11:12 Uhr, 29.06.2012

Wenn jeden Tag politischer Aschermittwoch ist

Die Wertentwicklung der Anlageklassen im abgelaufenen II. Quartal 2012 - in Euro umgerechnet - spiegelt die Auswirkungen der politischen Euro-Krise wider, die mittlerweile auch negativ auf die Weltwirtschaft ausstrahlen. Defensive Anlageklassen wie deutsche Staatsanleihen und Gold, die risikoscheue Anleger als sichere Häfen ansteuerten, aber auch US-Aktien, die sich von der Konjunktureintrübung in Euroland ein Stück weit abkoppeln, waren in diesem Zeitraum die klaren Gewinner.

Die anderen Anlageklassen befinden sich in der Verlustzone. Die Schwellenländer leiden offensichtlich unter den Ängsten einer konjunkturellen Abkühlung als Folge schwächerer Exporte. Unter Konjunktursorgen litt auch Silber - ähnlich wie Rohstoffe insgesamt - das zwar Edelmetallcharakter hat, aber auch als Industrievorprodukt Verwendung findet.

Der Krisenherd Eurozone belastet aber insbesondere die eigene Heimat, also euroländische und deutsche Aktien, die erst durch die EU-Gipfelbeschlüsse leichten Auftrieb erhielten. Die starke Konjunktursensitivität der deutschen Wirtschaft, die in Boom-Zeiten für deutsche Aktien spricht, wirkt in schwierigerem konjunkturellem Fahrwasser als Handicap. Größter Verlierer im abgelaufenen Quartal war Rohöl.

Banken- und Euro-Krise als eine Veranstaltung auf Gegenseitigkeit

Der Druck im Euro-Kessel nimmt noch weiter zu. Nachdem Spanien offiziell Hilfen für seinen Bankensektor beantragt hat - die Antwort der Rating-Agentur Moody’s in Form einer Bonitätsabstufung von 28 spanischen Banken ließ nicht lange auf sich warten - folgt auch Zypern diesem Beispiel. Das Land benötigt Liquidität von 6 Mrd. Euro, ebenfalls für seinen angeschlagenen Bankensektor.

Zwischenzeitlich bebt auch in Italien die Bankenlandschaft. Die drittgrößte und älteste Bank des Landes, Monte dei Paschi, meldet beim Staat einen Finanzbedarf von zwei Milliarden Euro an. Dass dies ein italienischer Einzelfall bleibt, ist schon mit der Erfahrung einer sukzessiv ansteigenden Anzahl von Hilfe beantragenden Banken in anderen Euro-Ländern mehr als unwahrscheinlich. Aus Gründen des Erhalts ihrer Funktion als Staatsfinanzierer - allein Monte dei Paschi ist mit etwa 25 Mrd. Euro in italienischen Staatsanleihen engagiert - werden Bankenpleiten präventiv verhindert.

Dass die Banken in der Schusslinie der Finanzmärkte stehen, äußert sich nicht zuletzt in den 5-jährigen Ausfallprämien von europäischen Banken mit Investment Grade, die auf ihrem vergleichsweise hohen Niveau verharren. Auch der nachlassende Außenwert des Euros zum US-Dollar gibt Zeugnis über die unsichere Lage der europäischen Finanzindustrie.

„Es geht noch schlechter“

Banken in vielen Euro-Ländern werden weiter gerettet werden müssen. Als Financiers kommen dafür bislang nur die Staaten in Frage, auch indirekt über die Euro-Rettungsschirme. Schaut man sich in Spanien die im Durchschnitt noch viel zu hohen Immobilienpreise an, ist es einleuchtend, dass die spanischen Kreditinstitute - die die Immobilien von säumigen Kreditkunden angedient bekommen haben - zum Überleben zukünftig noch mehr finanzielle Unterstützung benötigen. Dies schlägt sich als Risikozuschlag ebenso in erhöhten Renditen von Staatsanleihen nieder wie die Rezessionen in Italien, Portugal und Spanien, die über sozialpolitische Stabilisatoren zu noch höherer Staatsverschuldung führen.

Für Risikoentspannung sorgt schließlich auch nicht der konkrete Blick auf die geplante und tatsächliche Rückführung der Haushaltsdefizite 2012 für die angeschlagenen Euro-Länder. Während Irland deutlich über Plan in punkto Schuldenabbau liegt, hat Italien das Ziel dramatisch verfehlt und Spanien sowie Portugal haben gar keine Schuldenrückführung, sondern sogar -aufbau betrieben.

Gipfelergebnisse: Das Durchwurschteln wird perfektioniert

Nachhaltige Abhilfe schafft auch dieser EU-Gipfel nicht, der in punkto klarer Neuausrichtung der euroländischen Wirtschafts- und Finanzpolitik enttäuschte. Eine Agenda 2020 für Euroland - ähnlich nach dem Vorbild deutscher Strukturreformen à la Agenda 2010 - ist nicht vereinbart worden. Stattdessen setzt man weiter auf die Salamitaktik des Sich-Durchwurschtelns.

Zwar hat man sich auf eine Ergänzung des Fiskalpakts um eine Wachstumskomponente geeinigt. Über den Einsatz von Mitteln aus den EU-Strukturfonds, der Europäischen Investitionsbank sowie Projektbonds zur Finanzierung privater Infrastrukturprojekte im Volumen von bis zu 120 Mrd. Euro will man dem Wachstum in den prekären Euro-Staaten auf die Sprünge helfen. Die drängenden Strukturprobleme werden damit aber nicht gelöst, sondern nur kurzfristig überdeckt. Langfristige Lösungen können hier nur verstärkte Strukturreformen seitens der prekären Euro-Staaten leisten. Darüber darf auch die in Italien nun verabschiedete Arbeitsmarktreform nicht hinwegtäuschen, die in ihrer Durchschlagskraft aufgrund des starken gewerkschaftlichen Widerstands - z.B. gegenüber Kündigungslockerungen im typisch mittelständisch geprägten Italien - deutlich abgeschwächt wurde.

An der Hauptbaustelle der Eurozone, der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, wird also grundsätzlich nicht weiter gearbeitet. Trotz der drohenden Gefahr einer deutlichen wirtschaftlichen Destabilisierung Eurolands vertraut man weiter auf das wackelige Konstrukt der Euro-Rettungsschirme.

Man hat nochmals betont, dass sie aktiv als Käufer von Staatsanleihen auftreten sollen und so die zuletzt deutlich aufwärtsgerichteten Renditen vor allem spanischer und italienischer Staatsanleihen wieder auf ein verträgliches Niveau senken. Grundsätzlich wurde damit aber nichts Neues beschlossen, denn dazu sind die Euro-Rettungsschirme schon seit letztem Sommer befugt. Neu ist, dass sie nun die Banken direkt unterstützen können, ohne dabei den Umweg über den Staat zu gehen und so dessen Schulden weiter zu erhöhen. Das ist aber eine Lösung, die uns nicht über den Winter bringt. Denn sollte man in Spanien bei der Bereinigung der Immobilienpreisblase endlich Ernst machen, geriete man in ernste Schwierigkeiten.

Man ignoriert einfach konsequent, dass der Euro-Rettungsschirm mit seinem Rettungsvolumen von 500 Mrd. Euro schlichtweg zu klein ist. Denn allein die kombinierte zu refinanzierende Schuldenlast Italiens und Spaniens liegt mit rund einer Billion Euro bis Ende 2014 doppelt so hoch. Zudem besteht weiterhin die reale Gefahr einer Beantragung vollumfänglicher Hilfszahlungen von Spanien und Italien, für die dann auch kaum noch Geld übrig sein dürfte. Eine weitere Aufstockung der Euro-Rettungsschirme ist dann nicht auszuschließen. Die bereits jetzt hohen Garantiebelastungen der (noch) bonitätsstarken Staaten - Deutschland liegt derzeit bei ca. 310 Mrd. Euro - stiegen damit noch dramatisch weiter an.

Die Hauptrolle hat die EZB

Bei der Vision, eine stärker integrierte Eurozone zu schaffen, bei der langfristig eine Fiskal- und Politunion mit gegenseitiger Kontrolle der Staatshaushalte installiert wird, hat man aber bei der Kurzfristlösung zur Begrenzung der Renditesteigerungen am Staatsanleihemarkt zur Sicherung der staatlichen Refinanzierung zu kurz gegriffen. Hierzu bedarf es dem effizientesten Rettungsinstrument: Der EZB.

Die Definition von Renditeobergrenzen am euroländischen Staatsanleihemarkt stellt die einzige glaubhafte Alternative zur Stabilisierung Eurolands dar, um den prekären Euro-Staaten die finanzmarktstressfreie Zeit für die nötigen Reformen zu erkaufen. Als Reformanreize könnte frei nach dem Prinzip „Fördern und Fordern“ diese Renditeobergrenze von der EZB sukzessive verringert werden, wenn ein Land seine Reformbestrebungen erfolgreich umsetzt. Dass es zu ernsten Konsequenzen einer verschärften Finanzmarkt- und Konjunkturdestabilisierung kommt, wenn die EZB nicht ihre volle Rettungskapazität nutzt, bestätigte zuletzt auch die OECD.

Die risikoentspannende Wirkung eines Eingriffs der EZB lässt sich am Beispiel der spanischen Zinsstrukturkurve aufzeigen. Beim letzten Hochpunkt der Euro-Krise am 25. November 2011 hatte sich diese deutlich verflacht. Bei ihrer aktuellen Betrachtung zeigt sie einen deutlich normaleren, steileren Verlauf. Damit deutet sie trotz hoher Langfristzinsen und der spanischen Inanspruchnahme des Rettungsschirms immer noch keine Panik bei Investoren an, die sich in deutlich geringeren Zinsabschlägen von Kurz- zu Langläufern wie eben im November 2011 zeigen müsste. Die beherzte Liquiditätspolitik der EZB in Form zweier dramatischer Liquiditätsoffensiven (LTRO) im Dezember 2011 und Februar 2012 hat ihre Wirkung offenbar nicht verfehlt.

Und die deutlichen Signale der EZB, auch zukünftig im Falle eines Falles quantitativ via Zentralbankgeld bzw. qualitativ über eine weitere Zinssenkung bereitzustehen, zeigen, dass zumindest von Seiten der Geldpolitik kein Ungemach droht.

Preisrückgang bei Rohstoffen als Alibi für eine freizügige Geldpolitik

Die ungelöste, politische Euro-Krise bleibt vorerst der größte Unsicherheitsfaktor für die Weltwirtschaft, die sich als deren Konsequenz bereits eingetrübt hat. Als Frühindikator hierfür dient die Rohstoffpreisentwicklung, primär bei Industriemetallen. So zeigte sich die Preisentwicklung bei Aluminium - das Buntmetall findet u.a. in konjunktursensitiven Bereichen wie dem Auto- und Flugzeugbau Verwendung - zuletzt bereits deutlich rückläufig. Eine ähnlich negative Entwicklung zeigt sich auch bei Kupfer, einem ebenfalls typischen konjunktursensitiven Metall.

Grafik der Woche: Aluminium- und Kupferpreise, indexiert und weltweites Wirtschaftswachstum

Und auch der stark gefallene Ölpreis ist Ausdruck der vorherrschenden Konjunkturängste. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass ein niedriger Ölpreis der Weltwirtschaft aufgrund des nachlassenden Kostendrucks für Unternehmen und Verbraucher entlastend zugute kommt. Der Preis der US-Rohölsorte WTI befindet sich mit knapp 80 US-Dollar pro Barrel auf dem niedrigsten Stand seit neun Monaten. Die sinkenden Energiepreise dürften ähnlich wie im II. Halbjahr 2011 - besonders deutlich war es im wirtschaftlichen Annus Horribilis 2008 - sinkende Ausgaben der privaten Haushalte für Energie nach sich ziehen, denen damit mehr Geld für den privaten Konsum zur Verfügung steht. Der US-Konsum als wichtige Tragsäule der US-Wirtschaft erfährt damit eine deutliche Entlastung und dürfte auch zukünftig seine stabilisierende Konjunkturwirkung nicht verlieren. Im Grunde wirkt die Ölpreissenkung wie eine Steuersenkung.

Zusätzlich gibt der gesunkene Ölpreis - die in Europa vielfach verwendete Rohölsorte Brent befindet sich mit knapp 93 US-Dollar je Barrel auf dem niedrigsten Stand seit zwei Jahren - der Europäischen Zentralbank zudem mehr geldpolitischen Spielraum. Bedenken bezüglich der Wahrung der Preisstabilität dürften sich angesichts der rückläufigen Inflationsraten in der Eurozone - die tatsächliche ist zweifelsohne deutlich höher als die offizielle - zurückbilden. Die EZB hat damit weniger Widerstand zu befürchten, wenn sie ihre Bilanzsumme von derzeit knapp drei Billionen Euro - was Ausdruck ihrer geldpolitischen Offensive ist - weiter ausweitet.

In Deutschland erweist sich vor dem Hintergrund schwächelnder Exporte - auch die deutsche Wirtschaft kann sich den Turbulenzen der Euro-Krise nicht mehr entziehen und dürfte nach Schätzungen des ifo Instituts 2012 lediglich um 0,7 Prozent wachsen - die Binnenkonjunktur als stabilisierende Säule für die Gesamtwirtschaft. So sorgen die immer noch robuste Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt und spürbar verbesserte Tarifabschlüsse laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) für deutlich aufwärtsgerichtete Einkommenserwartungen. Auch scheint die Unsicherheit über den Euro die deutschen Konsumenten zu veranlassen, das Geld lieber auszugeben anstatt in Kapitalanlagen anzulegen. Sowohl die GfK Anschaffungsneigung als auch das GfK Konsumklima sprechen weiterhin f��r eine solide Entwicklung der Binnenkonjunktur. Zu diesem Schluss kam zuletzt auch das ifo Institut.

Aktienmarkt als Opferlamm der politischen Krise

Dagegen haben deutsche Aktien mit deutlichem Gegenwind zu kämpfen. Aus charttechnischer Sicht muss der deutsche Leitindex für eine deutliche Aufhellung des Aktienbildes den seit Juni bestehenden Aufwärtstrend bei rund 6340 Punkten nachhaltig hinter sich lassen und auch den Widerstand bei 6440 Punkten überwinden. Darüber liegt die nächste Hürde im Bereich zwischen 6550 und 6580 Zählern.

Sollte das nicht gelingen, so dienen die 200-Tage-Linie bei aktuell rund 6300 sowie die Marke bei 6230 Punkten als erste Unterstützungslinie. Darunter treten die weiteren Unterstützungen bei 6110 und darunter 6080 Zählern in den Vordergrund. Durchbricht der DAX auch diese, verlaufen weitere Auffanglinien an der psychologisch wichtigen Marke bei 6000 sowie bei 5900 Punkten.

Im Grunde hängt alles an der Politik hinsichtlich Umgang und Lösung der Euro-Krise.

Und was passiert in der nächsten Woche?

In Euroland sorgt das Grundrauschen nach den Ergebnissen des EU-Gipfels weiterhin für Volatilität an den Märkten.

In Amerika verdeutlicht der rückläufige ISM Index für das Verarbeitende US-Gewerbe sowie weiterhin verhaltene US-Industrieaufträge, dass auch die US-Wirtschaft sich nicht von den der Euro-Krise geschuldeten Eintrübungen abkoppeln kann. Die US-Arbeitsmarkterholung erweist sich weiterhin als verhalten, wenn auch stabil.

Und auch in Deutschland führen uns die Auftragseingänge in der Industrie vor Augen, dass die Realwirtschaft der politischen Euro-Krise Tribut zollen muss.

Halvers Woche:

Mehr Integration ja, aber nicht um jeden Preis

Überall gibt es gefühlt nur noch ein Thema: Die Euro-Krise. Euro-Krise? Der Euro wird also mit Krise gleichgesetzt. Ja, denn nicht zuletzt wirken die angelsächsischen Medien dabei wie Backhefe. Sie machen kein Hehl daraus, dass selbst am Umfallen eines Sackes Mais in Iowa eigentlich nur Euroland Schuld hat. Für die in Amerika und England unter partieller Amnesie Leidenden sei es mir erlaubt, darauf hinzuweisen, dass der weltweite Siegeszug der Schuldenkrise seinen Anfang im Land der unbegrenzten Immobilien-Möglichkeiten nahm.

Schuld haben immer nur die Anderen

Amerika ist es geschickt gelungen, sich als weißer Adler vom Schmutz der geplatzten Immobilienblase rein zu waschen und diesen Dreck Richtung Euroland zu schleudern. Ob dabei die amerikanischen Rating-Agenturen mit ihren inflationsartigen Herabstufungen von Euro-Ländern und Banken mit eingespannt werden? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Und wie gehen wir damit um? Wir vermeintlichen Schmuddelkinder nehmen diese Rolle auch noch ohne ernste Gegenwehr an und lassen uns von den Finanzmärkten als Spielball benutzen. Amerika weiß natürlich, dass es die eigenen Reihen schließt, wenn man möglichst emotional - wer kann das besser als ein Land, in dem Hollywood zu Hause ist - die Schwächen von uns als Auslöser für die der USA darstellt. Schon im alten Hellas und im Römischen Reich wusste man: Ein gemeinsamer Feind eint mehr als tausend gemeinsame Freunde.

Auf diese Weise macht sich Amerika lieb Kind bei globalen Anlegern, die Dollar und US-Staatsanleihen als sichere Häfen einstufen und bei uns in Euroland eher an Pleiten, Pech und Pannen denken. Dass Präsident Obama - sollte er wiedergewählt werden - die US-Staatsverschuldung in seiner Amtszeit glatt verdoppelt haben wird, findet ebenso wenig Beachtung wie die Tatsache, dass die Euro-Familie insgesamt - also auch mit all ihren enfants terribles - der Erfüllung der Maastricht-Kriterien deutlich näher ist als die Amerikaner. Und das gilt übrigens auch im Vergleich zum Vereinigten Königreich, das sich in der Rolle als Euro-Balkonnörgeler - wie Waldorf und Statler in der Muppet Show - wieder pudelwohl fühlt.

Kein euroländischer Defensivfußball mehr

Und wie sieht die Antwort Eurolands aus? Mit Duckmäuserei wird man - 2004 bestätigt als Ausnahme die Regel - nicht Europameister, sondern nur mit Angriff. „Wichtig ist ganz einfach auf'm Platz“ würde Lukas Podolski sagen.

Wie in den USA ist also dringend euroländischer Chorgeist gefragt, damit das permanente Schrillen der Alarmglocken an den euroländischen Finanzmärkten aufhört. Im Grunde müsste man die Euro-Politiker ohne Nahrung solange einsperren, bis sie sich konkret geeinigt haben. Dabei müssen Länder wie Spanien zunächst schnell dazu stehen, dass sie Finanzprobleme haben. An blühende spanische Landschaften glauben die Finanzmärkte ohnehin so wenig wie Fußballfans an erfolgreiche englische Elfmeterschützen.

Und dann geht es um das wirkliche Problem. Die angeschlagenen Euro-Länder müssen ihre Reform- und Wettbewerbsrenitenz verbindlich aufgeben. Für Wirtschaftsreformen hat Deutschland - es wurde zu Beginn des Jahrtausends als kranker Mann Europas belächelt - sogar einen Bundeskanzler geopfert. Weiter geht es mit der Kontrolle der Reformen, bei der die Instanz mit dem besonders dicken Portemonnaie - die EZB - am Staatsanleihemarkt und bei Banken als entscheidender Förderer und Forderer auftreten soll. Und erst ganz zum Schluss, wenn die Hausaufgaben gemacht sind, die Versetzung nicht mehr gefährdet ist, ja dann sprechen wir auch über euro-familiäre Solidarität. Mit dieser Reihenfolge haben wir langfristig die politische Integration der Marke Vernunft.

Das Leistungsprinzip ist universell

Frau Merkel hat einer Vergemeinschaftung von Schulden eine klare Absage „solange ich lebe“ erteilt. Mit Schuldensozialismus würde ein Meteorit in die Eurozone einschlagen, wobei den nationalen Reformaktivitäten die Rolle der Dinosaurier zuteil würde. Ich wünsche unserer Madame Non von Herzen ein sehr langes Leben. Denn trotz aller kulturellen Unterschiede müssen sämtliche Euro-Länder schnellstmöglich begreifen, dass die Happy Hour einer Politik gemäß des Kinderliedes „Heile, heile Gänschen, ist bald wieder gut“ beendet werden muss. Die bisherige Überzeugung, dass irgendwer schon die Euro-Finanzwelt - dann eben mit Eurobonds o.ä. - wieder für ein paar Monate retten wird, muss als Irrglaube geächtet werden. Unser Maßstab muss das Leistungsprinzip auch über sicher unbequeme Reformen sein. Nur das lässt uns auch im Wettbewerb mit den Schwellenländern langfristig überleben, nicht der Freitisch, bei dem wir früher oder später verhungern. Wie heißt es im Kinderlied weiter: „Heile, heile Mausespeck, in hundert Jahren ist alles weg“. Jedoch irrt hier das Lied. Machen wir so weiter, ist in deutlich weniger als 100 Jahren alles weg.

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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